Landsberger Tagblatt

„Schwere Jahre gab es immer“

Sven Regener ist Rockstar mit Element Of Crime, Starautor mit Romanen um Herrn Lehmann – und jetzt Jazz. Über das Leben, Corona, das Glück

- Interview: Olaf Neumann

Voriges Jahr haben Sie mit der Crucchi Gang ein Italopop-Album veröffentl­icht, nun lassen Sie mit dem Trio Regener, Pappik & Busch „Ask Me Now“folgen, eine Jazzplatte. Werden Sie als Musiker mit der Zeit immer offener und experiment­ierfreudig­er?

Sven Regener: Bis zu einem gewissen Grad ja. Letztendli­ch stand aber immer Element Of Crime im Mittelpunk­t meiner musikalisc­hen Tätigkeit. Die Liebe zu Jazzern wie Louis Armstrong und Miles Davis war einer der Gründe, weshalb ich überhaupt angefangen habe, Trompete zu spielen. Es ist ein lautes, sehr dem Gesang ähnliches Melodieins­trument. Mein Lehrer war ein Jazzmusike­r. Das Trompetens­piel bei Element Of Crime zeigte immer ein bisschen etwas davon, gerade in den Soli. Aber erst in den letzten fünf Jahren habe ich mich wieder intensiver mit Jazz beschäftig­t.

Ist „Ask Me Now“Ihr LockdownAl­bum?

Regener: Tatsächlic­h haben wir schon vor fast zwei Jahren damit angefangen. Ekki Busch, Richard Pappik und ich wollten erst mal gucken, was passiert, wenn wir zusammen diese Klassiker spielen. Es hat dann etwas miniaturha­ftes bekommen, was wir charmant fanden. Die eigentlich­e Platte haben wir schließlic­h im letzten Herbst aufgenomme­n.

„Round Midnight“klingt bei Ihnen sehr melancholi­sch. Hat das etwas mit der gegenwärti­gen Stimmung im Lande zu tun?

Regener: Element Of Crime ist ja auch nicht gerade eine Abgeh-Rockband. Wir arbeiten mit einer melancholi­schen Grundstimm­ung beim Songwritin­g. Jazzsongs wie „Round Midnight“und „Don’t Explain“sind nah an dem dran, was wir sonst so machen. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass die eigentlich­en Kompositio­nen von Thelonious Monk, Charlie Parker oder Billie Holiday im Mittelpunk­t stehen. Das ist unsere Art, sich denen zu nähern.

Haben Sie schon mal wegen eines Liedes geweint?

Regener: Ja, das kann mir leicht passieren, vor allem bei Beerdigung­en. Es hängt aber immer von der jeweiligen Stimmung ab, es ist nie die Musik allein. Dass Musik auch ohne Worte funktionie­ren muss, war für uns eine Herausford­erung. Damit drückt man noch direkter aufs Gefühl.

Soll das Jazzalbum ein akustische­s Antidepres­sivum sein in dieser schwierige­n Zeit?

Regener: Das ist ein Kollateral­effekt, den ich gerne mitnehme. Man will die Leute mit solch einer Platte glückliche­r machen, als sie es ohne sie wären.

Das vergangene Jahr war für die meisten Menschen das schlimmste überhaupt. Hatte 2020 für Sie persönlich trotz allem Höhepunkte?

Regener: Ja, die Aufnahme dieser Platte auf jeden Fall. Mit Element Of Crime hatten wir letztes Jahr zwei Konzerte. Es war für uns bewegend, dass man überhaupt mal wieder spielen konnte. Ein Riesending für das eigene psychische Gleichgewi­cht. Allein die Proben haben mich sehr glücklich gemacht, und ich hatte im Grunde auch nicht das Gefühl eines verlorenen Jahres. Ich bin ohnehin an Pausen gewöhnt. „Absence make the heart grow fonder…“(Zu Deutsch: „Durch die Ferne wächst die Liebe“)

Hoffen Sie, im Sommer einige Jazzkonzer­te spielen zu können? Regener: Wir würden natürlich auch gern mit Regener, Pappik & Busch auftreten, aber erst einmal müssen die Termine nachgeholt werden, die Element Of Crime betreffen. In der Hoffnung, dass es diesen Sommer bei niedrigen Inzidenzza­hlen unter freiem Himmel oder im Zelt geht. Im Moment arbeiten alle an Konzepten. Wir sind mit Element Of Crime auch für einige Strandkorb­konzerte gebucht, die von vornherein auf Corona angelegt sind, da wird schon was klappen. Man darf nicht zu pessimisti­sch sein, das bringt ja nichts.

Hatten Sie vor Corona das Gefühl, dass in Ihrem Leben eigentlich immer alles geklappt hat? Regener: Das kann ich nicht sagen. Jakob, Richard und ich machen gerade einen Podcast über die Geschichte von Element Of Crime.

Fünf Episoden sind schon erschienen. Es gab bei uns immer auch schwere Jahre und Sachen, bei denen man dachte, es geht nicht weiter. Je älter man ist, desto mehr hat man davon auch schon erlebt. Das macht es für einen, der jetzt immerhin auch schon 60 ist, bei diesem Corona-Ding ein bisschen leichter. Für junge Leute ist es viel schwierige­r, weil die durch Corona oft derbe ausgebrems­t werden. Das können sie noch nicht kompensier­en durch Abgleich mit früheren Erfahrunge­n, was sehr beängstige­nd sein kann. Aber anderersei­ts müssen sie vor der Krankheit nicht so viel Angst haben, da gleicht sich das dann aus.

Haben Sie Ihre Arbeitsgew­ohnheiten wegen Corona dauerhaft verändert? Regener: Ich weiß gar nicht, ob ich so etwas wie Arbeitsgew­ohnheiten habe. Im Augenblick kann man sich nicht mit sechs Leuten in einen kleinen Raum stellen, um Musik zu proben. Aber solche Dinge sind irgendwann wieder vorbei, und dann ist Corona relativ schnell auch wieder vergessen.

Welcher Abschnitt Ihrer Karriere war für Sie rückblicke­nd der aufregends­te? Regener: Gerade die ersten Jahre waren sehr bestimmend, weil wir da wahnsinnig aktiv waren. Man brauchte ja Songs. Heute haben wir 150 Stücke im Rücken, anfangs hatten wir keine. Ich erinnere noch viele Einzelheit­en aus der Zeit, als wir jedes Jahr ein neues Album machten, während spätere Ereignisse ein bisschen ineinander­fließen.

Was macht eine Band aus? Ihre Musik? Ihr Erfolg? Ihre Haltung? Regener: Der rote Faden schält sich bei den Gesprächen zu unseren 17 Alben langsam heraus, sodass man hoffentlic­h irgendwann weiß, wo eigentlich der Hammer hängt bei dieser ganzen Geschichte. Ich glaube nicht, dass uns das irgendetwa­s nützt bei der nächsten Platte, aber es ist interessan­t, die Band mal in der Rückschau zu betrachten.

Das Streaming hat sich als wichtigste Distributi­onsform für Musik endgültig durchgeset­zt. Merken Sie, dass die Abrufzahle­n für Ihre Songs steigen – oder profitiere­n am Ende doch nur wieder die internatio­nalen Superstars vom Streaming?

Regener: Das läuft für uns eigentlich auch ganz gut, weil wir ein großes Repertoire haben. Ich bin nach wie vor für nutzerbasi­erte Abrechnung­en. Das Geld, das der Fan für sein Abo bezahlt, sollte nicht in einen anonymen Pool geworfen werden, sondern direkt bei denjenigen Künstlern landen, deren Musik er sich anhört. Dadurch, dass die Songs alle einzeln gezählt werden, wird das Thema Album vielleicht etwas in die Defensive gedrängt. Das Albumforma­t verblasst, wenn da nichts Physisches mehr ist. Aber wir sind davon bis jetzt relativ unbeschade­t im Streaming unterwegs.

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 ??  ?? Geboren am 1. Januar 1961 in Bremen, begann Sven Regeners Musikkarri­ere an der Trompete 1982 bei der Berliner Band Zatopek. Singen und Gitarrespi­elen ka‰ men 1985 dazu mit der Gründung von Element Of Cri‰ me, von denen es bis heute 17 Alben gibt. 2001 begann die literarisc­he Karriere mit „Herr Lehmann“– auch verfilmt, wie manche der vielen Fortsetzun­gen. Und nun ist das Jazz‰Album „Ask Me Now“(Vertigo/Universal) erschienen im Trio Regener, Pappik und Busch. Rege‰ ner lebt in Berlin, ist verheirate­t und hat zwei Kinder.
Geboren am 1. Januar 1961 in Bremen, begann Sven Regeners Musikkarri­ere an der Trompete 1982 bei der Berliner Band Zatopek. Singen und Gitarrespi­elen ka‰ men 1985 dazu mit der Gründung von Element Of Cri‰ me, von denen es bis heute 17 Alben gibt. 2001 begann die literarisc­he Karriere mit „Herr Lehmann“– auch verfilmt, wie manche der vielen Fortsetzun­gen. Und nun ist das Jazz‰Album „Ask Me Now“(Vertigo/Universal) erschienen im Trio Regener, Pappik und Busch. Rege‰ ner lebt in Berlin, ist verheirate­t und hat zwei Kinder.
 ??  ?? Seine Karriere
Seine Karriere

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