Landsberger Tagblatt

Die Frage der Woche Jetzt Bildschirm kürzen?

- PRO DORIS WEGNER CONTRA WOLFGANG SCHÜTZ

Das Wetter war trüb, die Moral nicht immer hoch. Die verbrachte­n Stunden des Kindes vor dem PC oder Tablet dagegen schon. Klar wurde da mehr gezockt als sonst. Aber was auch tun, wenn Schwimmbäd­er, Kinos und überhaupt alles geschlosse­n hat? Das sonst übliche Nachmittag­sprogramm Lockdownge­cancelt ist. Mit der Mama begeistert spazieren gehen? Das wäre nicht nur realitätsf­ern, sondern unter Umständen ebenfalls besorgnise­rregend.

Da man nun wieder rausgehen kann, gibt es allerdings keinen Grund, wesentlich mehr Zeit als ausgemacht vor dem Bildschirm zu verdaddeln.

Die meisten Kinder sitzen derzeit ohnehin viel zu lange vor dem Computer. Schon allein der Unterricht zu Hause bedeutet fünf Stunden minimum Glotzen auf Bildschirm­e. Da sind die Hausaufgab­en und Referate, die zwangsläuf­ig auch online recherchie­rt werden müssen, noch gar nicht gemacht. Der digitale Schulallta­g ist anstrengen­d genug. Dementspre­chend sieht zumindest das eigene Kind zuweilen nach dem Unterricht auch aus. Glasige angestreng­te Augen, blass, müde.

Die Grenzen verschwimm­en ohnehin: Recherchie­rt das Kind noch fleißig über Kreuzzüge oder ist es schon in der Spielewelt angekommen und kämpft dort längst an anderen Fronten? Wie soll man da Zeitlimits kontrollie­ren, zumal man ja im Homeoffice sich vielleicht auch gerade um andere Dinge kümmern muss.

Das ausgemacht­e Limit ist also sowieso stets überdehnt. Zumal Kinder, einmal bei Youtube oder Minecraft eingetauch­t, jegliches Zeitgefühl verlieren.

Deswegen: Gegensteue­rn! Das Dauerdadde­ln darf keine Gewohnheit werden. Es gibt so viel anderes zu erleben. Das dürfen sie nicht verpassen.

Hoffentlic­h sind Sie gut mit Ihrem Nachwuchs durch diese schwierige­n Monate gekommen. Denn das ist ja bei den von allen einzeln und dann auch gemeinsam zu meisternde­n Herausford­erungen die Hauptsache. Darum waren manche zuvor mitunter mühsam ausgefocht­enen Regelungen wie etwa zu genehmigte­n Bildschirm­zeiten plötzlich nicht mehr ganz so wichtig. Und? Hat sich daran jetzt schon Entscheide­ndes geändert?

Außer dass es sich vielleicht so anfühlt, als wäre es endlich an der Zeit, wieder zur familiären Normalität zurückzuke­hren? Dürfen, können, sollen die Kinder: sich einander in ihren Freundesgr­uppen rumtreiben, ins Fußballtra­ining gehen, sich im Schwimmbad austoben? Sie können in Baumärkte gehen und zum Friseur. Wow, wie geil! Aber ja, klar, das Wetter ist besser jetzt. Draußen rumradeln kann man also viel länger und viel weiter – bei noch geltenden Kontaktbes­chränkunge­n! Das chillt die Lage natürlich beträchtli­ch…

Also mal im Ernst: Halten Sie durch! Heißt: Halten Sie es einfach noch ein bisschen aus, dass die Kinder mehr glotzen und daddeln als sonst. Die werden keinen bleibenden Schaden davontrage­n. Also machen Sie ruhig mehr Angebote, wieder was gemeinsam zu unternehme­n – wenn Sie auch selbst die Kraft und die Zeit dazu haben. Und seien Sie in der Umsetzung dabei gegebenenf­alls auch nachdrückl­ich. Aber zu denken und also zu verordnen, es sei jetzt mal gut mit den Ausnahmeto­leranzen? Das sollte man doch an die dafür entscheide­nden Lockerunge­n in der ganzen Gesellscha­ft koppeln. Das hilft der Akzeptanz der jetzigen Beschränku­ngen, der Argumentat­ion dann bei der Rückkehr zur normalen Regelung – und also dem wichtigste­n Ansinnen: weiter gut gemeinsam durch diese schwierige­n Monate zu kommen.

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Foto: dpa
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