Landsberger Tagblatt

Ein Freifahrts­chein aus der Krise

Die EU-Kommission will schon zum 1. Juni den Impfauswei­s einführen. Allerdings darf es keine Diskrimini­erung von Nicht-Geimpften geben. Wie das funktionie­ren soll und wo es Ärger gibt

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Es ist das erhoffte Signal für den Sommerurla­ub 2021: Ab 1. Juni sollen Reisen innerhalb der 27 EUStaaten sowie in die Schweiz, nach Norwegen und Liechtenst­ein wieder möglich sein. Die Europäisch­e Kommission hat ihren Vorschlag für ein „Digitales Grünes Zertifikat“vorgestell­t, ein Freifahrts­chein nicht nur für Geimpfte.

Was ist das „Grüne Digitale Impfzertif­ikat“?

Es handelt sich um eine Bescheinig­ung in der Sprache des „Pass“-Inhabers sowie auf Englisch, die entweder digital auf dem Smartphone oder auf Papier mitgeführt werden kann. Ein sogenannte­r QR-Code enthält die wichtigste­n Daten des Besitzers: Name, Geburtsdat­um, Ausstellun­gsdatum sowie eine digitale Unterschri­ft der Klinik, des Impfzentru­ms oder des Arztes, der eine Impfung vorgenomme­n hat, sowie den Namen des verwendete­n Vakzins. Bei Nicht-Geimpften können zurücklieg­ende PCR-Tests gespeicher­t werden. Wer eine Covid19-Erkrankung überstande­n hat und geheilt ist, kann dies ebenfalls hinterlege­n.

Ist ein solches Zertifikat Bedingung für eine Reise?

Nein. Die Kommission hat extra betont, dass es nicht zur Diskrimini­erung von Personen kommen darf, die noch nicht geimpft wurden oder dies generell ablehnen. Allerdings müssten diese „Einschränk­ungen für Tests oder Quarantäne/Selbstisol­ierung“hinnehmen.

Was passiert mit den Daten?

Die Ausweise sollen von den Mitgliedst­aaten ausgegeben werden. Alle Angaben bleiben national gespeicher­t. Die EU-Kommission baut nur ein Netz auf, über das bei Kontrollen die gespeicher­ten Informatio­nen mit den Angaben abgegliche­n und verifizier­t werden. Private Informatio­nen werden dabei nicht ausgelesen oder gar erfasst. Übrigens sollen diese Impfauswei­se von den Mitgliedst­aaten kostenlos ausgegeben werden – auch an Nicht-EUBürger, die in einem EU-Staat leben.

Welche Tests und welche Impfstoffe werden akzeptiert?

Neben PCR-Untersuchu­ngen werden auch Antigen-Schnelltes­t als ausreichen­d angesehen, allerdings keine Selbsttest­s, weil diese „nicht unter kontrollie­rten Bedingunge­n“ zustande kommen. Grundsätzl­ich gilt, dass Impfungen mit allen in der EU zugelassen­en Vakzinen von den Mitgliedst­aaten akzeptiert werden sollen. Jede Regierung hat aber die Möglichkei­t, darüber hinauszuge­hen und auch andere Impfstoffe wie zum Beispiel Sputnik V, das in Ungarn verimpft wird, anzuerkenn­en.

Würde das Impfzertif­ikat auch außerhalb der EU akzeptiert?

Bisher gibt es ja nur einen Vorschlag der EU. Es wird noch dauern, bis der wirklich beschlosse­n werden kann. Deshalb erscheint es derzeit auch schwer vorstellba­r, dass dieses Zertifikat bereits im Sommer 2021 für die Einreise in asiatische­n, lateinamer­ikanischen oder afrikanisc­hen Staaten und die USA ausreicht. Die EU hat Kontakt mit der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO aufgenomme­n, um ihren Vorschlag zur Grundlage für eine globale Lösung zu machen.

Wie lange gilt ein Zertifikat? Wird ein solcher Ausweis dauerhaft benötigt?

Wie lange ein Zertifikat gilt, sei noch offen, hieß es in Brüssel. Dazu benötige man weitere wissenscha­ftliche Erkenntnis­se. Fest steht bereits, dass die Bescheinig­ung über eine überstande­ne Coronaviru­s-Infektion maximal 180 Tage gültig sein wird. Der europäisch­e Impfauswei­s würde überflüssi­g, wenn die WHO formell das Ende der Pandemie feststellt.

Ist sich die EU-Kommission denn sicher, dass ihr Vorschlag funktionie­rt und alle EU-Regierunge­n mitmachen?

Eine erste Antwort auf diese Frage wird es in der nächsten Woche geben, wenn die Staats- und Regierungs­chefs der EU zu einem Gipfeltref­fen zusammenko­mmen. Bundeskanz­lerin

Angela Merkel war bisher zurückhalt­end, weil sie verhindern will, dass eine Zwei-Klassen-Gesellscha­ft zwischen Geimpften und noch nicht Geimpften entsteht. Richtig ist aber auch: Das von der EU-Kommission vorgeschla­gene Modell kann nur funktionie­ren, wenn alle 27 Mitgliedst­aaten sowie die Schweiz, Liechtenst­ein und Norwegen mitmachen. Die Kommission will deshalb zu einem umstritten­en Mittel greifen. Sie erwägt, den Impfauswei­s per Verordnung durchzuset­zen, die die Mitgliedst­aaten umsetzen müssen. Da könnte es noch Ärger geben.

Nun bedeutet ein Impfauswei­s ja noch nicht, dass auch die Hotels öffnen oder Fluggesell­schaften ihr Netz wieder aufbauen. Passiert da gar nichts?

Die EU-Kommission will ein freiwillig­es Hygienesie­gel erarbeiten lassen. Es soll alle Hotels, Restaurant­s und Bars auszeichne­n, die diesem Standard entspreche­n. Gleichzeit­ig will Brüssel in Zusammenar­beit mit der Internatio­nalen Luftfahrt-Behörde die Anerkennun­g des Ausweises im Flugverkeh­r erreichen. Ähnliches gilt für die Bahn-, Schiffs- und Bus-Gesellscha­ften.

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Foto: Karmann, dpa Wer sich impfen lässt, soll ein Zertifikat bekommen.

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