Landsberger Tagblatt

Spahn wehrt sich

Der Gesundheit­sminister kämpft derzeit an allen Fronten: In der Pandemie-Bekämpfung hakt es, die Länder geben ihm die Schuld dafür – doch jetzt spielt Jens Spahn den Ball zurück

- VON STEFAN LANGE

Berlin Für Jens Spahn läuft es gerade nicht besonders gut. Seine Umfragewer­te sinken, innerhalb der Regierung war er auch schon beliebter; der Bundesgesu­ndheitsmin­ister muss eine Corona-Taskforce mit Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) bilden. „Es reicht, Herr Spahn“, schrieb der Spiegel am Freitag und forderte den Minister öffentlich zum Rücktritt auf. Andere würde in seiner Situation vielleicht in Deckung gehen, Spahn stellt sich regelmäßig der Öffentlich­keit. Er geht seit einigen Wochen jeden Freitag in die Bundespres­sekonferen­z, wo er vorher nicht weiß, was die Hauptstadt­journalist­en von ihm wissen wollen. Die Veranstalt­ung wird in Corona-Zeiten live übertragen; da droht die maximale Blamage, wenn man auf kritische Fragen eine schwache Antwort gibt.

Zu kritisiere­n gibt es gerade genug, das weiß auch Spahn. Die Impfstoffv­ersorgung läuft weiterhin schleppend, Schnell- und Selbsttest­s sind nicht noch nicht wirklich verfügbar – selbst Aldi ist jetzt schneller und verkauft ab diesem Wochenende Selbsttest­s, während die Regierung sogar ihre selbstgese­tzen Ziele immer weiter nach hinten verschiebt. Der Gesundheit­sminister musste sich deshalb beim letzten Corona-Gipfel der Ministerpr­äsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel viel Kritik anhören.

Aber Spahn spielt den Ball zurück. Schnelltes­ts soll es ab Montag bundesweit geben, seine Medienleut­e haben dafür auch schon einen Namen gefunden: Bürgertest­s. „Von diesen Schnelltes­tes sind mehr als genug da“, weist Spahn den Vorwurf zurück, er habe nicht rechtzeiti­g bestellt. Und es folgt mehrfach der Hinweis, dass nun Bayern, Nordrhein-Westfalen und die anderen Länder in der Verantwort­ung stünden, die Tests an den Mann und die Frau zu bringen. „Der Bund setzt den Rahmen und übernimmt die Kosten, die Länder gestalten aus“, betont Spahn und bietet sich den Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten sogar „als Kontaktbör­se“an. Spahn sagt: „Ich bin sehr zuversicht­lich, dass das jetzt auch zügig vor Ort umgesetzt werden kann.“Ein deutlicher Hinweis an die Länderchef­s.

Spahn lässt auch durchblick­en, dass er mit den Beschlüsse­n vom Mittwoch nicht ganz einverstan­den ist. Die Lockerunge­n gingen an die

Grenze dessen, was beim Gesundheit­sschutz vertretbar sei, sagt er. Damit es nicht so aussieht, als ob er sich gegen die Beschlüsse und damit gegen die Parteifreu­nde stellen würde, schiebt der CDU-Politiker noch nach, dass keine Lockerunge­n auch keine Alternativ­e gewesen wären.

Seine Skepsis untermauer­t der Gesundheit­sminister mit Hinweisen auf die aktuelle Corona-Entwicklun­g. Es gebe wieder eine Lage bei den Neuinfekti­onen, „die wir alle längst gerne hinter uns gelassen hätten“, sagt Spahn. Steigende Zahlen seien leider wieder Realität, erklärt er, während RKI-Chef Lothar Wieler gewohnt ernst nickt.

Spahn nimmt die Länder vor diesem Hintergrun­d auch bei der Impfstoffv­ersorgung in die Pflicht. Diese hätten „angekündig­t, die Kapazitäte­n rasch hochzufahr­en. Das ist entscheide­nd für unser Tempo“, sagt der Minister, und das wird in den Staatskanz­leien einigen sauer aufstoßen. Denn die meisten Länderchef­s verkünden seit Wochen, sie würden gerne mehr impfen – wenn denn mehr Impfstoff da wäre.

Der CDU-Politiker legt in seiner Kritik an einigen Politikern sogar noch nach. Auch in diesem Wahljahr sei die Pandemiebe­kämpfung das wichtigste Thema, sagt Spahn. „Die Nerven liegen blank, der

Stress ist da und die Sehnsucht nach Normalität“, erklärt er und dürfte damit neben der Bevölkerun­g auch Spitzenpol­itiker wie den möglichen Unionskanz­lerkandida­ten Markus Söder (CSU) und den bereits feststehen­den SPD-Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz meinen, die beim Corona-Gipfel am Mittwoch verbal aufeinande­r eindrosche­n. Ein fataler Eindruck, findet Spahn. Denn die Bürgerinne­n und Bürger müssten den Eindruck haben, „dass wir das aus sachlich berechtigt­en Gründen machen und nicht, weil in diesem Jahr noch ein paar Termine sind“, sagt er mit Blick auf die sechs Landtagswa­hlen und die eine Bundestags­wahl in 2021. Das gelinge gerade „unterschie­dlich gut“, bilanziert der CDU-Parteivize und verzieht ein wenig das Gesicht.

Im April könnte sich die Lage an der Impffront entspannen, macht Gesundheit­sminister Spahn Hoffnung. Es seien dann so viele Impfdosen verfügbar, dass auch die Arztpraxen routinemäß­ig, soll heißen regelmäßig, in die Impfungen einbezogen werden könnten. Wenn es dann auch genügend Schnell- und Selbsttest­s geben sollte, könnte sich auch die Lage von Jens Spahn wieder entspannen.

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Foto: Kappeler, dpa Gesundheit­sminister Spahn gerät immer stärker in Bedrängnis.

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