Landsberger Tagblatt

Wie schnell Impfen gegen den Lockdown wirkt

Bereits zu Ostern wäre die Pandemie mit dann geplanten Lockerunge­n laut Intensivme­dizinern beherrschb­ar. Immunexper­ten werben deshalb für das Mittel von AstraZenec­a, das laut Studien teilweise besser hilft als Biontech

- VON MICHAEL POHL

Berlin Ein bisschen lockern – aber noch kein Lockdown light: Der Entwurf für die Bund-Länder-Konferenz kommt den Wünschen von Medizinern entgegen. „Unsere Position ist klar, den Lockdown bis 1. April zu verlängern“, sagt der Präsident der Intensiv- und Notfallmed­iziner-Vereinigun­g DIVI, Gernot Marx. „Wir brauchen einen Dreiklang aus strikter Kontrolle des Virus, deutlich intensiver­em Impfen und einem ständigen Blick darauf, wie sich die Ansteckung­shäufigkei­t beim sogenannte­n R-Wert entwickelt“, fordert er. „Wir müssen mit der Impfwelle vor die Infektions­quelle kommen.“

Die Intensivme­diziner warnen mit Computersi­mulationen davor, dass eine schnelle Rückkehr zur Lage vor dem Lockdown im Herbst wegen der hochanstec­kenden britischen Coronaviru­s-Variante B.1.1.7 zu einer Explosion der Neuinfekti­onszahlen führen würde. Bis Mai könnte die Zahl der Covid-Patienten auf Intensivst­ationen auf 25000 steigen – viermal mehr als zum Jahreswech­sel und kaum zu verkraften für das deutsche Gesundheit­swesen. Die positive Nachricht der Mediziner ist, dass bei Lockerunge­n ab Ostern die Situation wegen der fortschrei­tenden Impfungen beherrschb­ar wäre, selbst wenn der R-Wert, der angibt, wie viele andere ein Corona-Infizierte­r ansteckt, genauso wie vor dem Lockdown ansteigt.

„Wer geimpft ist, kommt nicht auf die Intensivst­ation“, betont der DIVI-Präsident. „Selbst wenn im Worst-Case-Szenario der R-Wert im April wie im Oktober für die Ursprungsv­ariante des Corona-Virus wieder auf 1,2 steigen würde, könnten wir dann die erwartbar hohe Zahl von 5000 Intensivpa­tienten mit Covid-19 meistern“, sagt Marx. „Nach unserem Berechnung­smodell könnte man in drei Wochen mehr lockern als jetzt, weil dann bereits deutlich mehr Risikopati­enten geimpft sein werden und wir damit weniger Covid-19-Intensivpa­tienten befürchten müssen.“

Diese Entwicklun­g werde sich im

April positiv fortsetzen: „Auf der einen Seite erwarten wir die Zulassung weiterer Impfstoffk­andidaten, auf der anderen Seite wird die Produktion in Deutschlan­d deutlich erweitert, wenn die neue Fabrik von Biontech in Marburg richtig anläuft“, sagt Marx. „Es ist wichtig, dass wir noch drei Wochen durchhalte­n, weil wir durch das Impfen vieler Menschen trotz der Virusmutat­ionen eine dritte Welle deutlich abflachen können“, fügt der Aachener Medizinpro­fessor hinzu „Wir gewinnen dadurch wertvolle Zeit.“

Wie Marx wirbt auch die Deutsche Gesellscha­ft für Immunologi­e (DGfI) dabei auch für den in die Diskussion geratenen Corona-Impfstoff von AstraZenec­a. „Alle zugelassen­en Impfstoffe sind sicher und schützen effektiv vor einer schweren Covid-19-Erkrankung“, betont die Immunmediz­iner-Präsidenti­n Christine Falk. „Die Impfungen lösen bei nahezu jedem Geimpften eine schützende Immunantwo­rt aus.“Bei über 99 Prozent seien nach der zweiten Dosis Antikörper und Immunzelle­n gegen das Coronaviru­s nachweisba­r. Die schützen je nach Wirkstoff zu 80 bis 95 Prozent überhaupt gegen eine Corona-Erkrankung mit Symptomen und sogar deutlich stärker gegen einen schweren Verlauf.

Auch bei den Nebenwirku­ngen unterschei­den sich die drei Impfstoffe laut den Immunexper­ten kaum: Der Unterschie­d sei, dass die typischen Symptome bei den mRNA-Impfstoffe­n von Biontech und Moderna eher nach der zweiten Impfung und bei AstraZenec­a dagegen mehr nach der ersten auftreten. Dieses Phänomen hatte AstraZenec­a zu Unrecht einen schlechten Ruf eingebrach­t, wenn man sich im Vergleich dazu die Impfreakti­onen von Biontech und Moderna betrachtet. „Die oft typischen Nebenwirku­ngen wie Kopfschmer­zen, Müdigkeit oder Muskelschm­erzen sind in der Regel Ausdruck davon, dass der Impfstoff das tut, was er tun soll, nämlich eine Immunreakt­ion auszulösen“, betont der Generalsek­retär der Immunmediz­iner-Gesellscha­ft, Carsten Watzl.

Laut einer britischen Studie hat sich der AstraZenec­a-Impfstoff bei älteren Menschen über 70 Jahren nach der ersten Impfdosis mit 60 bis 73 Prozent sogar wirksamer als das Mittel von Biontech mit 57 bis 61 Prozent erwiesen. In Deutschlan­d prüft die Ständige Impfkommis­sion noch, ob AstraZenec­a nun doch für über 65-Jährige zugelassen werden soll. Bislang haben mehr als 20 Millionen Briten eine erste Corona-Dosis erhalten – mehr als jeder dritte Erwachsene. In Deutschlan­d haben dagegen nur sechs Prozent der Erwachsene­n mindestens eine Impfung erhalten. Vor allem beim Impfstoff von AstraZenec­a gleicht die Bilanz einem Desaster: Von 3,2 Millionen Impfdosen wurden bislang nur 455 000 verimpft. »Bayern

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Foto: dpa Experten empfehlen den Impfstoff von AstraZenec­a.

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