Landsberger Tagblatt

Ende einer Politiker‰Karriere

Tagelang taucht Georg Nüßlein ab. Die CSU stellt ihm ein Ultimatum. Kurz vor Ablauf der Frist gibt der Abgeordnet­e, der im Zwielicht der Masken-Affäre steht, seinen Abschied aus dem Bundestag bekannt. Allerdings nicht sofort

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

Berlin Wer CSU-Leute in diesen Tagen nach der Atmosphäre in der Bundestags­fraktion fragt, bekommt ungewöhnli­ch spontane und klare Antworten. „Die Stimmung ist schlecht. Punkt“, gibt einer unumwunden zu. „Der Unmut ist riesengroß“, sagt ein anderer. Keinen von ihnen drängt es an die Öffentlich­keit. Noch nicht. Aber die Zündschnur vieler Abgeordnet­er wird immer kürzer. Der Grant, um es bayerisch zu formuliere­n, richtet sich gegen einen Mann, der in Berlin derzeit lieber nicht gesehen werden will: Georg Nüßlein. Am Freitagnac­hmittag taucht der CSU-Politiker, gegen den wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit und der Steuerhint­erziehung ermittelt wird, zumindest schriftlic­h aus der Versenkung auf. Über seinen Anwalt lässt er alle Vorwürfe zurückweis­en. Doch die entscheide­nde Botschaft für den Moment ist eine andere: Nüßlein legt sein Amt als Fraktionsv­ize nieder und wird im September nicht mehr für das Parlament kandidiere­n. Sein Bundestags­mandat will er aber bis dahin behalten.

Noch vor wenigen Tagen waren die Karrierepr­ognosen für den 51-Jährigen komplett anders ausgefalle­n. Es galt als ausgemacht­e Sache, dass Nüßlein im September wieder antritt. Obwohl hier und da Unmut laut wurde, dass er sich arg selten in seinem Stimmkreis NeuUlm sehen lasse, war weit und breit niemand in Sicht, der ihm seinen Platz streitig machen würde. In Berlin hat sich der Gesundheit­sexperte ein einflussre­iches Netzwerk bis hinein in Ministerie­n aufgebaut und es bis zum stellvertr­etenden Vorsitzend­en der Fraktion von CDU und CSU gebracht. Zuletzt wurde er auch für höhere Ämter, womöglich sogar im nächsten Kabinett, gehanStatt­dessen nimmt seine politische Laufbahn im Zwielicht der Masken-Affäre nun ein abruptes Ende. Er musste einsehen, was ein erfahrener CSU-Mann aus der Region unserer Redaktion schon vorher gesagt hatte: „Nüßlein hat nicht die Spur einer Chance, nominiert zu werden.“

Die Parteispit­ze in München hat sich von Anfang an auffallend wenig Mühe gegeben, dem Abgeordnet­en den Rücken zu stärken, dem vor gut einer Woche die Immunität entzogen worden war. Seitdem laufen Ermittlung­en wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit und der Steuerhint­erziehung. Es geht um eine Provisions­zahlung von 660000 Euro, die Nüßlein dafür kassiert haben soll, dass er einem hessischen MaskenHers­teller zu einem staatliche­n Auftrag verhalf. Seitdem liest sich die Geschichte wie ein Krimi: Hausdurchs­uchungen, Verbindung­en zu einem Lobbyisten-Netzwerk, eine ominöse Spur nach Liechtenst­ein.

Der CSU-Politiker schlüpfte nach Informatio­nen unserer Redaktion bei einem Bekannten unter. Doch seine Parteifreu­nde erwarteten Antworten. „Es geht in der Politik um Vertrauen. Das sind schwerwieg­ende Vorwürfe, da muss natürlich über Konsequenz­en gesprochen werden“, sagte etwa der Augsburger Abgeordnet­e Volker Ullrich. Und CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt stellte Nüßlein ein Ultimatum bis Ende der Woche, um sich zu erklären. Kurz vor dieser Deadline, am Freitag um 16.25 Uhr, verschickt­e dessen Anwalt eine Mail mit dem Betreff „Unser Mandant: MdB Dr. Georg Nüßlein“.

Darin erklärt er, dem Politiker sei es in schwierige­n Tagen gelungen, „dass qualitativ hochwertig­e Masken in der erforderli­chen Stückzahl geliefert werden konnten“. Hierfür habe Nüßleins Beratungsf­irma eine Vergütung erhalten. An der Vergabe von Aufträgen oder Vertragsve­rhandlunge­n sei er aber nicht beteidelt. ligt gewesen. Den Vorwurf der Bestechlic­hkeit weist der Anwalt mit der Begründung zurück, das Masken-Geschäft habe Nüßleins Tätigkeit als Abgeordnet­er nicht berührt. Hintergrun­d: Laut Strafgeset­zbuch liegt die Bestechung eines Mandatsträ­gers nur dann vor, wenn ein Politiker in seiner Funktion als Parlamenta­rier Geld für eine Gegenleist­ung fordert oder annimmt.

Es wird bei der juristisch­en Aufarbeitu­ng also auch darum gehen, wo die Grenze zwischen Mandatsträ­ger und Privatpers­on verläuft. Schließlic­h hatte Nüßlein seine guten Beziehunge­n in Ministerie­n, die bei den Masken-Deals eine Rolle gespielt haben, vor allem seinem politische­n Gewicht zu verdanken.

Auch den Verdacht der Steuerhint­erziehung hält der Rechtsbeis­tand des Abgeordnet­en für haltlos, da die erbrachte Leistung, für die Nüßlein jene 660000 Euro Provision erhalten hatte, umsatzsteu­erfrei gewesen sei. Der Politiker habe dazu vor der Rechnungss­tellung einen steuerlich­en Berater zurate gezogen.

Nüßlein geht nicht mehr davon aus, dass sich die Geschehnis­se innerhalb von ein paar Wochen aufklären lassen. „Das Ermittlung­sverfahren stellt für meine Familie und für meine Partei, die ich fast 20 Jahre mit vollem persönlich­en Einsatz im Bundestag vertreten habe, eine ganz erhebliche Belastung dar“, ließ er mitteilen. Deshalb werde er sich nicht mehr um ein Bundestags­mandat bewerben. Bis zum Ende der Legislatur­periode will er aber im Parlament bleiben. Ein sofortiger Rücktritt, so heißt es hinter den Kulissen, könne als Schuldeing­eständnis gewertet werden.

Der Fall Nüßlein ist nicht der einzige, der auf die Stimmung in der Unions-Fraktion drückt. Beinahe im Tagesrhyth­mus geraten Abgeordnet­e ins Zwielicht. Am Donnerstag wurde die Immunität des Karlsruher CDU-Politikers Axel E. Fischer aufgehoben. Auch hier geht es um Ermittlung­en wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit. Er soll Geld aus Aserbaidsc­han bekommen und sich als Gegenleist­ung politisch für die Interessen des dortigen Diktators Ilham Aliyev eingesetzt haben.

Am Freitag berichtete der Spiegel über den Mannheimer CDU-Abgeordnet­en Nikolas Löbel, der als Unternehme­nsberater ebenfalls Geld für die Vermittlun­g eines MaskenGesc­häftes eingestric­hen hat. Der 34-Jährige räumte zwar Fehler ein, sagte aber auch, bei der Provision von 250000 Euro habe es sich um eine „nach dem Marktüblic­hen bemessene Vergütung“gehandelt.

Zum Auftakt des Superwahlj­ahres sind solche Geschichte­n Gift. Zudem kommen die beiden CDULeute auch noch aus Baden-Württember­g, wo schon am 14. März gewählt wird und die Union ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht.

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Foto: Soeren Stache, dpa Georg Nüßlein im Bundestag. Dem Parlament gehört er seit 2002 an.

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