Landsberger Tagblatt

CSU erwartet Antworten von Nüßlein

Abgeordnet­er hat sich offenbar noch stärker für Maskenhers­teller eingesetzt

- VON BERNHARD JUNGINGER, STEFAN LANGE, HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

Augsburg Der Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein hat sich offenbar noch stärker als bislang bekannt für eine Textilfirm­a eingesetzt, die dem Staat Schutzmask­en im Millionenw­ert verkauft hat. In einer Mail an einen Mitarbeite­r des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums soll sich der CSU-Politiker auf eine Absprache mit „JS“berufen haben. Möglicherw­eise steht dieses Kürzel für Minister Jens Spahn. Das Internetpo­rtal Business Insider zitiert aus der brisanten Nachricht, die Nüßlein von seiner Bundestags­adresse verschickt haben soll. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil es beim Verdacht der Bestechlic­hkeit, wegen dem gegen den Politiker ermittelt wird, auch um die Frage geht, ob er in seiner Funktion als Abgeordnet­er Lobbyarbei­t betrieben hat. Für die Anbahnung des Maskengesc­häfts soll der 51-Jährige 660000 Euro Provision kassiert und nicht versteuert haben.

Hinter den Kulissen wird längst debattiert, ob Nüßlein im September wieder für den Bundestag kandidiere­n kann. Bis vor wenigen Tagen galt seine Nominierun­g für den Stimmkreis Neu-Ulm als Formsache. Doch hinter vorgehalte­ner Hand fällt neben dem Begriff „Unschuldsv­ermutung“immer häufiger das Wort „Alternativ­e“. Viele Parteifreu­nde erwarten von Nüßlein, dass er sich öffentlich erklärt.

Wenn Parteien derart in Bedrängnis geraten, überlegen sie sich eine „Sprachrege­lung“, mit der sie an die Öffentlich­keit gehen. Das soll wenigstens nach außen hin Einigkeit demonstrie­ren. In der Causa Nüßlein hat sich die CSU-Landesgrup­pe im Bundestag für folgende Sprachrege­lung entschiede­n: Der Fraktionsv­ize bekomme Zeit, um seine Angelegenh­eiten zu sortieren. Doch die Uhr tickt bereits. Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt will Ende der Woche Kontakt mit Nüßlein

aufnehmen. Auch der Vorsitzend­e der Unions-Fraktion, Ralph Brinkhaus, erhöht den Druck. Er erwartet, dass sich Nüßlein in den nächsten Tagen äußern wird.

In der Bundespoli­tik will man Lobbyarbei­t bald strikter regeln: Nach Informatio­nen der ARD hat sich die Große Koalition auf die Einführung eines gesetzlich­en Lobbyregis­ters verständig­t. Demnach müssen sich profession­elle Interessen­vertreter in ein Register eintragen, das der Bundestag einrichten und führen soll. Bei Verstößen sei ein Bußgeld bis zu 50000 Euro vorgesehen.

Für den politische­n Gegner ist die Affäre Nüßlein eine Steilvorla­ge. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte unserer Redaktion über die Ermittlung­en gegen den schwäbisch­en Abgeordnet­en: „Die Aufhebung seiner Immunität und Durchsuchu­ngen seines Bundestags­büros erfolgen nicht ohne schwerwieg­enden Anlass. Das ist Gift in der gegenwärti­gen Lage, in der es sehr auf das Vertrauen in die politisch Handelnden ankommt.“Integrität sei das Gebot der Stunde. „Da darf weder der Verdacht aufkommen, dass Politiker ihr Amt für Geschäfte nutzen, noch, dass ihnen die Einschränk­ungen schnuppe sind, die sie anderen auferlegen.“

Auch in Bayern schlägt der Fall hohe Wellen. „Es wundert mich schon sehr, dass anscheinen­d beide CSU-Abgeordnet­e im Landkreis Günzburg in der Pandemie als Erstes an ihren eigenen Geldbeutel denken“, sagt der Grünen-Landtagsab­geordnete Maximilian Deisenhofe­r. Hintergrun­d: Neben Nüßlein spielt auch der frühere bayerische Justizmini­ster Alfred Sauter eine Rolle. Nach Recherchen unserer Redaktion steht sein Name in einem der Durchsuchu­ngsbeschlü­sse. Der Landtagsab­geordnete arbeitete in seiner Funktion als Anwalt den Vertrag für das Maskengesc­häft des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums mit der Textilfirm­a aus, für die Nüßlein geworben hatte. »Politik

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