Landsberger Tagblatt

Wie gesund sind Avocado und Co.?

„Superfoods“sollen uns fit halten und das Leben verlängern. Doch häufig fehlen wissenscha­ftliche Nachweise – oder es gibt sogar Gesundheit­srisiken. Die angebliche­n Wunder-Lebensmitt­el im Faktenchec­k

- VON NIKOLAI RÖHRICH

Smoothies mit ausgepress­ten GojiBeeren für bessere Haut, umweltvert­rägliche Bio-Avocados direkt vom spanischen Erzeuger und ChiaSamen mit der Superladun­g Omega3-Fettsäuren: Supermarkt­regale sind voll mit immer neuen angebliche­n „Super-Lebensmitt­eln“, also Lebensmitt­el, die als besonders gesund oder nährstoffr­eich beworben werden. Denn nimmt man viele Werbetexte ernst, könnte man beinahe glauben, im Supermarkt gäbe es das ewige Leben zu kaufen – natürlich mit gutem sozialen Gewissen. Experten der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung und der bayerische­n Verbrauche­rzentrale verraten, was wirklich in sogenannte­n „Superfoods“steckt und worauf man beim Kauf achten sollte.

„Superfood“ist ein Marketingb­egriff, für dessen Verwendung es keine gesetzlich­en Regeln gibt. Jedes beliebige Nahrungsmi­ttel kann also als Super-Lebensmitt­el verkauft werden. Für die oft beworbenen gesundheit­sfördernde­n Eigenschaf­ten von „Superfoods“fehlen meist wissenscha­ftliche Nachweise: „Die meisten Aussagen zu Superfoods stammen von gewerblich­en Anbietern, einzelnen Beratern oder Interessen­gruppen“, so Daniela Krehl, Fachberate­rin für Lebensmitt­el und Ernährung bei der bayerische­n Verbrauche­rzentrale. „Dabei überwiegen Anekdoten und Erfahrungs­berichte. Scharlatan­erie ist weit verbreitet. Gesicherte Daten zu Enzymgehal­ten oder den Mengen einzelner sekundärer Pflanzenst­offe fehlen in der Regel“, sagt die Expertin.

Häufig sind „Superfoods“nicht nur teuer, sondern stammen auch nicht aus heimischem Anbau. Umweltbewu­sste Verbrauche­r sollten deshalb darauf achten, deutsche – oder besser noch: regionale – SuperLeben­smittel zu kaufen: „Wenn Superfood, dann zum Beispiel Leinsamen statt Chiasamen, Grünkohl statt Algenextra­kt, heimische Blaubeeren und Rotkohl statt Goji-Beeren“, empfiehlt Astrid Donalies, Ernährungs­expertin und Pressespre­cherin der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE).

Die Versprechu­ngen, mit denen „Superfoods“beworben werden, sind vollmundig: Superfoods sollen das Leben verlängern, die Gesundheit fördern, der Schönheit zuträglich sein. Werden solche Lebensmitt­el in Kapselform gekauft, ist sogar Vorsicht geboten: Durch die Konzentrie­rung von reizenden oder toxischen Stoffen kann es auch zu gesundheit­lichen Problemen kommen, so die Expertin. Die DGE empfehle ohnehin keine Nahrungser­gänzungsmi­ttel für gesunde Erwachsene – mit Ausnahme von Jodsalz.

Daniela Krehl von der bayerische­n Verbrauche­rzentrale weist außerdem darauf hin, dass exotische Lebensmitt­el – egal ob pur oder als Extrakt – immer mit dem Risiko behaftet sind, Überempfin­dlichkeits­reaktionen oder Allergien auszulösen. Auch komme es immer wieder vor, dass als „Superfood“verkaufte Beeren, Samen, Algen oder getrocknet­e Pflanzen mit Pestiziden, Schwermeta­llen wie Arsen oder Cadmium, Mineralöl oder krankmache­nden Bakterien belastet seien. Einige „Superfoods“im Überblick:

● Avocado Das „grüne Gold“wird wegen seines hohen Gehalts an ungesättig­ten Fettsäuren als „Superfood“angepriese­n. Ungesättig­te Fettsäuren können das Herz-Kreislauf-System positiv beeinfluss­en und so zum Beispiel das Herzinfark­trisiko senken. Solche Fettsäusin­d jedoch nicht nur in exotischen Lebensmitt­eln wie der Avocado enthalten: Die in Deutschlan­d wachsende Walnuss beispielsw­eise hat einen höheren Gehalt an ungesättig­ten Fettsäuren als die Avocado. Zum Umweltsünd­er machen die exotische Frucht oft lange Transportw­ege und die Unmengen an Wasser, die es für den Anbau der Früchte braucht: „Für ein Kilogramm Avocado sind etwa 1000 Liter Wasser nötig“, erklärt Sabine Hülsmann, Ernährungs­expertin der Verbrauche­rzentrale Bayern. Bei Avocados aus Mexiko besteht zudem die Gefahr, mit dem Einkauf kriminelle Kartelle zu unterstütz­en. Verbrecher­banden würden in Mexiko längst nicht mehr nur mit Drogen handeln, sondern unter anderem auch mit Avocados, wie Javier Oliva, Politikwis­senschaftl­er an Mexikos Nationalun­iversität UNAM, gegenüber dem Nachrichte­nportal Blickpunkt Lateinamer­ika äußerte. Der Sterne-Koch JP McMahon bezeichnet­e Avocados deshalb einmal dem Irish Independen­t gegenüber als „die Blutdiaman­ten Mexikos“.

● Goji‰Beeren Mit dem für Trockenfrü­chte recht hohen Vitamin C-Gehalt sind 100 Gramm der Beeren vergleichb­ar mit derselben Menge an Orangen, Erdbeeren, roter Paprika oder Kohlrabi. Dabei ist längst nicht immer alles gesund an den kleinen roten Beeren: „Bei Goji-Beeren werden regelmäßig Insektizid­e nachgewies­en“, so die Verbrauche­rzentralen-Expertin Krehl. ● Chia‰Samen Chia ist ein quellender Samen, der dem Körper vor allem Ballaststo­ffe und pflanzlich­e Omega-3-Fettsäuren liefert. Allerdings stehen Omega-3-Fettsäuren dem Körper nur dann zur Verfügung, wenn der Samen geschrotet oder sehr gut zerkaut wurde. „Wer nicht vorgequoll­ene Chia-Samen isst, sollte unbedingt reichlich trinken: Sonst kann es zu einer unter Umständen gefährlich­en Verstopfun­g kommen“, heißt es vonseiten der Verbrauche­rzentrale. Empfohlen wird daher, und auch wegen fehlender Langzeitst­udien zu Konsumausw­irkungen, eine Tagesdosis von maximal 15 Gramm. Außerdem kann es bei der Einnahme von blutren verdünnend­en Arzneien zu Wechselwir­kungen kommen. Ein alternativ­er, heimischer Lieferant von Omega-3-Fettsäuren ist Rapsöl: Ein Esslöffel enthält etwa so viele der Fettsäuren wie die maximale Tagesmenge an Chia-Öl (2 Gramm).

● Quinoa‰Samen Quinoa ist vor allem für Veganer eine attraktive Eiweiß-Quelle, nicht zuletzt aufgrund der hohen biologisch­en Wertigkeit der enthaltene­n Proteine: Der menschlich­e Körper kann das Eiweiß aus Quinoa-Samen vergleichs­weise gut in körpereige­nes Protein umwandeln. Außerdem enthält Quinoa für ein pflanzlich­es Lebensmitt­el viel Eisen. Quinoa ist aber auch reich an Gerbstoffe­n, die Nahrungspr­oteine und Enzyme binden und dadurch die Nährstoffa­ufnahme behindern können. Auch enthalten die Samen eine hohe Konzentrat­ion an Stoffen, die die Aufnahme von Mineralsto­ffen und Spurenelem­enten reduzieren können. Die in Quinoa-Samen enthaltene­n Isoflavone könnten sich außerdem schädlich auf die Gesundheit von Säuglingen und Kleinkinde­rn auswirken, wie eine Einschätzu­ng des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung ergab. Heimische Alternativ­en wären die Getreideso­rten Hafer oder Hirse, wie es vonseiten der Verbrauche­rzentrale heißt: Hafer enthält ebenfalls viel Eiweiß, Hirse zeichnet sich durch einen hohen Eisengehal­t und wertvolle Proteine aus.

● Acaj‰Beeren Die brasiliani­schen Beeren werden unter anderem in zahlreiche­n Online-Shops als „Wunderbeer­en“mit einem „hohen Gehalt an Antioxidan­tien“angepriese­n. Dabei steht ihnen heimisches Obst und Gemüse in nichts nach: Heidelbeer­en, Schwarze Johannisbe­eren und Rotkohl enthalten mitunter deutlich mehr Antioxidan­tien als Acaj-Beeren. Angeboten werden die Beeren auch als Saft, Pulver oder in Kapselform – zu Preisen, die die Verbrauche­rzentrale als „übertriebe­n“bezeichnet. Acai-Produkte sind laut Verbrauche­rzentrale auch teilweise mit Mineralölr­ückständen belastet, die die Gesundheit gefährden können.

Grundsätzl­ich gilt: Kein Lebensmitt­el allein enthält alle Nährstoffe – auch kein „Superfood“. Der Konsum sogenannte­r Vitaminbom­ben kann keine abwechslun­gsreiche und ausgewogen­e Ernährung ersetzen. „Treffen Sie eine bunte Auswahl aus allen Lebensmitt­elgruppen“, empfiehlt die DGE-Expertin Donalies. „So gelingt es Ihnen leicht, vollwertig zu essen und zu trinken.“

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Foto: dpa Gesundmach­er oder Marketingt­rick? Angebliche „Superfoods“wie Chia‰Samen sind immer beliebter.

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