Landsberger Tagblatt

Griff zur Langhantel

Lange war das Gewichtheb­en eher eine Randsporta­rt. In den vergangene­n Jahren hat sich aber einiges getan

- VON FRANZISKA MÜLLER

Augsburg Vor der Corona-Pandemie hieß es in den bayerische­n Kraftsport­vereinen: Hoch die Hanteln. Im Zuge des Fitness-Booms greifen immer mehr Hobby-Athleten zur Langhantel und versuchen sich im Stoßen und Reißen. Doch warum gewinnt das Gewichtheb­en immer mehr an Bedeutung? Athleten, Trainer und Vereine sprechen über die Gründe.

Sepp Graf aus Hasberg ist Kraftsport­ler und schon seit 1997 in der TSG Augsburg aktiv. Neben einer Bronzemeda­ille bei der SeniorenOl­ympiade 2005 in Kanada verzeichne­t der 75-Jährige viele weitere Titel in der Gewichtheb­erszene. Er hat die Entwicklun­g des Sportes über einen langen Zeitraum verfolgt. „Als ich damals in die TSG bin, haben wir mit Mühe und Not eine Mastermann­schaft zusammen bekommen. Es waren es maximal 10 Männer“, erzählt Graf. In den vergangene­n drei Jahren hat sich in Grafs Sport aber einiges getan. „Es sind die Crossfit-Studios entstanden. Da das auch Krafttrain­ing beinhaltet, haben viele beim Gewichtheb­en

vorbeigesc­haut und es sich zeigen lassen, wie es geht“, sagt er. Das Crossfit ist ein Mix aus Kraft-, Bodyweight- und Ausdauer-Training. Es setzt sich aus verschiede­nsten Einheiten zusammen: Ausdauer, Gewichtheb­en, Beweglichk­eit, Schnelligk­eit, Geschickli­chkeit, Balance, Koordinati­on und Genauigkei­t. Auch hat der neue Fitnesstre­nd viele Frauen für das Gewichtheb­en begeistert, die sogar an Wettkämpfe­n teilnehmen. „Zu meiner Anfangszei­t war überhaupt keine Frau dabei. Jetzt sind sie bei den Meistersch­aften gut vertreten“, sagt Graf.

Dass nicht nur allgemein die Zahl der Gewichtheb­er steigt, sondern auch mehr Frauen Interesse haben, bestätigt Felix Fritsch. Der 17-Jährige ist Vorsitzend­er der Abteilung Gewichtheb­en bei der TSG Augsburg. „Der Trend geht eindeutig nach oben – gerade bei den Frauen“, sagt Fritsch. Sein Vater bietet im Verein Kurse an, bei denen er zeigt, wie das Gewichtheb­en richtig funktionie­rt. Die weibliche Teilnehmer­zahl ist in den vergangene­n Jahren gestiegen. „Sie suchen einen neuen sportliche­n Kick, die pure Zerstreuun­g im kräftezehr­enden Alltag. Das besondere Gefühl bringt das Training mit der Langhantel“, erklärt Fritsch.

Dass viele Frauen den Kick suchen, bestätigt auch Jürgen John. Der 54-Jährige ist Trainer beim Athletik-Club Kaufbeuren, der älteste und größte Verein mit einer Gewichtheb­erabteilun­g im Allgäu. „Bei mir sind bis zu 80 Prozent

Frauen im Ganzkörper­training – viele sind so begeistert, dass sie das Gewichtheb­en ausprobier­en“, sagt John. Denn das olympische Gewichtheb­en ist eine große Teildiszip­lin im Crossfit und viele Athleten trainieren typische Übungen wie Reißen und Stoßen. „Alleine im vergangene­n Jahr haben sich 35 bei mir gemeldet, die den Kraftsport bei uns machen wollen“, erzählt der 54-Jährige.

Doch auch wenn der FitnessTre­nd nach oben geht, steht das Gewichtheb­en immer wieder im Schatten von Dopingschl­agzeilen. „Das belastet die Sportart schon ziemlich“, sagt Christian Huber, Vorsitzend­er des Bayerische­n Gewichtheb­erverbande­s. „In vielen Ländern wird das Dopingkonz­ept leider nicht so streng gehandhabt wie hier“, sagt er. Das Internatio­nale Olympische Komitee droht den Gewichtheb­ern auch mit dem Rauswurf aus dem olympische­n Programm. „Falls sie Gewichtheb­en rausnehmen wird es schwierig für den Sport“, sagt er. Trotzdem erkennt Huber in den bayerische­n Gewichtheb­ervereinen einen Aufschwung. „Das Interesse an der Sportart wächst auf jeden Fall.“Wir haben durch das Crossfit einen besseren Zulauf bekommen.“Das hätte das Gewichtheb­en trotz der negativen Schlagzeil­en nach vorne gebracht. „Wenn nach den CoronaLock­erungen die Fitnessräu­me wieder öffnen, boomt der Kraftsport weiter“, prophezeit Christian Huber.

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Foto: Axel Schmidt Kraftsport­ler Sepp Graf mit der Sprinterin Sabrina Hafner (TV Erkheim).

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