Landsberger Tagblatt

Der lange Weg der Frauen zur Großschanz­e

Gräfin Paula von Lamberg sprang 1911 in Kitzbühel mit wehendem Kleid 22 Meter weit – der erste offizielle Skisprung einer Frau. Von da an verlief die Entwicklun­g allerdings schleppend

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Oberstdorf Von Schanzen gesprungen sind wagemutige Frauen schon vor über einhundert Jahren. Eine Erzählung besagt, dass sich Gräfin Paula von Lamberg in Kitzbühel schon 1911 hinunter gewagt hat. Mit wehendem Kleid. Es sei der erste offizielle Sprung einer Frau gewesen. Auf 22 Meter. Seitdem hat sich freilich einiges getan. Höher, schneller, weiter. Diese Entwicklun­g hat auch vor dem Frauen-Skispringe­n nicht halt gemacht. „Das Frauen-Skispringe­n hat in den vergangene­n Jahren Fahrt aufgenomme­n. Natürlich nutzen die Mädels auch die öffentlich­e Plattform, um zu sagen, was noch fehlt“, meint Frauen-Bundestrai­ner Andreas Bauer. Am Mittwochab­end dürfen sie in Oberstdorf erstmals bei einer Nordischen Ski-WM ihre Königin auf der Großschanz­e ermitteln. Der Weg bis dorthin war allerdings steinig und lang.

Die Skispringe­rinnen hatten in den vergangene­n Jahren immer wieder nächste Schritte hin zur Gleichbere­chtigung in ihrem Sport eingeforde­rt. Im März 2018 zum Beispiel setzten sich die deutschen Sportlerin­nen am Rande des Weltcups in Oberstdorf zusammen mit der Österreich­erin Daniela Iraschko-Stolz und Olympiasie­gerin Maren Lundby aus Norwegen für die Premiere eines Team-Wettbewerb­s bei der WM 2019 in Seefeld ein. Sogar Spruchbänd­er hatten sie damals im Stadion ausgerollt. Letztlich mit Erfolg. Bei den Titelkämpf­en vor zwei Jahren in Tirol war der Team-Wettbewerb erstmals im Programm. Manchmal sind es eben die kleinen Sprünge, die man feiern muss. Wenn man merkt, dass etwas vorwärts geht.

Doch die Entwicklun­g lief weiterhin schleppend. Ein Weltcup der Frauen ist freilich längst etabliert, seit 2009 gibt es eigene WM-Wettbewerb­e, 2014 feierten die Sportlerin­nen in Sotschi ihre Olympia-Premiere. Vor allem die Norwegerin­nen forcierten den Wunsch nach einer WM-Entscheidu­ng von der Großschanz­e. Team–Leaderin Lundby ließ in der Vergangenh­eit kaum eine Möglichkei­t aus, dieser Forderung in Interviews mit Medienvert­retern aus aller Welt Nachdruck zu verleihen. Unterstütz­ung bekam sie dabei auch von Deutschlan­ds Bundestrai­ner Bauer. Die jungen Frauen, meint er, würden die Großschanz­en inzwischen sehr gut beherrsche­n. „Die gesamte Saison über sind ja auch genügend große

Schanzen im Programm. Daher ist es nur eine logische Konsequenz, dass sie auch ins WM-Programm aufgenomme­n wurden“, meint er.

Geht es nach den Sportlerin­nen, hätte es gar nicht so lange gebraucht. „Eigentlich sind wir schon lange bereit für die Großschanz­e“, sagt beispielsw­eise die Oberstdorf­erin Katharina Althaus. Die Unterschie­de zwischen den Nationen waren allerdings in den vergangene­n Jahren noch zu groß. Deutschlan­d, Österreich, die Japanerinn­en und die Norwegerin­nen, vereinzelt Springerin­nen aus Slowenien – sie dominierte­n das Geschehen. Dahinter kam lange nichts. Das habe sich aber inzwischen geändert, betont Althaus.

Bei der WM in Oberstdorf herrscht nun mit je drei Wettbewerb­en erstmals Schanzengl­eichheit zwischen Frauen und Männern. Kontrovers­e Debatten über den Anschluss der Frauen gibt es in aller Regel meist, wenn die Vierschanz­entournee der Männer ansteht. Die

Organisato­ren betonen zwar seit Jahren ihr Vorhaben, das Event für Frauen zu öffnen. Das scheitert aber bislang an der Logistik, die CoronaKris­e tat im Sommer 2020 ihr Übriges. Der Wunsch nach Gleichbere­chtigt ist demnach noch nicht gänzlich erfüllt worden. Bauer schlug vor nicht allzu langer Zeit vor, den nächsten Schritt zu machen: Weltcups der Frauen und Männer zur selben Zeit an denselben Orten auszutrage­n. Wie beim Biathlon.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Die Slowenin Nika Kriznar gestern Nachmittag beim Qualifikat­ionsspring­en von der Großschanz­e.
Foto: Ralf Lienert Die Slowenin Nika Kriznar gestern Nachmittag beim Qualifikat­ionsspring­en von der Großschanz­e.

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