Luca will die Zettelwirtschaft abschaffen
Eine neue App soll den Neustart der Gastronomie- und Eventbranche absichern – und Gesundheitsämtern die Corona-Nachverfolgung erleichtern. Wie sie funktioniert und wie ein Branchenvertreter die App einschätzt
Eine sichere Nachverfolgung von Infektionsketten mit nur wenigen Klicks – das verspricht die neue App Luca, die das Berliner Tech-Startup Nexenio zusammen mit mehreren Künstlern wie etwa Smudo von den Fantastischen Vier entwickelt hat. Am Sonntagabend stellte Smudo die App in der Talkshow „Anne Will“vor, woraufhin die Download-Zahlen laut Spiegel in die Höhe schossen. Und auch NordrheinWestfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) äußerte sich positiv über die App, wünschte sich, dass die technischen Möglichkeiten auch bei Gesprächen über mögliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen berücksichtigt würden. Aber was kann Luca?
Im Prinzip soll die App die handschriftlich auszufüllenden Kontaktformulare, wie sie in Gastronomien bereits zum Einsatz kamen, ersetzen und die Nachverfolgung so schneller und sicherer möglich machen. Wer sich die App auf sein Handy lädt, gibt dort seinen Namen und seine Kontaktdaten an. Diese werden dann zweifach verschlüsselt und als temporäre QR-Codes generiert, über die man sich bei Veranstaltungen, in Lokalen oder bei privaten
Festen registrieren kann. Wird dem Veranstalter dann ein Corona-Fall gemeldet, kann dieser die Kontaktdaten der zum gleichen Zeitpunkt registrierten Besucher über das mit der App verbundene System für das jeweilige Gesundheitsamt freigeben. Nach spätestens 30 Tagen werden die Daten wieder gelöscht.
Wie die Corona-Warn-App der Bundesregierung ist auch Luca kostenlos und freiwillig. Doch recht viel mehr haben die beiden nicht gemeinsam: Statt permanent im Hintergrund die Begegnungen der Nutzer zu erfassen und entsprechend zu warnen, wenn eine Infektion gemeldet wird, können die Nutzer von Luca die App aktiv einsetzen und sich eigenhändig durch das Abscannen ihres QR-Codes registrieren. So könnten dann im Idealfall auch die Kontaktformulare in Gastronomien ersetzt werden.
Mustafa Öz, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten (NGG) in Bayern, ist dennoch skeptisch. Zwar habe es im vergangenen Jahr tatsächlich immer wieder Probleme bei der analogen Datenerfassung gegeben, wenn jemand etwa einen falschen Namen oder unvollständige Daten angegeben habe. Grundsätzlich sei die App auch eine gute Sache. Wichtig sei aber, dass es dabei nicht zur Ausgrenzung komme. „Was machen wir mit Menschen, die kein Smartphone haben? Und auch datenschutztechnisch stellt sich die Frage, ob mit der App ein Bewegungsprofil angelegt wird; das will natürlich auch keiner.“Zudem müsse die Übermittlung der Daten reibungslos ablaufen. „Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, wie die Gesundheitsämter an ihre Grenzen gestoßen sind. Und was passiert bei Großveranstaltungen, wo die Sendemasten oft zeitweise überlastet sind? Funktioniert die App dann auch noch?“, fragt Öz.
Zumindest über den Datenschutz müssen sich die Nutzer aber wohl keine Sorgen machen. Durch die zweifache Verschlüsselung und der nur vorübergehenden Speicherung auf deutschen Servern sind die Daten laut den Entwicklern gut geschützt. Das bestätigte auch der baden-württembergische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Stefan Brink, in einer Mitteilung vom 17. Februar. „Die App Luca leistet einen wichtigen Beitrag bei der Nachverfolgung von Kontakten während der Pandemie und erfüllt dabei unseren hohen Datenschutz-Standard“, wird Brink darin zitiert. In Norddeutschland ist die App schon im Einsatz, etwa auf Sylt, in Rostock und in Jena.
Auch das Augsburger Gesundheitsamt ist an Luca interessiert, wie Gesundheitsreferent Reiner Erben auf Anfrage mitteilt. „Die App wird bereits in einigen Städten wie Jena als Beta-Version eingesetzt. Wir sind seit drei Wochen hier im Austausch über Luca und könnten uns vorstellen, diese auch an das Augsburger Gesundheitsamt anzubinden“, erklärt Erben. Man hoffe auf eine schnelle Lösung, insbesondere nach der Ankündigung von Bund und Ländern, eine Anbindung für Registrierungsapps zur Kontaktnachverfolgung schaffen zu wollen.
Für die Gastronomie erhofft sich Mustafa Öz jetzt aber in erster Linie, dass eine Öffnung überhaupt wieder möglich wird. Und da spiele der Infektionsschutz eine wichtigere Rolle als Luca. „Wir wollen sowohl die Gäste als auch das Personal vor einer Erkrankung schützen. Eine App, die mir sagt, dass vor fünf Tagen ein Infizierter da war, ist da erst einmal zweitrangig. Wir brauchen gute Schutzmaßnahmen, das ist jetzt das Wichtigste.“Die App könne er sich durchaus als Ergänzung zur analogen Datenerfassung vorstellen, aber nicht als Ersatz.