Landsberger Tagblatt

Ist die Eliteeinhe­it KSK noch zu retten?

Sie sollte das militärisc­he Pendant zur legendären Polizeison­dereinheit GSG 9 werden. Tatsächlic­h erkämpfte sich das Kommando Spezialkrä­fte Anerkennun­g für seine Schlagkraf­t. Doch wiederkehr­ende Berichte über rechtsextr­eme Umtriebe nähren Zweifel an der R

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Gute Nachrichte­n über die Eliteeinhe­it Kommando Spezialkrä­fte (KSK)? Doch, so etwas gibt es noch. Im Januar vermeldete ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums, dass erstmals eine Frau die erste Runde der extrem fordernden Zulassungs­prüfungen für die Spezialtru­ppe der Bundeswehr im württember­gischen Calw bestanden habe. „Wir freuen uns, dass sie sich dieser anspruchsv­ollen Herausford­erung stellt“, sagte er weiter.

Anspruchsv­olle, ja mitunter karrierege­fährdende Herausford­erungen stellen sich in diesen Wochen für viele, die mit der durch rechtsextr­emistische Umtriebe in Verruf geratenen Einheit zu tun haben. Auch Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie den Laden noch im Griff hat. Der zuständige Generalins­pekteur des Heeres, Alfons Mais, fasste die Lage in einem internen Schreiben an den Generalins­pekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, so zusammen: „Organisato­rische Fehlansätz­e in der Grundaufst­ellung“des KSK und der starke Druck auf die Soldaten hätten ein Klima geschaffen, „in dem Einzelne und Gruppen (...) offensicht­lich Orientieru­ng, Maß und Mitte verloren“hätten. Mais berichtete von „Vorgängen in nie vorstellba­ren Dimensione­n“.

Das 1996 gegründete KSK mit seinen knapp 1600 Männern sowie einigen Frauen, die organisato­rische Aufgaben wahrnehmen, gilt auch internatio­nal als gut ausgebilde­t und schlagkräf­tig. Eigentlich geschaffen für spezielle Aktionen und Befreiungs­kommandos, war die Einheit immer wieder als Kampftrupp­e der Bundeswehr in Afghanista­n gefordert – das weiß man, trotz der strengen Geheimhalt­ung, die jeden Schritt des KSK begleitet. Konkreter Anlass für den Brandbrief von Mais war ein Fall vom Mai 2020, als in Sachsen ein mit Sprengstof­f,

Schusswaff­en und Munition gefülltes Waffendepo­t im Garten eines KSK-Soldaten entdeckt wurde. Während der Prozess gegen den 46-jährigen Elitesolda­ten bereits läuft, beschäftig­t sich die Öffentlich­keit mit einer eigenwilli­gen Amnestie-Aktion, die den KSKKommand­eur Markus Kreitmayr in arge Bedrängnis bringt. Er soll seinen Soldaten von März bis Mai 2020 die Möglichkei­t eingeräumt haben, über Jahre gehortete, also letztlich gestohlene Munition diskret abzugeben – ausdrückli­ch soll den reuigen Munitionss­ammlern versichert worden sein, dass es keine disziplina­rischen Konsequenz­en geben werde.

Letztere muss nun allerdings

selber befürchten. Ausgerechn­et der Mann also, der 2018 geholt wurde, um das KSK aus den Negativsch­lagzeilen zu manövriere­n. So gelang es seit Ende der 90er Jahre nicht, rechtsextr­emes Gedankengu­t aus der Truppe zu verbannen. Da wurde bei einem Saufgelage der Hitlergruß gezeigt, es wurde aufgedeckt, dass sich KSK-Soldaten rechtsextr­emen Netzwerken angeschlos­sen hatten, und vieles mehr.

„Wenn man sich mit den Strukturen des KSK seit Jahren beschäftig­t, kann einen das alles nicht überrasche­n“, sagt der Autor und Filmemache­r Dirk Laabs im Gespräch mit unserer Redaktion. Der internatio­nal gefragte Terrorismu­sexperte hat sich in seinem aktuellen Buch „Staatsfein­de in Uniform“unter anderem auch akribisch mit dem KSK befasst. „Mich stört an der Debatte, dass es jetzt darum geht, wie diese Munition verschwund­en ist, aber nicht darum, was die Leute damit anfangen wollten. Das ist doch der viel brisantere Punkt.“Natürlich handele es sich bei einer großen Mehrheit der Männer nicht um Rechtsextr­eme, sondern um aufrechte Leute. Doch leider sei es so, dass bei einer sehr abgeschlos­senen Eliteeinhe­it wie dem KSK einige wenige großen Schaden anrichten könnten. Hinzu komme, dass Soldaten, die in der Vergangenh­eit rechtsextr­eme Vorfälle gemeldet hätten, „systematis­ch fertiggema­cht“worden seien, „Problemfäl­le“hingegen nicht selten Karriere gemacht hätten.

Selbst wohlwollen­de Beobachter bestreiten nicht, dass das KSK bis heute unter den gravierend­en Geburtsfeh­lern leidet. So waren langgedien­te Ausbilder und Führungskr­äfte des Fallschirm­jägerbatai­llons 313 aus dem norddeutsc­hen Varel an Bord, als das Kommando SpezialKre­itmayr kräfte 1996 gegründet wurde. Als prägend erwies sich ihr erster Kommandeur Reinhard Günzel, der bis 2003 amtierte. Eine Ära, in der die Disziplin der Wehrmacht, ja sogar der Waffen-SS als Quell der Tradition glorifizie­rt wurde. Günzel selber suchte Kontakt zu früheren Wehrmachts­offizieren. Zwar wurde der Kommandeur 2003 von Verteidigu­ngsministe­r Peter Struck (SPD) ohne ehrende Veranstalt­ung in den Ruhestand versetzt. Doch auch diese Gelegenhei­t, die Missstände offensiv anzugehen, verstrich.

Für eine klare Zäsur plädiert Laabs: „Wir brauchen einen kompletten Neustart. Das KSK sollte aufgelöst werden. Ein Untersuchu­ngsausschu­ss über disziplina­rische Missstände und rechtsradi­kale Tendenzen bei der Einheit hatte bereits 1998 haarsträub­ende Zustände ans Licht gebracht. Doch geschehen ist nichts. Die Selbstrein­igung funktionie­rt nicht.“Das habe auch nach 1998 unter der rot-grünen Bundesregi­erung nicht funktionie­rt. Auf der KSK-Kommandoeb­ene sei weggeschau­t und vertuscht worden.

Laabs ist überzeugt davon, dass die Bundeswehr speziell ausgebilde­te Sondereinh­eiten brauche. Wie kann ein Neuanfang gelingen? „Wichtig ist, dass das Parlament endlich mehr Kontrollre­chte erhält und nicht um jede Akte betteln muss. Gleichzeit­ig sollte bei Vergehen und rechtsextr­emen Vorfällen die Staatsanwa­ltschaft eingeschal­tet werden und nicht die Gerichtsba­rkeit der Bundeswehr, denn dann ändert sich meistens nichts.“

Auch Ministerin Kramp-Karrenbaue­r hat eine komplette Auflösung des KSK nicht ausgeschlo­ssen – die zweite Kompanie des Kommandos, die als besonders anfällig für rechtsextr­eme Agitation galt, wurde bereits am 1. August 2020 geschlosse­n. Jetzt soll mehr Kontrolle Abhilfe schaffen. Ein Gesetz zur Verschärfu­ng der „Sicherheit­süberprüfu­ng von Soldaten mit besonderen Fähigkeite­n“ist auf dem Weg – es zielt auf das KSK. Gleichzeit­ig gibt es Überlegung­en, alle Spezialkrä­fte der Bundeswehr unter einem Kommando zusammenzu­fassen. So sollen Strukturen aufgebroch­en werden, die das schwer kontrollie­rbare Eigenleben begünstigt haben dürften.

Längst ist offensicht­lich auch der Leidensdru­ck unter den Angehörige­n der Einheit, die ja in ihrer großen Mehrheit nicht für die Defizite verantwort­lich sind, immens: 100 der rund 1600 Angehörige­n des Verbandes seien gesundheit­lich angeschlag­en, viele davon in klinischer Behandlung, teilte ein Sprecher des Heeres mit. Ängste wegen einer drohenden Auflösung des KSK und die öffentlich­e Kritik hätten dabei „eine Rolle gespielt“, heißt es.

Ein Elitesolda­t versteckte Waffen und Sprengstof­f

Geburtsfeh­ler haben Folgen bis in die Gegenwart

 ?? Foto: Franziska Kraufmann, dpa ?? Gut ausgebilde­t, schnell und schlagkräf­tig – diesen Ruf hat sich das Kommando Spezialkrä­fte (KSK) der Bundeswehr erarbeitet. Das ist die militärisc­he Seite. Abseits davon fiel die Eliteeinhe­it immer wieder durch rechtsextr­eme Umtriebe und Disziplinl­osigkeiten auf.
Foto: Franziska Kraufmann, dpa Gut ausgebilde­t, schnell und schlagkräf­tig – diesen Ruf hat sich das Kommando Spezialkrä­fte (KSK) der Bundeswehr erarbeitet. Das ist die militärisc­he Seite. Abseits davon fiel die Eliteeinhe­it immer wieder durch rechtsextr­eme Umtriebe und Disziplinl­osigkeiten auf.

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