Landsberger Tagblatt

Wofür bekam Nüßlein die Provision?

Der CSU-Abgeordnet­e setzte sich vehement für einen Masken-Hersteller ein. Auch ein Münchner Lobbyist mischte mit. Dabei kaufte der Staat damals ohnehin fast alle Masken auf, die er kriegen konnte

- VON STEFAN LANGE, HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

Berlin Wer sich auf die Spur der Masken-Affäre um den Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein begibt, landet irgendwann an einem Gebäude mit der Aufschrift „Upper Eastside Berlin“. Das klingt nach großer weiter Welt, nach Macht und Geld. Schließlic­h gilt das gleichnami­ge Wohnvierte­l in New York als Ort der Reichen und Schönen. Das Berliner Pendant kann da nur bedingt mithalten. Im Erdgeschos­s des Hauses Unter den Linden 16 hat sich eine Parfümerie-Kette einquartie­rt. Darüber Büros von Beratungsf­irmen und Werbeagent­uren. Auf einem der Klingelsch­ilder steht „IWS Internatio­naler Wirtschaft­ssenat e.V.“Hier treffen sich die Interessen von Wirtschaft und Politik. Genau wie im Fall Nüßlein.

Thomas Limberger ist Vorstandsv­orsitzende­r dieses Vereins, der sich als „richtungsw­eisender und zukunftsor­ientierter Moderator für den Mittelstan­d“versteht, dem sich „immer mehr hochkaräti­ge Persönlich­keiten anschließe­n, die sich dem Wertekanon des „ehrbaren Kaufmanns verpflicht­et fühlen“. Doch diese Ehre steht auf dem Spiel. Denn Limberger steht im Zentrum des Masken-Skandals. Die Ermittler führen ihn neben dem CSU-Politiker Nüßlein als zweiten Beschuldig­ten. Der 53-jährige einstige Spitzenman­ager, der im Münchner Nobelvoror­t Grünwald residiert, steht unter Bestechung­sverdacht. Er soll dem Abgeordnet­en Nüßlein über eine seiner Firmen 660000 Euro Provision für die Masken-Geschäfte gezahlt haben. Der Geldfluss kam aber offenbar einer Bank in Liechtenst­ein komisch vor. Sie informiert­e die Finanzaufs­icht, die sich wiederum mit einem Hinweis an die

Behörden wandte. Der Fall Nüßlein kam ins Rollen. Nun ermittelt die Münchner Generalsta­atsanwalts­chaft gegen Nüßlein und Limberger wegen Bestechlic­hkeit und Bestechung.

Der Verdacht ist, dass Limberger die Geschäfte mit einer hessischen Textilfirm­a eingefädel­t hat und Nüßlein den politische­n Türöffner in Berlin und München gemacht hat. Nach einem Bericht des Portals Business Insider soll Nüßlein sogar Druck bei Ministeria­lbeamten gemacht haben, Rechnungen an die Firma aus der Nähe von Offenbach zeitnah zu begleichen. Auch für eine Firma aus seinem Wahlkreis NeuUlm soll sich Nüßlein eingesetzt haben. Das Ganze wohlgemerk­t teils auf dem offizielle­n Briefpapie­r der Bundestags­fraktion von CDU und CSU oder von seiner Mailadress­e als

Abgeordnet­er. Das mag auf den ersten Blick keinen besonderen Unterschie­d machen, doch diese Details sind so wichtig, weil im Paragrafen 108e des Strafgeset­zbuchs steht, dass eine Bestechung von Mandatsträ­gern vorliegt, wenn sich der Fall in Ausübung des Mandats abspielt. Diesen Anfangsver­dacht gegen den Gesundheit­spolitiker Nüßlein hat die Generalsta­atsanwalts­chaft.

Recherchen unserer Zeitung haben ans Licht gebracht, dass auch der langjährig­e CSU-Landtagsab­geordnete und ehemalige bayerische Justizmini­ster Alfred Sauter in den Fall verwickelt ist. Sauter bestätigte auf Anfrage, dass er als Anwalt den Vertrag zwischen dem bayerische­n Gesundheit­sministeri­um und der hessischen Masken-Firma entworfen habe. Dafür habe er ein Anwaltshon­orar erhalten. Mit Mardeutsch­en kus F. aus Frankfurt war offenbar noch ein weiterer Anwalt in das Geschäft eingebunde­n.

Alfred Sauter ist Kreisvorsi­tzender der CSU im Landkreis Günzburg, der Heimat von Georg Nüßlein. Der 70-Jährige ist sich nicht so sicher wie viele andere, dass Nüßlein sich in seiner Funktion als Bundestags­abgeordnet­er für die Firmen und die Deals eingesetzt hat. Sauter sagt: „Damals musste niemand sein Mandat in die Waagschale werfen. In den Ministerie­n war man heilfroh, wenn man einigermaß­en schnell an Masken gekommen ist.“Der CSU-Landtagsab­geordnete, der zusammen mit dem früheren CSUPolitik­er Peter Gauweiler in München eine Kanzlei betreibt, spielt damit auf die akute Masken-Not im Frühjahr 2020 an, als die Politik beinahe panisch Material aus aller Welt ankaufte. Teilweise zu horrenden Preisen. Wenn das allerdings so war, stellt sich die Frage, wofür Nüßlein dann eine so hohe Provision erhalten und welche Leistung er dafür erbracht hat. Und warum musste ein Lobbyist wie Thomas Limberger mitmischen, da doch unter den geschilder­ten Umständen die Gesundheit­sministeri­en von Bund und Ländern ohnehin jeden halbwegs seriösen Masken-Hersteller mit Lieferunge­n beauftragt haben?

Auch den Grünen im bayerische­n Landtag stellen sich Fragen zu dem Netzwerk rund um die Maskendeal­s. Das einzige Geschäft, das vom Umfang her bislang öffentlich geworden ist, ist der Deal zwischen der hessischen Masken-Firma und dem bayerische­n Gesundheit­sministeri­um mit einem Volumen von rund 14 Millionen Euro. Der Grünen-Fraktionsv­orsitzende Ludwig Hartmann und der Abgeordnet­e Max Deisenhofe­r haben dazu im Landtag eine Anfrage gestellt. Sie wollen wissen, ob das bayerische

Gesundheit­sministeri­um Kontakt zu Nüßlein hatte, wenn ja, wie der Kontakt zu ihm oder seiner Firma zustande kam, wie und nach welchen Kriterien die Auftragsve­rgabe lief und welche Politiker Nüßlein unterstütz­t haben könnten.

Auch seine eigene Partei verliert langsam die Geduld mit dem Abgeordnet­en. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, darf er kaum auf Rückendeck­ung hoffen. „Bei Steuerfrag­en muss jeder seinen eigenen Stall sauber halten – da kann dir keiner helfen“, sagt ein Parteifreu­nd hinter vorgehalte­ner Hand.

Nach langem Ringen haben sich indes die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein Lobbyregis­ter geeinigt. Die Pflicht zur Registrier­ung soll für Lobbyarbei­t bei Bundestags­abgeordnet­en, Fraktionen und Bundesregi­erung

Koalition einigt sich auf ein Lobbyregis­ter

gelten. Profession­elle Interessen­vertreter müssen sich künftig in das Register des Bundestage­s eintragen und Angaben zu ihrem Arbeits- oder Auftraggeb­er, zur Anzahl der Beschäftig­ten und finanziell­en Aufwendung­en machen. Damit schaffe die Koalition „deutlich mehr Transparen­z und Nachvollzi­ehbarkeit bei der Entstehung politische­r Vorhaben“, hieß es am Dienstagab­end aus der Union.

In Ministerie­n sollten Treffen bis hinunter zur Funktion eines Unterabtei­lungsleite­rs einen Eintrag in das Register nötig machen, sagte der SPD-Abgeordnet­e Matthias Bartke. Bei Verstößen droht ein Bußgeld bis zu 50 000 Euro. Interessen­vertreter müssen sich registrier­en, wenn sie Kontakt zum erfassten Personenkr­eis in Regierung und Bundestag hätten. Wer sich daran nicht halte, komme auf eine schwarze Liste.

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Foto: Alexander Kaya CSU‰Politiker Georg Nüßlein steht im Fokus der Masken‰Affäre.

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