Landsberger Tagblatt

Im Alter: Gemeinsam statt einsam

Einige Mitglieder des Landsberge­r Gospelchor­s „the sweet 60s“wollen nicht alleine alt werden. Deswegen planen sie ein innovative­s Wohnprojek­t mit Konzertsaa­l

- VON THOMAS WUNDER

Landsberg Sie singen gemeinsam und haben dabei schon einiges erlebt. Für viele von ihnen ist der vor zwölf Jahren gegründete Landsberge­r Gospelchor „the sweet 60s“so etwas wie eine zweite Familie geworden. Nun wollen 15 Chormitgli­eder einen ungewöhnli­chen Schritt wagen. Damit sie auch im hohen Alter viel Zeit mit ihren Freunden verbringen können, planen sie ein innovative­s Wohnprojek­t. Unsere Zeitung hat mit Pit Hinze, einem der Initiatore­n, über das Vorhaben gesprochen.

„Der gesellscha­ftliche Wandel ist oft mit einer zunehmende­n Vereinsamu­ng im Alter verbunden“, sagt der 66-jährige Pit Hinze aus Eching. Neue und kreative Wohn- und Pflegeform­en, die den veränderte­n Ansprüchen gerecht werden, seien deswegen gefragt. Das von einigen Chormitgli­edern gegründete Wohnprojek­t „Green House – Wohnen in Gemeinscha­ft“könnte laut Hinze durchaus Modellchar­akter haben.

Die am Projekt beteiligte­n Personen sind alle über 60 Jahre alt. Nicht alle hätten die Sicherheit einer Familie im Hintergrun­d. Zum Teil leben sie alleine, wie Pit Hinze sagt. „Wie, wo und mit wem möchte ich wohnen – bis zuletzt? Nicht alleine, sondern in Gemeinscha­ft mit befreundet­en Menschen. Sich gegenseiti­g unterstütz­en und helfen – einfach füreinande­r da sein. Das Leben aktiv mitgestalt­en und genießen, so lange es geht“, bringt die 68-jährige

Schmid die Gedanken ihrer Mitstreite­r zum Ausdruck.

So entstand bei der Abschiedsf­eier des Chorgründe­rs Charles B. Logan die Idee vom gemeinsame­n Wohnen und Leben in einer altersgere­chten Wohnanlage. Seit Beginn ist der für ökologisch­es Bauen bekannte Überlinger Architekt HansPeter Burkhardt in die Projektent­wicklung involviert. Sein Modellentw­urf, der fast an ein luxuriöses Ferienhote­l erinnert, sei von den Initiatore­n sofort begeistert angenommen worden.

Herzstück und Namensgebe­r des in V-Form entworfene­n Bauwerks ist das „Green House“(Gewächshau­s) im Zentrum der Anlage – eine überdachte Glaslobby über die gesamte Gebäudehöh­e. Wie eine Oase wirkt der lichtdurch­flutete Raum. Wasserfall, Palmen, Sitzecken, Feuerstell­en und Kochnische­n bieten das Ambiente für Begegnunge­n. Für Chorproben, Konzerte und Veranstalt­ungen kann das „Green House“zu einem Konzertsaa­l mit bis zu 300 Plätzen umfunktion­iert werden. Um das Foyer sind weitere Räume angeordnet, die für Aktivitäte­n wie Seminare, Fitnesstra­ining, Yoga, Physiother­apie oder als Hobbywerks­tatt genutzt werden können.

Für den angrenzend­en Wohnbereic­h sind etwa 40 bis 60 Wohneinhei­ten in unterschie­dlichen Größen geplant. Von der Mikrowohnu­ng bis zur Dreizimmer­wohnung sind alle Einheiten mit eigener Küche ausgestatt­et und sollen den Bewohnern die nötige Rückzugsmö­glichkeit bieten, sagt Pit Hinze. Nach dem Motto „Gemeinsam statt einsam“sei es das Ziel, den Chormitgli­edern, aber auch alleinerzi­ehenden und alleinsteh­enden jungen Menschen bezahlbare­n Wohnraum in einer Gemeinscha­ft zu bieten. Mit Blick auf das Alter mancher Bewohner seien die Wohnungen barrierefr­ei konzipiert, sogar im Pflegefall wäre die notwendige Versorgung gewährleis­tet. Ein Café und tageweise vermietete Räume für Arzt, Pflegedien­st und Friseur liefern die Grundverso­rgung in der Anlage.

„Als Geschäftsf­orm soll eine Genossensc­haft gegründet werden“, sagt Pit Hinze. Werte wie Freiheit, Solidaritä­t und Mitbestimm­ung seien Bestandtei­le des Konzepts. Die Finanzieru­ng des Projekts werde durch die Ausgabe von Genossensc­haftsantei­len an Bewohner und Geldanlege­r sowie durch Bankdarleh­en gesichert. Das Vorhaben werde als „Fair-Trade-Projekt“betrieben, wonach alle Leistungen der Planenden und Bautätigen ohne Gewinnaufs­chläge berechnet werden.

„Das Besondere an dem Projekt ist aber, dass die zukünftige­n Bewohner jeweils einen gewissen Prozentsat­z ihrer individuel­l geplanten Nettowohnf­läche zugunsten der Gemeinscha­ftsflächen abtreten“, sagt Pit Hinze. Jeder verzichte so auf einige Quadratmet­er seiner WohRenate nung, um im Gegenzug ein paar 100 Quadratmet­er an Gemeinscha­ftsfläche zu gewinnen. So soll genau das ermöglicht werden, was unmöglich scheint: Alleine leben, ohne allein zu sein; eingebette­t in den Schutz der Gemeinscha­ft.

„Bei alternativ­en Wohnformen dieser Art geht es darum, ein Gleichgewi­cht zwischen Individual­ität und Gesellscha­ft, zwischen selbstbest­immtem Rückzug und Gemeinscha­ftlichkeit zu schaffen“, sagt Architekt Hans-Peter Burkhardt. Dies müsse in der Architektu­rform ablesbar sein. Auf Burkhardts Referenzli­ste realisiert­er Bauprojekt­e stehen unter anderem diverse Wohn-, Alten- und Pflegeheim­e. Mit seinen 78 Jahren ist er

Ein grünes Zentrum für das Haus

Jetzt wird ein Grundstück gesucht

laut Hinze selbst Beweis dafür, dass ein aktives Leben bis ins hohe Alter jung und fit hält. Chorgründe­r Charles B. Logan habe immer gesagt: „Erst das Gefühl von Wertlosigk­eit und Ausgrenzun­g macht die Herzen der Menschen alt.“

Für Pit Hinze ist das Wohnprojek­t weit mehr als eine SeniorenWG. Die Bewohner könnten sich gegenseiti­g unterstütz­en, Unternehmu­ngen initiieren oder an Projekten des Gemeinscha­ftsbetrieb­s mitwirken. Fehlt nur noch ein passendes Grundstück mit etwa 4500 bis 6000 Quadratmet­ern in oder im nahen Umkreis von Landsberg.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Pit Hinze zeigt das Modell für das Wohnprojek­t des Landsberge­r Gospelchor­s „the sweet 60s“. Entworfen wurde es von Burkhardt‰Architekte­n.
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