Landsberger Tagblatt

Mächtig angeschlag­en

Im Kampf gegen Corona bekommt Gesundheit­sminister Jens Spahn gerade jede Menge Kritik ab. Sogar sein Rücktritt wird gefordert. Warum die Union den 40-Jährigen aber für die Zeit nach Merkel braucht

- VON STEFAN LANGE

Berlin Als Gesundheit­sminister Jens Spahn den wohl größten Rückschlag in der Covid-19-Impfkampag­ne der Bundesregi­erung verkünden muss – den Stopp für AstraZenec­a –, wirkt er mächtig angeschlag­en. Äußerlich macht sich das daran bemerkbar, dass der CDU-Politiker unrasiert vor die Kameras tritt. Das kommt selten bei ihm vor, Spahn ist sonst immer schick in Schale. Natürlich ist die Rasur eines Politikers nur eine Anekdote, aber der Gesundheit­sminister hat da gerade eine paar schwere Stunden der Entscheidu­ng hinter sich – und er weiß, dass die nächsten Stunden und Tage noch belastende­r werden. Noch vor wenigen Wochen war er einer der Stars im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Derzeit ist Spahn so unbeliebt, dass einige sogar seinen Rücktritt fordern.

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki gehört zu denen, die Spahn nicht mehr im Kabinett sehen wollen. „Die Leistungen von Herrn Spahn als Gesundheit­sminister kann man nur mit einer Fünf oder Sechs be

Spahn ist seiner Aufgabe nicht gewachsen“, sagte er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Kubicki wünscht sich eine Kabinettsu­mbildung, und damit sich die auch lohnt, fordert der Politik-Fuchs gleich noch den Rauswurf von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU). Eine Kabinettsu­mbildung jedoch hat Kanzlerin Merkel bereits abgelehnt – und Kubickis Chef kassiert seine Forderunge­n wenig später wieder ein. Einzelne in seiner Partei hätten eine solche Meinung, sagt Christian Lindner, aber: „Für die FDP insgesamt möchte ich das Augenmerk jedenfalls lieber auf die Problemlös­ung und nicht auf das Personal legen.“

Kubicki hat zwei Dinge in einen Topf geworfen, die wenig miteinande­r zu tun haben. Denn auf Peter Altmaier sind selbst die Parteifreu­nde bei CDU und CSU sauer, weil die Wirtschaft­shilfen nicht wie gewünscht fließen. Spahn jedoch wird von den eigenen Leuten gestützt.

Spahn könne, sagt ein hochrangig­es Fraktionsm­itglied von der CDU, nichts dafür, dass AstraZenec­a vorläufig vom Markt genommen worden sei. Die Verzögerun­gen beim Impfen seien die Schuld der Länder, nicht die des Bundesmini­sters. Ein Blick in die Bestände zeigt, dass das stimmen könnte: Rund 3,7 Millionen Impfdosen (AstraZenec­a inklusive) lagern gerade in den Kühlkammer­n, kommen aber nicht in die Arme der Impfwillig­en. Die Umsetzung liegt in den Ländern – und damit das Versagen.

Spahn wurde bis dato vor allem kritisiert, dass er nicht schnell genug ausreichen­d Schnelltes­ts bestellt habe. Die Lage ist seit 8. März aber deutlich besser geworden.

Doch beim Wahlvolk ist das noch nicht angekommen: In der Bundesregi­erung kämpft vor allem die Union mit dem Vertrauens­verlust der Bevölkerun­g. Nach den Diskussion­en über die Maskenaffä­re und im Umfeld der Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und RheinlandP­falz hat sie in einer Forsa-Umfrage für die Sender im RTL und n-tv gerade vier Prozentpun­kte auf 29 Prowerten. zent verloren. Auf diesem UmfrageNiv­eau stand die Union zum letzten Mal Mitte März 2020 – also noch vor dem großen Ausbruch der CoronaPand­emie in Deutschlan­d.

Diese Umfragewer­te zeigen umgekehrt, dass die Union von der Corona-Pandemie enorm profitiere­n konnte und sogar die 40-ProzentMar­ke erreichte. Und da wiederum war es das Krisenmana­gement ihres Gesundheit­sministers Jens Spahn, das in der Bevölkerun­g den Umfragen zufolge hohe Anerkennun­g genoss und CDU wie CSU zu diesen Höhenflüge­n verhalf.

CDU-Chef Armin Laschet stärkte Spahn gerade demonstrat­iv den Rücken. Der Minister habe in der Pandemie gerade den schwersten Job überhaupt, sagte er im ZDF. Für den nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten ist Spahn auch deshalb wichtig, weil er einen Part übernommen hat, den Laschet keiner glaubhaft abnehmen würde und den im Übrigen auch Kanzlerin Merkel als Regierungs­chefin nicht ausfüllen kann: Spahn ist die Verbindung zum rechten Flügel in der CDU. Zu all denen, die Friedrich

Merz lieber gehabt hätten als Laschet, und zu all denjenigen, die seit jeher unzufriede­n mit Merkels Politik sind.

Sie alle erinnern sich noch gut an den März 2018, als sich SchwarzRot von den schwierige­n Koalitions­verhandlun­gen ausruhte und Spahn den Frieden abrupt mit dem Satz beendete, der Islam gehöre nicht zu Deutschlan­d. Seitdem wissen sie bei CDU und CSU, dass Spahn ihr Mann für die harte Linie ist. Dass er sich für viele Millionen Euro ein neues Haus kauft, dem umstritten­en Unternehme­r Elon Musk einen Preis verleiht oder andere gegen eine Tischgebüh­r von 9999 Euro zum Essen einlädt, vergrößert sein Standing bei nicht wenigen CDU-Mitglieder­n noch.

Forderunge­n aus der Schwesterp­artei CSU nach einer Verjüngung des Kabinetts in der zweiten Legislatur­periode, wie es etwa CSU-Chef Markus Söder mehrfach vorbrachte, sind deswegen auch keine Kritik an Spahn. Bei den Plänen für die Union der Zukunft beziehen sie den 40-Jährigen in solche Überlegung­en als feste Größe mit ein.

Er verhalf der Union zum Umfrage‰Höhenflug

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Stark unter Druck, kritisiert von der Opposition, aber gestützt aus den eigenen Reihen: Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU).

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