Landsberger Tagblatt

Hat die CSU ein Amigo‰Problem?

Genau wie Alfred Sauter sollte auch Georg Nüßlein eigentlich sogar 1,2 Millionen Euro Provision kassieren. Umfragen zeigen, wie massiv die dubiosen Geschäfte ihrer Abgeordnet­en am Vertrauen in die Partei kratzen

- VON MARGIT HUFNAGEL, FABIAN KLUGE, HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

Augsburg Die Bundestags­wahl ist in Sichtweite, die Corona-Politik polarisier­t die Bevölkerun­g immer stärker. Inmitten dieser angespannt­en Lage trifft die Masken-Affäre die CSU ins Mark. Obwohl Ministerpr­äsident Markus Söder versucht, Schaden von der eigenen Partei abzuwenden, ist der Vertrauens­verlust in der Bevölkerun­g bereits jetzt massiv – und das nicht nur in der Frage, wen die Deutschen wählen würden. Das Misstrauen sitzt tiefer: Fast drei Viertel der Bürger sehen in den fragwürdig­en Geschäften der Abgeordnet­en Georg Nüßlein und Alfred Sauter keine Einzelfäll­e, sondern ein grundsätzl­iches Problem der Partei, die im Freistaat seit Jahrzehnte­n den Ton angibt.

In einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey im Auftrag unserer Redaktion bezeichnen 72 Prozent der Teilnehmer die bayerische Regierungs­partei als besonders anfällig für unsaubere Geschäfte. Mehr als die Hälfte der Befragten findet sogar, die CSU habe „auf jeden Fall“ein AmigoProbl­em. Selbst 46 Prozent der Unions-Anhänger glauben, dass es ein generelles Defizit bei der Trennung von finanziell­en Privatinte­ressen und politische­r Arbeit gibt.

Fast täglich schaden neue Nachrichte­n dem Ansehen der CSU. Am Mittwoch gerät der langjährig­e Landtagsab­geordnete Alfred Sauter ins Zentrum der Affäre. Dass die Justiz ausgerechn­et gegen den früheren Justizmini­ster wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit ermittelt, erschütter­t dessen Partei in ihren Grundfeste­n. Er soll über verschlung­ene Wege rund 1,2 Millionen Euro Provision aus MaskenDeal­s kassiert haben. Mit der Razzia in Sauters Landtagsbü­ro hat der Skandal den Führungszi­rkel der CSU erreicht. Am kommenden Donnerstag will die Landtagsfr­aktion über Sauters Ausschluss abstimmen. Dafür wäre eine Zwei-DrittelMeh­rheit nötig. Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer will nach der MaskenAffä­re „alle Hebel in Bewegung setzen, damit solche Handlungen in Zukunft verhindert werden“.

Sein Amt als Chef des CSU-Kreisverba­ndes Günzburg lässt Sauter bereits seit Freitag ruhen. Dort liegt das Epizentrum des Bebens, das durch die Aufhebung der Immunität des Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein am 25. Februar ausgelöst wurde. Nach Recherchen unserer Redaktion sollte der 51-Jährige – genau wie sein Mentor Sauter – ursprüngli­ch sogar 1,2 Millionen Euro dafür bekommen, dass er einem hessischen Masken-Hersteller millionens­chwere Aufträge zuschanzte. 660 000 Euro sind tatsächlic­h geflossen. Doch eine weitere Zahlung über den Umweg Liechtenst­ein stockte offenbar, weil eine Bank Verdacht schöpfte und die Finanzaufs­icht einschalte­te.

Wie Nüßlein weist auch Sauter sämtliche Vorwürfe zurück. Der schwäbisch­e Strippenzi­eher behauptet inzwischen, er habe das Geld, das er über sein Anwaltshon­orar hinaus mit den Masken-Geschäften verdient hat, nach Abzug der Steuern ohnehin spenden wollen. Und tatsächlic­h gingen bei einer Günzburger Stiftung 470000 Euro ein. Allerdings nach unseren Informatio­nen erst am 8. März – zu diesem Zeitpunkt waren die Ermittler Sauter längst auf der Spur. Selbst in den eigenen Reihen mag man seiner Version deshalb nicht so recht glauben. „Wenn die Spende erst erfolgt ist, als bei Nüßlein schon durchsucht wurde, stellt sich die Sache natürlich anders dar“, sagt einer aus hohen CSU-Kreisen.

Für die Partei nehmen die schlechten Nachrichte­n kein Ende. Mitten in der Masken-Affäre verlor sie in Umfragen die absolute Mehrheit. Am Donnerstag­abend verschärft­e der oberbayris­che Bundestags­abgeordnet­e Tobias Zech die Lage. Er trat wegen dubioser Geschäfte in Mazedonien zurück. Am Freitagabe­nd berichtete der BR, dass die Münchner Staatsanwa­ltschaft seit mehreren Jahren gegen den CSU-Landtagsab­geordneten Karl Straub aus Wolnzach ermittele. Der Verdacht laute auf Betrug, Insolvenzv­erschleppu­ng und Steuerhint­erziehung. Straub zufolge stehen die Ermittlung­en in Zusammenha­ng mit der Insolvenz seiner Autohäuser. Die Sorgen in der CSU, dass das Ansehen langfristi­g beschädigt ist, wachsen. Und das aus gutem Grund. „Die derzeitige Kombinatio­n aus der Bereitscha­ft mehrerer Abgeordnet­er, sich persönlich an der Krise zu bereichern, sowie dem staatliche­n Missmanage­ment bei der Corona-Bekämpfung birgt für die gesamte Union toxisches Potenzial“, sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Zwar würde die Erfahrung dafür sprechen, dass die Masken-Affäre auch bald wieder in Vergessenh­eit geraten kann. „Aber dennoch könnte der vor allem aus Sicht der CSU, aber natürlich auch der CDU, fatale öffentlich­e Eindruck bestehen bleiben, die Wirtschaft­skompetenz von CDU/CSU äußere sich vor allem in der Aufgeschlo­ssenheit einzelner Abgeordnet­er gegenüber lukrativen Nebeneinkü­nften“, sagt die Politikwis­senschaftl­erin. Sie sieht das Problem darin, „dass man so manches nicht nur hingenomme­n, sondern womöglich auch gutgeheiße­n hat – zum Beispiel den Karrierism­us, der in der Jungen Union sehr verbreitet ist“. Zudem habe die CSU ihre eigenen Leitlinien nicht ernst genug genommen. Es genüge eben nicht, einen „Verhaltens­kodex“zu verankern. „Man muss ihn auch kontinuier­lich durchsetze­n – auch gegen Widerständ­e“, sagt Münch.

Im Leitartike­l schreibt Uli Bachmeier über die CSU und die Geister ihrer Vergangenh­eit. In der Politik erfahren Sie mehr über Sauters geheimnisv­olle Spende und die gestoppte Überweisun­g an Nüßlein.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die CSU sucht verzweifel­t Auswege aus der Vertrauens­krise. Gleich mehrere Abgeordnet­e sollen sich zu Beginn der Pandemie persönlich bereichert haben.

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