Wie die CoronaImpfung weiterentwickelt wird
Während die Hersteller die Produktion weiter hochfahren, wird in den Laboren an der nächsten Generation der Corona-Impfstoffe gearbeitet. Die Mittel sollen schnell gegen gefährliche Virusvarianten zur Verfügung stehen
Mainz Noch gibt es viel zu wenig davon: Aber immerhin gelang es den Forschern innerhalb weniger Monate, gleich mehrere Impfstoffe gegen das Coronavirus zu entwickeln. Nicht nur die Produktion ist derzeit ein Problem: Noch ist auch unklar, wie gut die Impfstoffe auf Dauer gegen die vielfältigen Varianten des Virus helfen. Deshalb arbeiten Wissenschaftler bereits an der neuen Generation der Corona-Impfmittel. Die drei gefährlichen Varianten – die ansteckendere aus Großbritannien und die beiden gefährlicheren aus Südafrika und Brasilien – werden alle zumindest teilweise von den bisher verfügbaren Impfstoffen neutralisiert.
Laut Biontech-Gründer Ugur Sahin ist die britische Variante durch die bisher verfügbaren Impfstoffe gut abgedeckt. Bei den anderen beiden Varianten gebe es zwar Abstriche bei der Wirksamkeit und keine Daten aus der realen Welt. „Wir sehen im Labor für unseren Impfstoff, dass wir die brasilianische Variante gut adressieren können“, sagt Sahin. „Wir sehen, dass die UK-Variante sehr gut neutralisiert wird. Wir sehen gewisse Abstriche bei der südafrikanischen Variante.“Im Labor brauche es deshalb bei der südafrikanischen Variante eine leicht erhöhte Menge Antikörper, um das Virus abzuwehren.
Der Präsident des Paul-EhrlichInstituts, Klaus Cichutek, erklärt, dass dies auch für andere Impfstoffe gelte. Der in den USA derzeit getestete Impfstoff von Novavax, dessen Zulassung dort im Mai erwartet wird, schützt zu 96 Prozent vor herkömmlichen Varianten, zu 86 Prozent vor der britischen Variante und zu 50 Prozent vor der südafrikanischen Variante. „Beim südafrikanischen Virus ist die Wirksamkeit also stark herabgesetzt, aber Impfen mit den bisherigen Impfstoffen ist immer noch besser als nicht impfen“, sagt Cichutek.
Die meisten Impfstoffe können wohl jedoch schnell an Virusvarianangepasst werden. Laut der Virologin Marylyn Addo kann ein angepasster mRNA-Impfstoff wie der von Biontech innerhalb von sechs Wochen entwickelt werden. Klassische, sogenannte Vektor-Impfstoffe wie die von AstraZeneca und Moderna könnten laut Addo ähnlich schnell angepasst werden. Sie funktionieren, indem ein harmloser Teil des Corona-Genoms auf ein harmloses Virus, den Vektor, verpflanzt wird. Diese Vektoren müssen allerdings gezüchtet werden, was nach
Schätzung von Addo etwa zwei bis drei Monate dauern würde.
„Zumindest, wenn wir nicht alles noch mal durch Phase II und III nudeln müssen“, schränkte Addo mit Blick auf das Zulassungsverfahren mit klinischen Studien ein. Diese Tests hatten bei der aktuellen Generation von Impfstoffen die meiste Zeit gekostet. Das könnte für die Weiterentwicklungen aber nicht nötig sein. Die Europäische Kommission will die Zulassung von Impfstoffen vereinfachen und europaten weit angleichen, Mittel gegen Virusmutationen sollen ein Schnellzulassungsverfahren erhalten: Wenn ein Impfstoff einmal zugelassen ist und nur leicht auf eine neue Variante zugeschnitten wird, können Laborund Tierversuche übersprungen werden. Es reicht, wenn in einer limitierten klinischen Studie an weniger Probanden gezeigt wird, dass das neue Vakzin wirksam gegen die neuen Varianten ist.
Voraussetzung dafür soll sein, dass der Herstellungsprozess der gleiche ist wie vorher: „Eine große Vereinfachung des Prozesses“, sagt Paul-Ehrlich-Institut-Präsident Cichutek. „Vom regulatorischen Verfahren und von der Entwicklung her können solche Sachen in wenigen Wochen bis Monaten geleistet werden“, fügt Cichutek hinzu.
Experten gehen von sechs Wochen Entwicklung plus sechs Wochen Zulassung, zuzüglich klinischer Studien, aus. Das könnte bedeuten,
Studien erforschen Wirkung für Schwangere und Kinder
dass ein angepasster Impfstoff innerhalb von drei Monaten bereits zur Massenproduktion zur Verfügung stehen könnte.
Eine Herausforderung dabei ist, dass die Impfstoffe auch die Wirkung gegen das ursprüngliche Coronavirus nicht verlieren dürfen. „Wenn wir sehen sollten, dass eine Variante zunehmend schwächer neutralisiert wird, wäre eine Möglichkeit, einfach einen weiteren Boost zu machen“, hält BiontechChef Sahin eine Zusatzimpfung mit einer weiteren Dosis für möglich. Das könne die Immunantwort deutlich verstärken. Denkbar wäre es auch, speziell zugeschnittene Zweitdosen gegen Varianten zu impfen.
Nun gehe es aber auch darum, die Wirkung des Impfstoffes an Kindern, Schwangeren und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zu erforschen, damit auch diese Gruppen geimpft werden könnten. Eine Studie mit Schwangeren sei bereits in Arbeit. Dort sei aber nicht mit Problemen zu rechnen. Im Tierversuch hatte bisher keiner der getesteten Impfstoffe eine Auswirkung auf die Embryonalentwicklung. Die Hamburger Virologin Addo hält es zudem für besonders wichtig, dass in allen Ländern der Welt geimpft wird. „Sonst kommt das Problem wieder auf uns zu, weil sich neue Varianten in anderen Ländern entwickeln können und dann wieder eingeschleppt werden“, sagt die Medizinprofessorin.