Landsberger Tagblatt

Politik der kleinen Schritte

Mediziner schlagen Alarm

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Dass Frankreich nicht viel Spielraum in Sachen Covid-19 hat, gibt Gesundheit­sminister Olivier Véran zu. „Die Situation ist angespannt und besorgnise­rregend“, sagte er in seiner wöchentlic­hen Pressekonf­erenz zur Corona-Lage. Dennoch setzt die Regierung seit Ende des zweiten Lockdowns auf eine Politik der kleinen Schritte. Es gilt zwar eine landesweit­e Ausgangssp­erre zwischen sechs Uhr abends und sechs Uhr morgens, doch abgesehen davon hat Frankreich nur lokale Lockdowns beschlosse­n. Und selbst die verhängt man nur nach langem Zögern. Die Regierung hofft, die Pandemie trotzdem im Griff behalten zu können. Doch Virologen sagen, die Lage sei außer Kontrolle, und bezweifeln, dass die Strategie ausreichen wird. Die Zahlen sind im tiefroten Bereich. Rund 4000 Menschen liegen im Moment auf Intensivst­ationen in Frankreich. So viele wie Ende November, mitten im zweiten Lockdown. Die Inzidenz liegt in Paris bei 340 – fast schon wenig im Vergleich zum Süden des Landes, wo die Werte teils über 500 geklettert waren. Die regionale Gesundheit­sbehörde empfahl zudem Krankenhäu­sern in Ile-de-France, 40 Prozent der Operatione­n, die nichts mit Covid-19 zu tun haben, zu verschiebe­n. Trotzdem werden die Maßnahmen nicht verschärft. In Paris wehrt sich etwa Bürgermeis­terin Anne Hidalgo gegen einen erneuten Lockdown, den sie als „unmenschli­ch“bezeichnet. Für Micrea Sofonea, Epidemiolo­ge an der Universitä­t von Montpellie­r im Süden Frankreich­s, war Ende Januar ein Wendepunkt. „Seitdem will die Regierung sich nicht mehr auf die Meinung der Wissenscha­ftler verlassen, ist ihnen gegenüber sogar misstrauis­ch“, sagt er. „Das ist schade – denn je früher man beschränke­nde Maßnahmen ergreift, desto wirksamer sind sie und desto früher kann man auch wieder alles öffnen.“

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