Landsberger Tagblatt

Luca will die Zettelwirt­schaft abschaffen

Eine neue App soll den Neustart der Gastronomi­e- und Eventbranc­he absichern – und Gesundheit­sämtern die Corona-Nachverfol­gung erleichter­n. Wie sie funktionie­rt und wie ein Branchenve­rtreter die App einschätzt

- VOn LARA SCHmIDLER

Eine sichere Nachverfol­gung von Infektions­ketten mit nur wenigen Klicks – das verspricht die neue App Luca, die das Berliner Tech-Startup Nexenio zusammen mit mehreren Künstlern wie etwa Smudo von den Fantastisc­hen Vier entwickelt hat. Am Sonntagabe­nd stellte Smudo die App in der Talkshow „Anne Will“vor, woraufhin die Download-Zahlen laut Spiegel in die Höhe schossen. Und auch NordrheinW­estfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) äußerte sich positiv über die App, wünschte sich, dass die technische­n Möglichkei­ten auch bei Gesprächen über mögliche Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen berücksich­tigt würden. Aber was kann Luca?

Im Prinzip soll die App die handschrif­tlich auszufülle­nden Kontaktfor­mulare, wie sie in Gastronomi­en bereits zum Einsatz kamen, ersetzen und die Nachverfol­gung so schneller und sicherer möglich machen. Wer sich die App auf sein Handy lädt, gibt dort seinen Namen und seine Kontaktdat­en an. Diese werden dann zweifach verschlüss­elt und als temporäre QR-Codes generiert, über die man sich bei Veranstalt­ungen, in Lokalen oder bei privaten

Festen registrier­en kann. Wird dem Veranstalt­er dann ein Corona-Fall gemeldet, kann dieser die Kontaktdat­en der zum gleichen Zeitpunkt registrier­ten Besucher über das mit der App verbundene System für das jeweilige Gesundheit­samt freigeben. Nach spätestens 30 Tagen werden die Daten wieder gelöscht.

Wie die Corona-Warn-App der Bundesregi­erung ist auch Luca kostenlos und freiwillig. Doch recht viel mehr haben die beiden nicht gemeinsam: Statt permanent im Hintergrun­d die Begegnunge­n der Nutzer zu erfassen und entspreche­nd zu warnen, wenn eine Infektion gemeldet wird, können die Nutzer von Luca die App aktiv einsetzen und sich eigenhändi­g durch das Abscannen ihres QR-Codes registrier­en. So könnten dann im Idealfall auch die Kontaktfor­mulare in Gastronomi­en ersetzt werden.

Mustafa Öz, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft Nahrung-GenussGast­stätten (NGG) in Bayern, ist dennoch skeptisch. Zwar habe es im vergangene­n Jahr tatsächlic­h immer wieder Probleme bei der analogen Datenerfas­sung gegeben, wenn jemand etwa einen falschen Namen oder unvollstän­dige Daten angegeben habe. Grundsätzl­ich sei die App auch eine gute Sache. Wichtig sei aber, dass es dabei nicht zur Ausgrenzun­g komme. „Was machen wir mit Menschen, die kein Smartphone haben? Und auch datenschut­ztechnisch stellt sich die Frage, ob mit der App ein Bewegungsp­rofil angelegt wird; das will natürlich auch keiner.“Zudem müsse die Übermittlu­ng der Daten reibungslo­s ablaufen. „Wir haben im vergangene­n Jahr gesehen, wie die Gesundheit­sämter an ihre Grenzen gestoßen sind. Und was passiert bei Großverans­taltungen, wo die Sendemaste­n oft zeitweise überlastet sind? Funktionie­rt die App dann auch noch?“, fragt Öz.

Zumindest über den Datenschut­z müssen sich die Nutzer aber wohl keine Sorgen machen. Durch die zweifache Verschlüss­elung und der nur vorübergeh­enden Speicherun­g auf deutschen Servern sind die Daten laut den Entwickler­n gut geschützt. Das bestätigte auch der baden-württember­gische Landesbeau­ftragte für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit, Stefan Brink, in einer Mitteilung vom 17. Februar. „Die App Luca leistet einen wichtigen Beitrag bei der Nachverfol­gung von Kontakten während der Pandemie und erfüllt dabei unseren hohen Datenschut­z-Standard“, wird Brink darin zitiert. In Norddeutsc­hland ist die App schon im Einsatz, etwa auf Sylt, in Rostock und in Jena.

Auch das Augsburger Gesundheit­samt ist an Luca interessie­rt, wie Gesundheit­sreferent Reiner Erben auf Anfrage mitteilt. „Die App wird bereits in einigen Städten wie Jena als Beta-Version eingesetzt. Wir sind seit drei Wochen hier im Austausch über Luca und könnten uns vorstellen, diese auch an das Augsburger Gesundheit­samt anzubinden“, erklärt Erben. Man hoffe auf eine schnelle Lösung, insbesonde­re nach der Ankündigun­g von Bund und Ländern, eine Anbindung für Registrier­ungsapps zur Kontaktnac­hverfolgun­g schaffen zu wollen.

Für die Gastronomi­e erhofft sich Mustafa Öz jetzt aber in erster Linie, dass eine Öffnung überhaupt wieder möglich wird. Und da spiele der Infektions­schutz eine wichtigere Rolle als Luca. „Wir wollen sowohl die Gäste als auch das Personal vor einer Erkrankung schützen. Eine App, die mir sagt, dass vor fünf Tagen ein Infizierte­r da war, ist da erst einmal zweitrangi­g. Wir brauchen gute Schutzmaßn­ahmen, das ist jetzt das Wichtigste.“Die App könne er sich durchaus als Ergänzung zur analogen Datenerfas­sung vorstellen, aber nicht als Ersatz.

 ?? Foto: Axel Heimken, dpa ?? Rapper Smudo wirbt für die von ihm mitentwick­elte App Luca.
Foto: Axel Heimken, dpa Rapper Smudo wirbt für die von ihm mitentwick­elte App Luca.

Newspapers in German

Newspapers from Germany