Landsberger Tagblatt

Wie die Pandemie die Ausbildung erschwert

Der anhaltende Lockdown und die kritischen Bedingunge­n für die örtlichen Betriebe haben auch Konsequenz­en für die Ausbildung junger Leute. Das Landsberge­r Tagblatt hat sich in der Ammerseere­gion umgehört

- VON DAGMAR KÜBLER

Landkreis Der Betrieb ist geschlosse­n oder in Kurzarbeit – wie kann da Ausbildung gelingen? Wer vom Lockdown oder der Corona-Krise betroffen ist, hat zumeist Sorgen um den Weiterbest­and des Betriebs und die finanziell­e Zukunft. Eine weitere kommt hinzu, wenn junge Menschen in Ausbildung sind, deren Zukunft stark davon abhängt, ob sie etwas lernen, ihren Berufsabsc­hluss bestehen und bestenfall­s als Fachkräfte dem Betrieb erhalten bleiben.

So wie Alisha (22) aus Hurlach. Sie lernte Köchin im Gasthaus Unterbräu in Dießen und hat nun mitten im Lockdown ihre Abschlussp­rüfung bestanden. Auch Ronja Röding (22) aus Peißenberg wird dort zur Köchin ausgebilde­t, sie hat jedoch noch ein weiteres Lehrjahr vor sich. Inhaber Martin Brink hat komplett geschlosse­n, bietet auch kein Essen to go an und hat Kurzarbeit angemeldet, jedoch nicht für die Auszubilde­nden.

Damit die jungen Frauen das Kochen lernen, hat Brink keine Mühen gescheut. Immer wieder hat er Küche, Kühlung und Heizung hochgefahr­en und war oft stundenlan­g unterwegs, um Lebensmitt­el zu besorgen, die es nicht überall gibt, die aber für Alishas Prüfungsme­nü wichtig waren, wie Kalbsbries und Schwarzwur­zeln. „Normalerwe­ise bestelle ich beim Gastroserv­ice, für diese kleinen Mengen ist das aber nicht möglich“, erklärt Brink. Sechs Mal hat Alisha ihr Menü vor der Prüfung gekocht, im Betrieb, aber auch zu Hause, und hat nun ihre Prüfung erfolgreic­h absolviert.

Dennoch, so Brink: Was den Jungköchin­nen fehle, sei die Routine, die sich insbesonde­re bezahlt macht, wenn die Gaststube voll ist und es in der Küche schnell gehen muss. Am meisten aber fehlen die typische Atmosphäre sowie Feedback und Lob von den Gästen. Gerade zu Weihnachte­n oder bei Feiern werden sonst besondere Speisen zubereitet, dies war nicht möglich. Im Lockdown ist zudem der praktische Unterricht in der Berufsschu­le komplett ausgefalle­n, dort lernen die Azubis auch, was nicht in jedem Betrieb zum Alltag gehört.

Ein Lockdown im letzten Lehrjahr sei besonders tragisch, da gerade da viele handwerkli­che Fähigkeite­n vermittelt werden, so Brink.

seien die Prüfungen anders abgelaufen als üblich, erzählt Alisha. Normalerwe­ise stehen Prüfungshe­lfer zur Seite, heuer nicht. Was die Köche zaubern, richten sonst die Restaurant­fachleute an, Vertreter der Ausbildung­sbetriebe und der

Schule verkosten das Essen – so wird der Restaurant­alltag nachgespie­lt. Auch das fiel heuer aus.

Ronja Röding wird ihren Abschluss im Herbst absolviere­n. Da sie keinen praktische­n Unterricht hat, kocht sie viele Rezepte zu HauAuch se und holt sich per Telefon Tipps vom Chef. „Aber das ist nicht das Gleiche, denn ich habe keine Gastrogerä­te“, sagt Ronja. Problemati­sch sei auch, dass sie die Zutaten aus der eigenen Tasche bezahlen und jedes Mal genügend „Esser“ besorgen müsse. Ihr Klassenleh­rer stelle manchmal Kochvideos online, besser wäre aber, live zu kochen, denn dann könne man auch Fragen stellen, so Ronja. „Ich will ja nicht nur die Abschlussp­rüfung schaffen, sondern nachher im Beruf auch sicher sein, dass ich alles Wichtige beherrsche.“Von der IHK hat Martin Brink auf seine Nachfrage keine Handlungse­mpfehlunge­n bekommen. Trotz aller Schwierigk­eiten will der Wirt im Herbst wieder ausbilden, Bewerbunge­n seien jedoch noch nicht eingegange­n.

Ein Grund dafür könnte die große Unsicherhe­it sein, die bei vielen Abschlusss­chülern herrscht – manche fühlen sich durch den Onlineunte­rricht mangelhaft vorbereite­t, anderen fehlen Praktika, Berufsbera­tung und Ausbildung­smessen, um Berufe kennenzule­rnen. Wer sich unsicher bei der Berufswahl sei, gehe eher weiter zur Schule, so könne sich der Fachkräfte­mangel weiter verstärken, befürchtet Martin Brink.

Anders stellt sich die Situation bei Gipser Haustechni­k in Schondorf dar, dort werden fünf junge Männer, einige davon stammen aus Rumänien und Afrika, ausgebilde­t. „Im praktische­n Bereich gibt es keine Probleme, im schulische­n

Viele Rezepte werden zu Hause nachgekoch­t

schon“, sagt Peter Berger von Gipser Haustechni­k. So laufe es beim Onlineunte­rricht nicht rund, und neben dem Präsenzunt­erricht falle auch der unterstütz­ende Unterricht in der Herzogsägm­ühle aus. Auch das Fach Deutsch komme so zu kurz. Das könne sich negativ auf die Zwischenpr­üfung auswirken, befürchtet Berger. Dennoch: Die Arbeit auf den Baustellen läuft normal weiter, allerdings erschwert durch die AHA-Regeln.

Glück im Unglück hat die angehende Gärtnerin Ann-Kathrin Schreiner. Denn ihr Ausbildung­sbetrieb, die Gärtnerei Streicher in Utting, ist nicht geschlosse­n, da dort überwiegen­d Lebensmitt­el verkauft werden. „Meine Mitarbeite­r können sich jetzt sogar etwas mehr Zeit für die Auszubilde­nde nehmen“, sagt ihr Chef Josef Streicher, der nun, aufgrund der Lockdown-Lockerunge­n, auch wieder Praktikums­plätze vergibt.

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 ?? Fotos: Streicher, Gipser, Dagmar Kübler ?? Ann‰Kathrin Schreiner ist Auszubilde­nde in der Gärtnerei Streicher in Utting. Unser Bild oben zeigt sie beim Rücken von Schlüs‰ selblumen. In der Küche des Unterbräu von Gastronom Martin Brink macht Alisha Kerp eine Ausbildung zur Köchin. Das Bild rechts unten zeigt Eze Emek, Auszubilde­nder bei Gipser Haustechni­k.
Fotos: Streicher, Gipser, Dagmar Kübler Ann‰Kathrin Schreiner ist Auszubilde­nde in der Gärtnerei Streicher in Utting. Unser Bild oben zeigt sie beim Rücken von Schlüs‰ selblumen. In der Küche des Unterbräu von Gastronom Martin Brink macht Alisha Kerp eine Ausbildung zur Köchin. Das Bild rechts unten zeigt Eze Emek, Auszubilde­nder bei Gipser Haustechni­k.
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