Gegen den Fachkräftemangel von morgen
Die Regierung erhöht in der Corona-Krise die Azubi-Prämien und gewährt sie auch größeren Firmen
Berlin Kein Tag der offenen Tür, kaum Praktika und abgesagte Ausbildungsmessen: Die Corona-Pandemie erschwert den Berufseinstieg vieler junger Menschen. Nachdem die Zahl der Ausbildungsverträge 2020 im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent gesunken ist, droht sich die Krise zu verschärfen. Das Bundeskabinett reagiert und beschloss am Mittwoch, das Förderprogramm „Ausbildungsplätze sichern“auszubauen. Ziel: eine coronabedingte Krise am Ausbildungsmarkt zu verhindern – und einen weiteren Fachkräftemangel. „Gerade jetzt ausbilden!“lautete die Botschaft von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Die Unsicherheit ist groß auf dem Ausbildungsmarkt – nicht nur bei Betrieben. Viele Jugendliche hätten bereits jetzt gut die Hälfte ihrer Ausbildung im Ausnahmezustand gelernt, sagte die Vize-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Elke Hannack. Das Maßnahmenpaket vom Bund gebe den Akteuren etwas Sicherheit.
Für das Förderprogramm stehen nach Angaben der Regierung 2021 und 2022 bis zu 700 Millionen Euro zur Verfügung. Vorgesehen ist, dass auch Unternehmen mit bis zu 499 Mitarbeitern die Azubi-Prämien bekommen können, wenn sie trotz coronabedingter Schwierigkeiten weiter ausbilden. Bisher lag die Grenze bei maximal 249 Mitarbeitern. Außerdem ist eine Verdoppelung der Prämien für solche Betriebe geplant, die trotz großer wirtschaftlicher Probleme wegen Corona ihre Ausbildungsplätze
erhalten oder sogar ausbauen – sie können künftig bis zu 6000 Euro pro Ausbildungsplatz bekommen. Der Bund will sich zudem an der Finanzierung von Lehrgängen für Azubis beteiligen, die vor der Abschlussprüfung stehen – und es soll Prämien für Betriebe geben, die Azubis von insolventen Betrieben übernehmen. Auch Firmen, die ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen und dennoch weiter ausbilden, erhalten Zuschüsse.
Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt war auch schon vor Corona angespannt. Sowohl das Angebot an Plätzen als auch die Nachfrage nach Lehrstellen war rückläufig, was die Sorgen vor einem künftigen Fachkräftemangel wachsen ließ. Setze sich der Trend fort, drohe innerhalb von zwei Jahren ein Verlust von fast 100 000 Neuverträgen, so Hannack.
Im Kampf gegen Fachkräftemangel sei Ausbildung der beste Impfstoff, unterstrich Heil. „Die Azubis von heute, das sind die Fachkräfte von morgen.“Der Bundesminister forderte eine Kraftanstrengung, die über staatliches Handeln hinausgehen müsse. Es brauche einen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Wirtschaft, um einen CoronaJahrgang in der Ausbildung zu vermeiden. Die IG Metall sieht die Unternehmen in der Pflicht. „Die Betriebe müssen mehr Bereitschaft zeigen, sich für alle Jugendlichen zu öffnen und die Förderprogramme zu nutzen“, sagte Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) spielte den Ball an den Staat zurück. Dieser sei gefordert, bei Jugendlichen für die berufliche Ausbildung zu werben, sagte der Leiter der Bildungsabteilung, Jörg Friedrich. Jordan Raza, dpa