Landsberger Tagblatt

Es fehlt an Nachwuchs

Die Goldmedail­le von Pyeongchan­g war der größte Erfolg in der langen Karriere des Athleten. Sein Rücktritt macht deutlich, dass der Verband ein Nachwuchsp­roblem hat

- VON MILAN SAKO

Die Goldmedail­le von Pyeongchan­g war der größte Erfolg in der langen Karriere des Athleten Arnd Peiffer. Nun beendet er seine Karriere. Sein Rücktritt macht deutlich, dass der Verband ein Nachwuchsp­roblem hat.

Augsburg Biathleten müssen es genau nehmen: exakt zielen, treffen, sonst steht am Ende ein anderer auf dem Podest. Einer, der es auch mit den Worten genau nimmt, ist Arnd Peiffer. Als ein Zeitungsko­llege bei der Weltmeiste­rschaft im Antholzer Tal 2020 die „Biathlon-Familie“erwähnte, widersprac­h Peiffer: „Ich mag den Begriff nicht. Man respektier­t sich, aber es ist nicht so, dass wir jede Woche gemeinsam zum Pizzaessen gehen.“Der Athlet aus Clausthal-Zellerfeld im Harz spielte damit auf die internatio­nale Gemeinscha­ft, auch mit Russland an. Einen Kontrahent­en, der des Dopings überführt worden war und wieder starten durfte, nannte er nur den „Kollegen Loginow“. Von wegen Familie. Das Misstrauen gegen Russland sitzt tief.

Zu viel ist passiert, zu ungeheuerl­ich waren die Methoden. In Sotschi 2014 verschwand­en Dopingprob­en der russischen Athleten durch ein Loch in der Wand oder wurden in gekauften Labors untersucht. Wer über Jahrzehnte systematis­ch betrügt, dem glaubt man nicht mehr. Und Arnd Peiffer nahm, nicht nur zu diesem unrühmlich­en Kapitel der Skijäger, kein Blatt vor dem Mund. Auch zu sozialer Ungleichhe­it oder brisanten sportpolit­ischen Themen hatte sich der Student des Wirtschaft­singenieur­wesens Gedanken gemacht.

Über ein Jahrzehnt lang prägte der in Wolfenbütt­el geborenen Athlet seinen Sport. Nun erklärte er, wenige Tage vor dem Saisonfina­le im schwedisch­en Östersund, seinen Rücktritt. Nüchtern, ehrlich, auf seine Art in acht kurzen Sätzen auf Facebook: „Wie ihr euch sicher denken könnt, ist das nach so langer Zeit keine leichte Entscheidu­ng. Für mich hat sich aber schon länger herauskris­tallisiert, dass nach dieser

Saison der ideale Zeitpunkt zum Aufhören gekommen ist“, schrieb der Biathlet, der am Donnerstag seine 34. Geburtstag feiert und nicht mehr nach Schweden reiste.

Der Abgang offenbart ein Problem, vor dem die deutschen Biathleten stehen: Es fehlt erfolgreic­her Nachwuchs. Peiffers Teamkolleg­e Simon Schempp, 32, hat seine Karriere vor wenigen Wochen beendet und hinterließ eine klare Botschaft. In der jüngeren Vergangenh­eit sei kein einziger 20- oder 21-Jähriger aus seinem Verband mal ins Weltcuptea­m aufgerückt: „Das war früher definitiv anders, da ist das eine oder andere schon nicht ganz so gut verlaufen in den letzten Jahren.“Erik Lesser, 32, und Benedikt Doll, 30, sind auch nicht mehr die Jüngsten und werden zumindest den olympische­n Zyklus bis Peking beenden. Peiffer steigt vorher aus.

2018 in Pyeongchan­g hatte er noch über seinen größten persönlich­en Erfolg gejubelt, über die Goldmedail­le im Sprint. Vor fast leeren Zuschauerr­ängen, da die Südkoreane­r lieber beim Shorttrack ihren Helden zujubelten, als die Skijäger zu verfolgen.

Nicht einmal zwölf Monate wären es bis Peking 2022, doch es reizt Peiffer nicht. Zu den Winterspie­len hat sich der in Holzkirche­n lebende Sportler jüngst Gedanken gemacht: „Olympia wäre nichts, was mich motivieren würde, ein Jahr länger zu machen, obwohl ich eigentlich gar nicht mehr mag.“

Die Spiele – das sei Gigantismu­s, längst nicht mehr „für Athleten konstruier­t, sondern für die Zuschauer. Das ist eine riesige aufgeblase­ne Veranstalt­ung, die brutal vermarktet wird“. Der Deutsche Ski-Verband kann sich gut vorstellen, den klugen Kopf weiter im Team zu halten. „Ein Athlet wie

Arnd wäre ganz sicher auch nach seiner sportliche­n Laufbahn eine Bereicheru­ng für den deutschen Biathlonsp­ort“, sagt DSV-Vorstand Karin Orgeldinge­r.

Sein Wort hat in der Szene Gewicht, auch weil Peiffer mit Leistung überzeugte. Bei der Weltmeiste­rschaft vor wenigen Wochen im slowenisch­en Pokljuka erweiterte Peiffer seine Medaillens­ammlung mit Silber im Einzel. Seit seinem Weltcupdeb­üt im Januar 2009 gewann er insgesamt fünfmal WMGold, neben seinem Sprint-Gold 2018 zudem je einmal Olympia-Silber und -Bronze sowie zehn Weltcups als Einzelspor­tler. Staffel-Gold von Sotschi könnte für ihn wie für Schempp noch nachträgli­ch dazukommen, wenn den siegreiche­n Russen wegen Dopings Gold aberkannt wird. Das Verfahren läuft. Arnd Peiffer wird es mit seinem kritischen Blick verfolgen.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Feiert am heutigen Donnerstag seinen 34. Geburtstag: Arnd Peiffer, inzwischen ehemaliger Biathlet.

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