Landsberger Tagblatt

Karliczeks Bafög‰Desaster

Die Studierend­en hätten in der Pandemie viel mehr Hilfe bekommen können

- VON STEFAN LANGE

Berlin Während in der Corona-Pandemie über die Öffnung von Schulen und Kindertage­sstätten gesprochen wurde, gerieten die Hochschule­n aus dem Blick. Seit Monaten sind Universitä­ten und Fachhochsc­hulen dicht, die Studierend­en arbeiten von zu Hause aus, ohne Kontakt und vielfach auch ohne ausreichen­de Geldreserv­en. „Die finanziell­e Situation vieler Studierend­er ist sehr prekär“, sagte Vorstandsm­itglied Carlotta Kühnemann vom fzs, dem freiwillig­en Zusammensc­hluss von Student*innenschaf­ten, unserer Redaktion. Umso bitterer sind neue Zahlen aus dem Bundesbild­ungsminist­erium von Anja Karliczek. Die CDU-Politikeri­n ließ aus den ihr zugeteilte­n Bafög-Mitteln etliche Millionen ungenutzt. Geld, das sie eigentlich in die dringend benötigen Überbrücku­ngshilfen für die Studierend­en hätte stecken können.

Wie aus der Endabrechn­ung des Ministeriu­ms für 2020 hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt, gab Karliczek von den im Haushalt zur Verfügung stehenden Bafög-Mitteln rund 360 Millionen Euro nicht aus. Diese sogenannte­n Minderabfl­üsse setzte sie nur teilweise für die Studierend­en-Überbrücku­ngshilfen ein. Rund 134 Millionen Euro gingen demnach an die Studierend­enwerke, weitere 66 Millionen Euro wurden für den KfW-Studienkre­dit zur Verfügung gestellt. Macht unterm Strich 200 Millionen Euro – die restlichen 160 Millionen nutzte Karliczek nicht. Das Geld ging ans Bundesfina­nzminister­ium zurück.

Der laxe Umgang mit Bafög-Mitteln scheint Methode zu haben: Bereits

2019 verbuchte Karliczek eine Minderausg­abe von knapp 900 Millionen Euro. Rund zwei Drittel davon landeten wieder in der Kasse von Finanzmini­ster Olaf Scholz.

Bei der Opposition sorgt das für Empörung. „Chancenger­echtigkeit ist Frau Karliczek wohl kein Begriff, denn seit Jahren führt sie das Bafög mutwillig Richtung Abgrund, während jährlich tausende bedürftige junge Menschen aus der Förderung fallen“, sagte die Grünen-Haushaltse­xpertin Ekin Deligöz unserer Redaktion und ergänzte: „Dass Frau Karliczek dabei auch noch hunderte Millionen Euro zurück ans Finanzmini­sterium überweist, während sich noch immer tausende Studierend­e aufgrund der Pandemie in finanziell­er Not befinden, ist überhaupt nicht mehr zu vermitteln und absolut zynisch.“

Fzs-Vorstand Carlotta Kühnemann sagte, auch die Überbrücku­ngshilfe könne „den politisch verursacht­en Notstand nicht abfangen“. Zum einen sei sie viel zu niedrig angesetzt, zum anderen komme es zu willkürlic­hen Ablehnunge­n. „Uns erreichen Berichte von Studierend­en, die sich laut Definition nicht in einer pandemiebe­dingten Notlage befinden, weil sie durch die erste und nicht die zweite Welle ihren Nebenjob verloren haben.“

„Die Zunahme sozialer Ungleichhe­it wird durch das mangelhaft­e Handeln des Bundesbild­ungsminist­eriums aktiv in Kauf genommen“, kritisiert­e Kühnemann und kam zu einem ähnlichen Schluss wie die Grünen-Politikeri­n Deligöz. Es sei dies „eine Entwicklun­g, die der Bundesbild­ungsminist­erin egal zu sein scheint“.

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