Eine zauberhafte Auszeit von der Pandemie
Das Duo Hochformat erfreut in der Corona-Zeit die Bewohner von Altenheimen mit einem ganz besonderen Programm. Mirjam Kendler und Julia Dietze sind bereits seit vielen Jahren auf Stelzen unterwegs
AmmerseeWest Es ist fast wie im Märchen. Im stockdunklen Innenhof des Seniorenheims Heilig-Geist der Münchenstift tanzen zwei zauberhafte Gestalten in wallenden, blau illuminierten Kleidern auf hohen Stelzen zu der Musik aus der „Fabelhaften Welt der Amélie“. An den hell erleuchteten Fenstern rundherum und auf den Balkonen versammelt sich das Publikum. „Von überall erhalten wir Luftküsse. Manche betagte Zuschauer verfolgen uns sogar mit ihren Rollatoren am Boden. Es ist immer wieder sehr berührend“, berichtet die Schauspielerin Mirjam Kendler, die am Ammersee-Westufer lebt und zusammen mit ihrer künstlerischen Partnerin, der Performerin Julia Dietze, das „Fenstertheater“entwickelt hat.
Eine kleine Auszeit für die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen von der Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen zu bereiten, das ist das Anliegen der beiden Performance-Künstlerinnen vom Duo Hochformat aus dem Landkreis Landsberg. In Corona-Zeiten haben die Stelzen einen großen Vorteil: Sie halten die Performerinnen und ihr Publikum auf den nötigen Abstand. Die Idee zu ihrem Fenstertheater hatten Mirjam Kendler und Julia Dietze bereits im Frühjahr vergangenen Jahres, als Deutschland in den ersten Lockdown versank. So entwickelten sie eine kleine Geschichte für ihr Stelzentanztheater.
Einen großen Befürworter fanden sie in Michael Härteis, dem Kulturbeauftragten von Münchenstift. So hatten sie mittlerweile in fast zehn der insgesamt 14 MünchenstiftHäuser Auftritte – im Frühjahr und Sommer in ihren Blumenkostümen, im Herbst und Winter in den leuchtenden Kleidern, die Adam Stubley aus Türkenfeld für sie vor einigen Jahren für ihre Tollwood-Auftritte entwickelte. „Teilweise waren wir auch zwei oder drei Mal vor Ort, sehr zur Freude der Senioren, aber auch der Pfleger und Betreuer“, berichtet Julia Dietze. Mittlerweile haben die beiden Performerinnen weitere Senioreneinrichtungen angesprochen. Interesse habe unter anderem das Augustinum angemeldet.
Seit mehr als 20 Jahren arbeiten Mirjam Kendler und Julia Dietze zusammen. Beide sind eng befreundet: „Das macht es einfacher, wenn wir auf Tour gehen.“Kendler ist schon mit 14 Jahren erstmals auf Stelzen gestanden und ist dann dabeigeblieben. „Erst später kam ich von den Stelzen zum Schauspiel.“Ihre Freundin Julia brachte sie im Jahr 2000 dazu. „Ich war immer sport- und tanzbegeistert, da war das mit den Stelzen eine gute Kombination“, erinnert sich diese.
Zunächst arbeiteten beide bei den Stelzern in Landsberg. 2007 gründeten sie ihr Duo Hochformat. „Es kommen immer echte Glücksgefühle auf, wenn man sich schon so lange kennt und dann auf Stelzen tanzt.
Eigentlich haben wir ein festes Programm, aber immer mal wieder ergeben sich spontane Improvisationen“, betont Kendler.
Als Duo treten sie im gesamten deutschsprachigen Raum auf – auf Kulturveranstaltungen, Festivals, Messen und Firmenevents sowie in sozialen Einrichtungen. Im Landkreis Landsberg waren sie schon auf dem Kaltenberger Ritterturnier und zur Eröffnung der Kreiskulturtage 2019 zu erleben. Seit fast zehn Jahren sind sie auf dem Münchner Tollwood, im Sommer und im Winter. Auftritte hatten sie außerdem unter anderem bei der Innsbruck@Night, bei Europa op Stelten in Belgien, beim Pflasterspektakel in Linz, bei der Münchner Bundesgartenschau und dem Straßentheaterfestival in Bruneck.
Corona hat auch ihre Pläne durcheinandergewirbelt. „Eigentlich war unser Terminkalender im vergangenen Jahr richtig voll. Dann trudelten immer mehr Absagen ein. Es war sehr deprimierend“, berichtet Dietze. Und auch in diesem Jahr kann man nicht so richtig planen. „Es ist eine permanente Ungewissheit. Und dann steht da noch die Frage im Raum, wer diese Krise überstehen wird – als Agentur, als Veranstalter, als Künstler“, fügt Kendler hinzu.
Bei ihren Auftritten in den Seniorenheimen sei aber deutlich zu spüren, wie sehr die Menschen derzeit Kultur vermissen – „ja regelrecht danach hungern. Und vielleicht führt das auch dazu, dass Kultur und Kunst künftig wieder mehr geschätzt werden“, hofft Dietze. Umso mehr freute es beide Künstlerinnen, dass sie ihr Fenstertheater nun weiterentwickeln können. Gefördert werden sie dafür jetzt vom „Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“.
Die Idee hatten sie schon im ersten Lockdown