Karliczeks BafögDesaster
Die Studierenden hätten in der Pandemie viel mehr Hilfe bekommen können
Berlin Während in der Corona-Pandemie über die Öffnung von Schulen und Kindertagesstätten gesprochen wurde, gerieten die Hochschulen aus dem Blick. Seit Monaten sind Universitäten und Fachhochschulen dicht, die Studierenden arbeiten von zu Hause aus, ohne Kontakt und vielfach auch ohne ausreichende Geldreserven. „Die finanzielle Situation vieler Studierender ist sehr prekär“, sagte Vorstandsmitglied Carlotta Kühnemann vom fzs, dem freiwilligen Zusammenschluss von Student*innenschaften, unserer Redaktion. Umso bitterer sind neue Zahlen aus dem Bundesbildungsministerium von Anja Karliczek. Die CDU-Politikerin ließ aus den ihr zugeteilten Bafög-Mitteln etliche Millionen ungenutzt. Geld, das sie eigentlich in die dringend benötigen Überbrückungshilfen für die Studierenden hätte stecken können.
Wie aus der Endabrechnung des Ministeriums für 2020 hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt, gab Karliczek von den im Haushalt zur Verfügung stehenden Bafög-Mitteln rund 360 Millionen Euro nicht aus. Diese sogenannten Minderabflüsse setzte sie nur teilweise für die Studierenden-Überbrückungshilfen ein. Rund 134 Millionen Euro gingen demnach an die Studierendenwerke, weitere 66 Millionen Euro wurden für den KfW-Studienkredit zur Verfügung gestellt. Macht unterm Strich 200 Millionen Euro – die restlichen 160 Millionen nutzte Karliczek nicht. Das Geld ging ans Bundesfinanzministerium zurück.
Der laxe Umgang mit Bafög-Mitteln scheint Methode zu haben: Bereits
2019 verbuchte Karliczek eine Minderausgabe von knapp 900 Millionen Euro. Rund zwei Drittel davon landeten wieder in der Kasse von Finanzminister Olaf Scholz.
Bei der Opposition sorgt das für Empörung. „Chancengerechtigkeit ist Frau Karliczek wohl kein Begriff, denn seit Jahren führt sie das Bafög mutwillig Richtung Abgrund, während jährlich tausende bedürftige junge Menschen aus der Förderung fallen“, sagte die Grünen-Haushaltsexpertin Ekin Deligöz unserer Redaktion und ergänzte: „Dass Frau Karliczek dabei auch noch hunderte Millionen Euro zurück ans Finanzministerium überweist, während sich noch immer tausende Studierende aufgrund der Pandemie in finanzieller Not befinden, ist überhaupt nicht mehr zu vermitteln und absolut zynisch.“
Fzs-Vorstand Carlotta Kühnemann sagte, auch die Überbrückungshilfe könne „den politisch verursachten Notstand nicht abfangen“. Zum einen sei sie viel zu niedrig angesetzt, zum anderen komme es zu willkürlichen Ablehnungen. „Uns erreichen Berichte von Studierenden, die sich laut Definition nicht in einer pandemiebedingten Notlage befinden, weil sie durch die erste und nicht die zweite Welle ihren Nebenjob verloren haben.“
„Die Zunahme sozialer Ungleichheit wird durch das mangelhafte Handeln des Bundesbildungsministeriums aktiv in Kauf genommen“, kritisierte Kühnemann und kam zu einem ähnlichen Schluss wie die Grünen-Politikerin Deligöz. Es sei dies „eine Entwicklung, die der Bundesbildungsministerin egal zu sein scheint“.