Wofür bekam Nüßlein die Provision?
Der CSU-Abgeordnete setzte sich vehement für einen Masken-Hersteller ein. Auch ein Münchner Lobbyist mischte mit. Dabei kaufte der Staat damals ohnehin fast alle Masken auf, die er kriegen konnte
Berlin Wer sich auf die Spur der Masken-Affäre um den Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein begibt, landet irgendwann an einem Gebäude mit der Aufschrift „Upper Eastside Berlin“. Das klingt nach großer weiter Welt, nach Macht und Geld. Schließlich gilt das gleichnamige Wohnviertel in New York als Ort der Reichen und Schönen. Das Berliner Pendant kann da nur bedingt mithalten. Im Erdgeschoss des Hauses Unter den Linden 16 hat sich eine Parfümerie-Kette einquartiert. Darüber Büros von Beratungsfirmen und Werbeagenturen. Auf einem der Klingelschilder steht „IWS Internationaler Wirtschaftssenat e.V.“Hier treffen sich die Interessen von Wirtschaft und Politik. Genau wie im Fall Nüßlein.
Thomas Limberger ist Vorstandsvorsitzender dieses Vereins, der sich als „richtungsweisender und zukunftsorientierter Moderator für den Mittelstand“versteht, dem sich „immer mehr hochkarätige Persönlichkeiten anschließen, die sich dem Wertekanon des „ehrbaren Kaufmanns verpflichtet fühlen“. Doch diese Ehre steht auf dem Spiel. Denn Limberger steht im Zentrum des Masken-Skandals. Die Ermittler führen ihn neben dem CSU-Politiker Nüßlein als zweiten Beschuldigten. Der 53-jährige einstige Spitzenmanager, der im Münchner Nobelvorort Grünwald residiert, steht unter Bestechungsverdacht. Er soll dem Abgeordneten Nüßlein über eine seiner Firmen 660000 Euro Provision für die Masken-Geschäfte gezahlt haben. Der Geldfluss kam aber offenbar einer Bank in Liechtenstein komisch vor. Sie informierte die Finanzaufsicht, die sich wiederum mit einem Hinweis an die
Behörden wandte. Der Fall Nüßlein kam ins Rollen. Nun ermittelt die Münchner Generalstaatsanwaltschaft gegen Nüßlein und Limberger wegen Bestechlichkeit und Bestechung.
Der Verdacht ist, dass Limberger die Geschäfte mit einer hessischen Textilfirma eingefädelt hat und Nüßlein den politischen Türöffner in Berlin und München gemacht hat. Nach einem Bericht des Portals Business Insider soll Nüßlein sogar Druck bei Ministerialbeamten gemacht haben, Rechnungen an die Firma aus der Nähe von Offenbach zeitnah zu begleichen. Auch für eine Firma aus seinem Wahlkreis NeuUlm soll sich Nüßlein eingesetzt haben. Das Ganze wohlgemerkt teils auf dem offiziellen Briefpapier der Bundestagsfraktion von CDU und CSU oder von seiner Mailadresse als
Abgeordneter. Das mag auf den ersten Blick keinen besonderen Unterschied machen, doch diese Details sind so wichtig, weil im Paragrafen 108e des Strafgesetzbuchs steht, dass eine Bestechung von Mandatsträgern vorliegt, wenn sich der Fall in Ausübung des Mandats abspielt. Diesen Anfangsverdacht gegen den Gesundheitspolitiker Nüßlein hat die Generalstaatsanwaltschaft.
Recherchen unserer Zeitung haben ans Licht gebracht, dass auch der langjährige CSU-Landtagsabgeordnete und ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter in den Fall verwickelt ist. Sauter bestätigte auf Anfrage, dass er als Anwalt den Vertrag zwischen dem bayerischen Gesundheitsministerium und der hessischen Masken-Firma entworfen habe. Dafür habe er ein Anwaltshonorar erhalten. Mit Mardeutschen kus F. aus Frankfurt war offenbar noch ein weiterer Anwalt in das Geschäft eingebunden.
Alfred Sauter ist Kreisvorsitzender der CSU im Landkreis Günzburg, der Heimat von Georg Nüßlein. Der 70-Jährige ist sich nicht so sicher wie viele andere, dass Nüßlein sich in seiner Funktion als Bundestagsabgeordneter für die Firmen und die Deals eingesetzt hat. Sauter sagt: „Damals musste niemand sein Mandat in die Waagschale werfen. In den Ministerien war man heilfroh, wenn man einigermaßen schnell an Masken gekommen ist.“Der CSU-Landtagsabgeordnete, der zusammen mit dem früheren CSUPolitiker Peter Gauweiler in München eine Kanzlei betreibt, spielt damit auf die akute Masken-Not im Frühjahr 2020 an, als die Politik beinahe panisch Material aus aller Welt ankaufte. Teilweise zu horrenden Preisen. Wenn das allerdings so war, stellt sich die Frage, wofür Nüßlein dann eine so hohe Provision erhalten und welche Leistung er dafür erbracht hat. Und warum musste ein Lobbyist wie Thomas Limberger mitmischen, da doch unter den geschilderten Umständen die Gesundheitsministerien von Bund und Ländern ohnehin jeden halbwegs seriösen Masken-Hersteller mit Lieferungen beauftragt haben?
Auch den Grünen im bayerischen Landtag stellen sich Fragen zu dem Netzwerk rund um die Maskendeals. Das einzige Geschäft, das vom Umfang her bislang öffentlich geworden ist, ist der Deal zwischen der hessischen Masken-Firma und dem bayerischen Gesundheitsministerium mit einem Volumen von rund 14 Millionen Euro. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann und der Abgeordnete Max Deisenhofer haben dazu im Landtag eine Anfrage gestellt. Sie wollen wissen, ob das bayerische
Gesundheitsministerium Kontakt zu Nüßlein hatte, wenn ja, wie der Kontakt zu ihm oder seiner Firma zustande kam, wie und nach welchen Kriterien die Auftragsvergabe lief und welche Politiker Nüßlein unterstützt haben könnten.
Auch seine eigene Partei verliert langsam die Geduld mit dem Abgeordneten. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, darf er kaum auf Rückendeckung hoffen. „Bei Steuerfragen muss jeder seinen eigenen Stall sauber halten – da kann dir keiner helfen“, sagt ein Parteifreund hinter vorgehaltener Hand.
Nach langem Ringen haben sich indes die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein Lobbyregister geeinigt. Die Pflicht zur Registrierung soll für Lobbyarbeit bei Bundestagsabgeordneten, Fraktionen und Bundesregierung
Koalition einigt sich auf ein Lobbyregister
gelten. Professionelle Interessenvertreter müssen sich künftig in das Register des Bundestages eintragen und Angaben zu ihrem Arbeits- oder Auftraggeber, zur Anzahl der Beschäftigten und finanziellen Aufwendungen machen. Damit schaffe die Koalition „deutlich mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Entstehung politischer Vorhaben“, hieß es am Dienstagabend aus der Union.
In Ministerien sollten Treffen bis hinunter zur Funktion eines Unterabteilungsleiters einen Eintrag in das Register nötig machen, sagte der SPD-Abgeordnete Matthias Bartke. Bei Verstößen droht ein Bußgeld bis zu 50 000 Euro. Interessenvertreter müssen sich registrieren, wenn sie Kontakt zum erfassten Personenkreis in Regierung und Bundestag hätten. Wer sich daran nicht halte, komme auf eine schwarze Liste.