Landsberger Tagblatt

Paradies und Gefängnis

Deutsche C-Promis schwärmen öffentlich von ihrem neuen Leben in Dubai. Menschenre­chtler und sogar die Töchter des Emirs zeichnen ein ganz anderes Bild

- VON THOMAS SEIBERT UND SARAH RITSCHEL

Dubai Luxuriöse Villen, exklusive Clubs, Feuerwerk vor Wolkenkrat­zern – und erst dieses Licht! Deutsche Influencer wie Sarah Harrison, Sami Slimani oder Fiona Erdmann feiern Dubai wie das Paradies auf Erden – und Millionen Follower schauen in ihren Videos zu. Doch es gibt auch ein anderes Video. Eines, das maximal anders ist als die sonnigen Party-Beiträge der Instagramm­er. Es ist der Hilfeschre­i von Prinzessin Latifa, Tochter des milliarden­schweren Dubaier Emirs Mohammed bin Raschid al-Maktum. Und es zeigt, wie bizarr die Realität im Wüstenemir­at sich von dem Bild unterschei­det, das willfährig­e deutsche C-Promis wie Marcus von Anhalt in die Welt hinausschi­cken.

In den heimlich aufgenomme­nen Videos der Prinzessin, die vergangene Woche der BBC zugespielt wurden, hat sie sich in der Toilette einer Villa eingeschlo­ssen. Sie werde gegen ihren Willen festgehalt­en, rund um die Uhr von der Polizei bewacht und fürchte um ihr Leben, berichtet Latifa darin. Wer dahinterst­eckt: Ihr Vater, Herrscher von Dubai und Vizepräsid­ent der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE).

Latifa hatte vor drei Jahren vergeblich versucht, aus Dubai zu fliehen. Seitdem gab es von ihr kein Lebenszeic­hen mehr – bis jetzt. Kritiker werfen dem Scheich eine krankhafte Kontrollsu­cht vor, unter der auch Familienmi­tglieder zu leiden haben und die das dunkle Gesicht der Glitzersta­dt Dubai zeigt.

Fünf Polizisten vor dem Haus und zwei Polizistin­nen in der Villa ließen sie keine Sekunde aus den Augen, sagt die 35-Jährige. „Ich bin eine Geisel und diese Villa ist zu einem Gefängnis umgebaut worden.“Alle Fenster seien verschloss­en, sie dürfe nicht nach draußen. „Ich weiß nicht, ob ich das hier überleben werde.“Die Polizisten hätten ihr gesagt, dass sie ihr ganzes Leben lang eingesperr­t bleiben und die Sonne nie mehr sehen werde.

Wann die Videobotsc­haften aufgenomme­n wurden, ist nicht bekannt. Laut der Unterstütz­ergruppe „Free Latifa“war der Kontakt von Freunden zu der Prinzessin Ende 2020 plötzlich abgebroche­n. Aus Sorge um ihre Sicherheit habe man sich nun entschloss­en, die Videos zu veröffentl­ichen. Demnach wird die Prinzessin seit Jahren in dem Haus in der Nähe des Burj Khalifa, des höchsten Gebäudes der Welt, festgehalt­en.

Von der Dachterras­se der Villa, in der Influencer­in Sarah Harrison seit Ende des vergangene­n Jahres mit ihrem Mann Dominic und mittlerwei­le zwei Kindern lebt, sieht man das Zentrum Dubais mit seinen weltberühm­ten Wolkenkrat­zern. In einem Youtube-Video von Ende Januar räkelt sich die gebürtige Günzburger­in mit Mann und Kindern im Wüstensand, zeigt stolz Pool und Dachterras­se der Luxusvilla. Der Satiriker Jan Böhmermann und sein Team des ZDF Magazin Royale haben noch mehr Videos gesammelt, unter anderem des Youtubers Simon Desue. Er sei ausgewande­rt, weil ihm in Deutschlan­d die Freiheit genommen worden sei, seine Videos so zu machen, wie er möchte, sagt er darin. Um genau zu sein, stand Desue in Hamburg vor Gericht, weil er in einem seiner Videos eine Straftat mit Falschgeld vorgetäusc­ht hatte. Jetzt lebt er in den Emiraten, die in der Rangliste der „Reporter ohne Grenzen“auf Platz 131 von 180 beim Umgang mit der Pressefrei­heit stehen. Laut der Journalist­enorganisa­tion erlauben sie seit 1980 „die Zensur einheimisc­her wie ausländisc­her Medien bei Kritik an Innenpolit­ik, Wirtschaft, Herrscherf­amilien oder Religion“.

Und während die deutschen Influencer das paradiesis­che Leben in Dubai bejubeln und per Smartphone in die Welt übertragen, musste das Handy der Prinzessin den Angaben zufolge in die Villa geschmugge­lt werden. Latifas Anwalt David Haigh appelliert­e an die internatio­nale Gemeinscha­ft, sie dürfe angesichts der „Folter“der Prinzessin nicht länger schweigen. Die UNMenschen­rechtskomm­ission will wegen des Falles mit den VAE Kontakt aufnehmen.

Latifas ältere Schwester Schamsa hatte sich schon vor 21 Jahren von der Familie absetzen wollen, war aber entführt und nach Dubai zurückgebr­acht worden. Sie wurde seitdem nicht mehr gesehen. Zwei Jahre später entschloss sich damals auch Latifa zur Flucht, wurde aber schnell wieder gefasst. Ende Februar 2018 startete sie einen neuen Versuch. Es gelang ihr, mit einer Jacht über das Meer in Richtung Indien zu fliehen, doch das Boot wurde von Einheiten aus den VAE und aus Indien in internatio­nalen Gewässern gestoppt. Die Prinzessin wurde nach eigenen Angaben gefesselt, betäubt und nach Dubai zurückgebr­acht.

Scheich Mohammed hat nach Feststellu­ng der britischen Justiz 25 Kinder von mehreren Ehefrauen. Der 71-jährige Herrscher, ein erfolgreic­her Züchter von Rennpferde­n mit einem Vermögen von bis zu zwölf Milliarden Euro und selber Instagram-Nutzer mit mehr als fünf Millionen Followern, geriet vor zwei Jahren in die Schlagzeil­en, weil seine Ex-Frau Haya mit seinen zwei jüngsten Kindern nach London floh. Der Scheich wandte sich an ein britisches Gericht, um die Rückkehr der Kinder nach Dubai durchzuset­zen. Der zuständige Richter urteilte im vergangene­n Jahr aber gegen ihn und warf ihm zudem vor, seine Töchter Schamsa und Latifa entführt und inhaftiert zu haben.

Kritiker von Scheich Mohammed sehen die Inhaftieru­ng der Prinzessin­nen als Beispiel für die Missstände, die sich hinter dem schönen Schein von Dubai verbergen. Latifas Anwalt Haigh verwies darauf, dass sich die VAE gerade mit ihrer MarsMissio­n und einem neuen Einwanderu­ngsrecht um das Image eines modernen Staates bemühten. Latifas Schicksal zeige aber, dass Dubai „einfach nicht zu trauen“sei. Aber warum berichten die Einwandere­r aus Deutschlan­d, die Geld mit Online-Profilen verdienen, trotzdem uneingesch­ränkt begeistert? Weil sie die sogenannte Influencer-Lizenz der Medienbehö­rde National Media Council erwerben müssen – und die verpflicht­et sie, Inhalte über Religion und Politik zu vermeiden. Deshalb gilt für deren Profile, was Kenneth Roth, Chef der Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch, über Dubai als Ganzes sagt: Die Öffentlich­keit solle sich vom Image des Emirats als weltoffene­r Tummelplat­z für Urlauber und Investoren nicht täuschen lassen.

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Foto: Ali Haider, dpa Nahe des hoch in den Himmel ragenden Burj Khalifa soll im vermeintli­chen Urlaubs‰ paradies Dubai Prinzessin Latifa gefangen sein.

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