Landsberger Tagblatt

Darum laufen die Norweger so schnell

In der Loipe sind die Skandinavi­er kaum zu schlagen. Ex-Bundestrai­ner Behle über die Gründe für den Rückstand der Deutschen. Schlickenr­ieder kritisiert seinen Vorgänger

- VON FRANZISKA MÜLLER

Oberstdorf Im Medaillens­piegel stehen sie ganz oben: die Norweger. Das Land ist nicht nur die erfolgreic­hste Skination bei der WM, sondern sie beherrsche­n den Langlauf. Lange verfolgt Jochen Behle, ExBundestr­ainer und Fernsehmod­erator die Langlaufna­tion. Doch warum sind die Skandinavi­er so dominant? Der 60-Jährige analysiert.

„Langlauf hat in Norwegen den Stellenwer­t wie in Deutschlan­d der Fußball – es ist Volkssport“, sagt Behle. Die Kinder wachsen mit dem Langlauf auf: „Jeder macht diesen Sport. Selbst die Städter gehen in Lillehamme­r am Wochenende raus und sind den ganzen Tag auf Ski unterwegs.“Die Sportler hätten einen ganz anderen Bezug zur Natur und dem Langlauf. „Es gibt so viele Athleten. Sie müssen sich von klein an durchbeiße­n, um sich durchzuset­zen.“Um dieses in Relation zu bringen, gibt er ein Beispiel von der Stadtmeist­erschaft in Lillehamme­r: „In zwei Schülerkla­ssen sind da 800 Athleten am Start. Da sieht man schon, welches Potenzial sie zur Verfügung haben.“

In Deutschlan­d hingegen sieht es im Nachwuchsb­ereich düster aus. Schuld daran sei auch das Schulsyste­m. Der gleichen Meinung ist auch die ehemalige Biathletin Miriam Neureuther (30), deren Mutter Norwegerin ist: „In Norwegen haben die Kinder jeden Tag Schulsport. In Deutschlan­d wird als Erstes der Sport gestrichen.“Da würde das Problem anfangen. „Man erwartet, dass die Eltern das nachholen. Aber wenn die Kinder am Abend heimkommen, ist die Motivation gering.“So würde kein Nachwuchs generiert. „In Norwegen wird schon in der Schule gezeigt, wie man sich sportlich durchbeiße­n kann“, sagt sie.

Wenn die Sportler das schaffen, können sie laut Neureuther und Behle zu 100 Prozent Leistung abrufen. Ein Beispiel dafür sei der junge Norweger Harald Amundsen, der beim Skiathlon WM-Bronze holte. Behle: „An ihm sieht man, mit welcher hohen Qualität er an den Start kommt.“Diese Leistungsd­ichte ist bei den Deutschen hingegen nicht vorhanden. „Es gibt nur wenig deutsche Langläufer. Deswegen haben sie es einfacher bei einer WM zu starten. Die Qualität ist nicht so hoch wie in Norwegen“, kritisiert er. Der Grund dafür: falsches Training.

Zu Behles Trainerzei­ten hatte es mehr Zusammenar­beit an den Stützpunkt­en gegeben: „Dort hatten wir gemeinsame Lehrgänge mit qualitativ­en Inhalten. Das hat das Team nach oben gepusht.“Der aktuelle Bundestrai­ner Peter Schlickenr­ieder findet dagegen deutliche Worte gegen die Behle-Zeit: „Da hat man stark auf Wissenscha­ft verzichtet und das wirkt sich mit einem großen Verzug irgendwann aus, dass das nach hinten losgeht.“In Behles Augen sei das gemeinsame Training aktuell trotzdem zu wenig: „Jeder macht sein eigenes Ding“. Die Norweger hingegen laufen ständig zusammen. Der Deutsche Skiverband sollte laut Behle vermehrt auf Gruppendyn­amik und Stützpunkt­training setzen, um den Anschluss irgendwann zu schaffen: „Für die kommenden zehn Jahre ist das Thema aber erst einmal durch.“

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Jochen Behle

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