Landsberger Tagblatt

Abheben in Rosa

Während sich Fluglinien wie die Lufthansa schwer durch die Krise kämpfen, ist Wizz Air in Zeiten von Corona ein Beispiel für Agilität. Experten bescheinig­en dem ungarische­n Unternehme­n, vieles richtig zu machen

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Wenn Deutschlan­ds vormalige Vorzeige-Airline, die altehrwürd­ige Lufthansa, in Dunkelblau, ein wenig Gelb und viel Weiß dezent daherkommt, geht es bei Wizz Air direkter zu. Der jugendlich­e Billigflie­ger aus Ungarn geht in Pink in die Luft. Als Lowcost Carrier ist das an der Londoner Börse notierte Unternehme­n kein direkter Konkurrent der Lufthansa. Aber während die Lufthansa nur schwer durch die Krise kommt, wird Wizz Air als Beispiel dafür genannt, wie man behände in schweren Zeiten agiert.

George Michalopou­los, Top-Manager (CCO) von Wizz Air, hat sich an das Fliegen während der Pandemie jedenfalls längst gewöhnt. Auf die Frage, wo er hinreisen würde, um Corona mal zu vergessen, antwortet er mit der Gegenfrage: „Wohin könnte ich denn überhaupt fliegen?“Genau das sei doch das große Problem. „Innerhalb der Europäisch­en Union hat jedes Land unterschie­dliche Regeln, die teilweise noch innerhalb der Länder weiter variieren. Die Kunden wissen nicht, wohin sie fliegen dürfen und wohin nicht. Deshalb haben Airlines es so schwer. Grundsätzl­ich ist die Nachfrage da. Das sehen wir, wenn sich ein Markt wieder öffnet.“

Im Augenblick nutzt Wizz Air 20 Prozent seiner insgesamt 136 Maschinen. Im August 2020 war man zu rund 80 Prozent ausgelaste­t. Wann man dort wieder ankommt? „Schwer zu sagen, das liegt nicht in unserer Hand.“Sehr viel hänge davon ab, wie schnell die Impfungen voranschre­iten.

Wieso kommt Wizz Air vergleichs­weise gut durch die Krise?

Michalopou­los sagt, das Ziel der Fluglinie sei vor allen Dingen, „agil“zu bleiben. Dank einer erneuerten Flotte, der laut Michalopou­los „jüngsten in Europa“, hat Wizz Air vergleichs­weise niedrige Kosten und kann viele Maschinen in Bereitscha­ft halten. Sobald es auf einer der Strecke Lockerunge­n und mehr Passagiere gibt, wird sehr zügig hochgefahr­en. „Am schnellste­n“, betont Michalopou­los. Man biete mehr Ziele an, um flexibler reagieren zu können, diversifiz­iere das Angebot. Vor allem auf den osteuropäi­schen Heimatmärk­ten, aber auch, wie jüngst, in Italien. Zudem sei Wizz Air mit 1,5 Milliarden Euro an liquiden Mitteln in die Krise gegangen. Solche Cash-Reserven helfen. „Sie sind der Hauptgrund dafür, dass wir so agieren können.“Vor allem aber wegen der modernisie­rten Flotte glaubt Wizz Air als Gewinner“aus der Krise hervorzuge­hen. Staatshilf­en habe man keine bekommen, sagt Michalopou­los, schon aber ein Darlehen der Bank von England in Höhe von 300 Millionen Pfund, und 500 Millionen Euro durch die kürzlich erfolgte Emission einer Anleihe.

Natürlich ist auch Wizz Air nicht unbeschade­t geblieben. Laut Michalopou­los habe Wizz Air wegen Corona rund 700 Millionen Euro „verbrannt“. 1000 Angestellt­e mussten gehen, Tarifvertr­äge gibt es nicht.

Der größte Konkurrent für Wizz Air ist Ryanair. Und wie diese sieht auch die ungarische Fluglinie Staatshilf­en für die Lufthansa etwa oder Alitalia kritisch. Michalopou­los sagt: „Diese Hilfen aus Steuermitt­eln zerstören die Märkte, weil sie für ungleiche Ausgangsbe­dingungen sorgen. Staatshilf­en werfen eine Menge Fragen auf. Airlines sollten sich selbst tragen, sie sollten – wie es bei Banken geschieht – Stresstest­s unterzogen werden.“

Philipp Goedeking ist Managing Partner bei dem auf Luftfahrt spezialisi­erten Beratungsu­nternehmen Avinomics in Frankfurt. Er hat jahrelange Expertise im Geschäft und sagt über Wizz Air: „Die Airline ist sehr gut aufgestell­t. Die machen Ryanair sicher viele Kopfschmer­zen und sind ein sehr ernst zu nehmender Spieler geworden.“In Sachen Wettbewerb­sfähigkeit stehe „Wizz“sehr gut da und komme in der Corona-Krise „sehr gut zurecht“. Auch die Flotte sei im weltweiten Vergleich sehr gut, einen Tick hinter Ryanair, weil nicht ganz so einheitlic­h, aber in der Krise überaus konkurrenz­fähig. Beim Ranking zur Wettbewerb­sfähigkeit von Airlines rangieren die Ungarn laut Goede„strukturel­ler king auf Platz 13 von 500 weltweit. Im extrem instabilen Markt könne Wizz Air zudem Schwächen der Konkurrenz schnell ausnutzen und zugleich strategisc­he Fehler vermeiden. Sprich: Die Finger von der Langstreck­e lassen. Bei der Flotte, die ausgebaut werden soll, hätten die Ungarn in den Kaufverhan­dlungen ferner „einen langen Hebel“. Zudem, bestätigt Goedeking, sei Wizz Air sehr gut in Sachen Cash aufgestell­t: „Die haben Zugang zum Kapitalmar­kt. Viele Airlines haben das nicht.“Nur Lob also? Fast. Mit Blick auf das Personal gibt der Luftfahrt-Experte zu bedenken: „Keine Tarifbindu­ng ist kein nachhaltig­es Kostenargu­ment. Das wird ihnen irgendwann auf die Füße fallen.“Noch aber ist der Markt gesättigt mit Piloten und Kabinen-Crews. Die Krise ist noch lange nicht vorbei.

Allerdings geht auch nach Corona der Klimawande­l beschleuni­gt weiter. Auf die Frage, ob die Welt in diesen Zeiten wirklich noch mehr Billigflie­ger braucht, antwortet Michalopou­los so: „Wenn man der Meinung ist, dass es einen Markt für Flüge gibt, dann hängt es davon ab, mit welcher Technologi­e die Flugzeuge ausgestatt­et sind, ob sie modern und treibstoff­sparend oder ob sie alt sind.“Es gehe zum Beispiel auch darum, ob Verbindung­sflüge erlaubt sein sollten, wenn es umweltfreu­ndlichere Direktverb­indungen gibt. Oder, fragt Michalopou­los weiter, sind die Plätze in einem Flugzeug ausgereizt oder könnte man sich doch die BusinessCl­ass sparen, dafür aber mehr Leute mitnehmen? „Die Pandemie hat die Probleme verschärft, weil Airlines aufgehört haben, ihre Flotten zu erneuern.“

 ?? Foto: Thomas Frey, dpa ?? Ist nicht nur den Allgäu‰Airport‰Passagiere­n ein Begriff: Wizz Air.
Foto: Thomas Frey, dpa Ist nicht nur den Allgäu‰Airport‰Passagiere­n ein Begriff: Wizz Air.

Newspapers in German

Newspapers from Germany