„In fünf Jahren wird niemand BundesligaSchiri“
Die Schiedsrichtergruppe Augsburg wehrt sich gegen Vorwürfe von Klüngelei und verteidigt das Regelwerk für Auf -und Abstiege. Hier werde Wert auf Transparenz und Leistung gelegt. Fehler seien trotzdem nicht zu vermeiden
Augsburg Das Spiel wiederholt sich Woche für Woche. Die BundesligaPartien sind kaum abgepfiffen, da gehen die Diskussionen um die Schiedsrichterleistungen los. Im privaten Umfeld ebenso wie in den Medien und den sozialen Netzen. Heiß wird gestritten über Fehlentscheidungen, die zum allgemeinen Unverständnis trotz des Video-Kellers passieren. Über mangelndes Fingerspitzengefühl, zu undurchsichtige Entscheidungen oder falsche Abwägungen. Solche Kritik gehört zum Alltag der deutschen Schiedsrichter in der Beletage, aber auch all derjenigen, die in normalen Zeiten allwöchentlich in den unteren AmateurLigen pfeifen. Sie schwanken in ihren Reaktionen dann je nach Gemüt zwischen Rechtfertigungsversuchen, Gesprächsbereitschaft, Ignoranz oder kompletter Abschottung. Groß ist der Aufschrei jedoch selten.
Als kürzlich aber ein junger Bezirksliga-Schiedsrichter aus Schwaben, der für unsere Zeitung arbeitet, öffentlich hier die These aufstellte: „Das Vertrauen in Schiedsrichter ist am Ende“, sah sich Thomas Färber, der Obmann der Schiedsrichtergruppe Augsburg, zu einer Stellungnahme gezwungen. Er sieht sich, seine Kollegen und das gesamte Schiedsrichterwesen pauschalierten Vorwürfen ausgesetzt, die so nicht haltbar und in einigen Behauptungen auch falsch seien. „Ich kann nicht bestätigen, dass das Vertrauen in die Schiedsrichter am Ende sein soll, denn in jenen Zeiten, in denen der Fußball nicht ruht, höre ich immer wieder von den Vereinen und Ehrenamtlichen, wie froh sie sind, wenn zu ihren Spielen ein Schiedsrichter kommt. Es gibt immer einzelne Kritik- und Reibepunkte, wenn Entscheidungen gefällt werden. Aber die pauschale Abkanzelung als „Günstlingswirtschaft mit unqualifizierten Funktionären“ist ein Vorwurf, den man so nicht stehen lassen kann“, sagt Färber.
Er stellt sich vor seine Frauen und Männer in Schwarz, auch wenn er einräumt, dass er nicht für alle Fehler haften kann, die trotz aller Kontrollmechanismen passieren: „Dass es Fehlentscheidungen gibt, das ist völlig klar. Das wird es immer geben. Das passiert bei Fußballspielern auch, dass die ihre Leistung nicht abrufen.“
Färber verteidigt auch nachhaltig das ebenso scharf kritisierte Vorgehen, was die Auf- und Abstiege von Schiedsrichtern betrifft. Die Vorwürfe, subjektive Sympathien einzelner Obmänner würden entscheiden und ältere Kollegen würden sowieso nicht mehr nach oben kommen, seien nachweislich falsch, betont Färber. „Die Frage ist natürlich, wo man hin will. Wenn jemand mit 27 Jahren zum Fußballspielen anfängt, wird er auch nicht mehr Bundesligaprofi“, zieht er einen Vergleich heran. Es gebe in den Statuten aber nur zwei Altersgrenze, die festgeschrieben sind, und zwar jene, dass für Schiedsrichter mit dem Erreichen des 45. Lebensjahres international und in der Bundesliga mit 47 Jahren Schluss ist. „Alle anderen Altersgrenzen wie etwa die von der Kreisliga in die Bezirksliga sind in den vergangenen Jahren sogar abgeschafft worden.“
Färber leugnet nicht, dass gerade junge Kollegen im Schiedsrichterwesen besonders gefördert werden, um sie in die höheren Ligen zu bringen. „Natürlich ist es unsere Aufgabe, einen jungen Schiedsrichter, der Talent hat, zu fördern.“Auch hier
er auf den Fußball, auf die Nachwuchsleistungszentren der Profi-Vereine, die sich möglichst früh die talentiertesten Kandidaten heraussuchen. „Etwas anderes machen wir auch nicht“, sagt Färber und ergänzt: „Wir wissen aber auch, dass wir auch die breite Basis abzudecken haben. Das lässt sich nicht nur mit 15-jährigen Talenten machen. Deshalb setzen wir auf einen guten Altersmix, den wir auch nachweisen können. Das, finde ich, ist nicht verwerflich.“
Trotzdem stehe es außer Frage, dass der Weg bis in die höchste Liga auch für einen Schiedsrichter beschwerlich ist. Aufgrund unzähliger
Observationen, laut Färber, aber auch immer transparent nachvollziehbar. „Viele meinen, sie schlagen die Schiedsrichter-Laufbahn ein und sind in fünf Jahren in der Bundesliga. Das ist natürlich Quatsch“, sagt Georg Schalk, selbst ehemaliger Zweitliga-Referee und Assistent in der Bundesliga, der heute als Pressesprecher für die Schiedsrichtergruppe Augsburg im Einsatz ist.
In Deutschland gebe es aktuell um die 25 Bundesliga-Schiedsrichter und etwa 700 Fußball-Profis. Schalk macht deshalb eine Rechnung auf: „Laut einer Statistik ist es 70 Mal einfacher, Fußball-Profi zu werden als Bundesliga-Schiedsrichter. Klar, dass die Luft dort oben sehr dünn ist“, hält er falschen Vorstellungen und Erwartungshaltungen entgegen. Deswegen entscheide schon längst nicht mehr ein einzelner Obmann über irgendwelche Aufstiegsmöglichkeiten. „Ein Schiedsrichter hat mindestens ein Mal im Jahr die Möglichkeit, aufzusteigen. Da fließen alle Leistungen eines Jahres ein, ab der Bezirksliga mit mindestens sechs bis acht Beobachtungen durch verschiedene Perverweist sonen“, beschreibt Schalk die übliche Vorgehensweise. Ein Gremium aus mehreren Personen entscheide schließlich anhand von Leistungsnachweisen und Berichten, in denen neben messbaren Daten natürlich auch subjektive Eindrücke einfließen.
„Da mag es auch Ausreißer nach oben und unten geben“, sagt Färber, „aber wenn ich zehn oder zwölf Leute habe, die sagen, der Schiedsrichter gehört nach oben, dann ist das aus meiner Sicht deutlich objektiver, als wenn im Fußball nur ein einziger Trainer über einen Spieler entscheidet.“Noten und Rankinglisten seien jederzeit einsehbar. „Da passiert gar nichts im Hinterzimmer.“
Doch wie erklärt sich Färber die Vorwürfe, die durchaus von manchen Seiten bestätigt werden? Färber und Schalk halten das für ein generelles Problem des Sports. Wann immer Wunsch, Anspruch und Wirklichkeit auseinanderdriften. Ähnlich wie bei Eltern, deren Kind beim Spiel nicht zum Einsatz kommt, oder Sportler, die sich als besser einschätzen, als sie sind. „Man kann sicher manches messen, aber wir wissen ganz genau, dass der Sport aus viel mehr besteht“, sagt Schalk. Färber geht noch weiter: „Es äußern sich vor allem immer die Leute, die mit einem System keinen Erfolg haben.“
Wichtig ist dem gelernten Juristen dabei, dass die Schiedsrichtergruppe Augsburg keineswegs Kritik im Keim unterdrücken möchte, sondern sich stellt, sich aber auch als Vertreter und Verteidiger der breiten Schiedsrichterbasis sieht. „Viele Leute haben sich und ihr Ehrenamt bei diesen Vorwürfen nicht abgebildet gesehen. Wir können kritisch mit Dingen umgehen und suchen die Diskussion. Aber wir wollen völlig veraltete Bilder zurechtrücken. Denn viele Schiedsrichter haben sich angegriffen und getroffen gefühlt.“
Und auch zu den Dauer-Diskussionen um Fehlentscheidungen beim Videobeweis hat Ex-Schiedsrichter Georg Schalk noch einen Hinweis parat: „Die Erwartungshaltung, dass mit der Einführung des Videobeweises alle Fehler hinfällig werden, ist unglaublich gestiegen. Doch letztendlich entscheidet hier auch nur der Mensch. Es wird deshalb weiterhin Szenen geben, die nicht bis zur letzten Zufriedenheit abgearbeitet werden können.“