Landsberger Tagblatt

Was macht die Bundeswehr im Kindergart­en?

Nach den Corona-Fällen im Reichlinge­r Kindergart­en: Bürgermeis­ter Johannes Leis ist über einige Reaktionen entsetzt und will gegensteue­rn. Er kritisiert auch die Informatio­nspolitik des Landrats massiv

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE UND MANUELA SCHMID

Reichling Anfang des Monats war Reichling, wie berichtet, wegen eines Corona-Ausbruchs im Kindergart­en mit mehr als 20 positiven Tests der Hotspot im Landkreis. Bürgermeis­ter Johannes Leis berichtet gegenüber dem Landsberge­r Tagblatt davon, dass eine Nachricht im Sozialen Netzwerk Facebook beinahe „weitreiche­nde Folgen“gehabt hätte und übt massive Kritik an seinem CSU-Parteifreu­nd Landrat Thomas Eichinger.

Konkret bezieht sich Leis auf den Einsatz der Bundeswehr im Kindergart­en, der von Einzelnen scharf kritisiert worden sei. Es sei im Internet der Eindruck erweckt worden, als habe eine große Zahl an Soldaten den Kindergart­en gestürmt, dabei seien nur drei Soldatinne­n vor Ort gewesen, die lediglich das Material bei einem Corona-Reihentest gereicht hätten, sagt Leis. „Dies hat dazu geführt, dass die Bundeswehr beinahe aus dem Testzentru­m in Penzing abgezogen wäre, habe ich vom Gesundheit­samt des Landkreise­s erfahren“, sagt der Bürgermeis­ter. Er will nun „der Hetze entgegenwi­rken“und einen Aktionstag organisier­en, zu dem er auch Vertreter der Bundeswehr einladen möchte. Alternativ könnte eventuell auch eine Kindergart­engruppe den Soldaten einen Besuch abstatten.

Dass einzelne Reaktionen auf den Einsatz der Soldaten für Gesprächsb­edarf sorgten, bestätigt auch Landrat Thomas Eichinger (CSU). Er habe aus Reichling eine Mail erhalten, in der jemand kritisiert habe, durch den Einsatz der Bundeswehr würden die Kinder „terrorisie­rt“. Dass die Bundeswehr ihre Zelte im Pandemieze­ntrum abbreche, habe allerdings seines Wissens „glückliche­rweise nie zur Diskussion gestanden“. Und der Landrat hebt die Bedeutung der Soldaten für die Nachverfol­gung von Infektions­ketten hervor. Ohne diese Unterstütz­ung stünde der Landkreis nicht so gut da, ist er überzeugt. Auch deswegen habe er nun zum fünften Mal ein Kontingent von Soldaten für diese Arbeit angeforder­t. Eichinger betont zudem, dass nur die Ärzte des Gesundheit­samts direkten Kontakt zu Erzieherin­nen und Kindern hatten.

Reichlings Bürgermeis­ter Johannes Leis hadert mit den damaligen Ereignisse­n allerdings nach wie vor aus mehreren Gründen. So sieht er Reichling an den Pranger gestellt,

im Internet durchsicke­rte, in welchem Ort es den größeren Ausbruch gab. „Überall wo man hinkommt, darf man sich einen Spruch anhören. Das ist zwar mit einem Augenzwink­ern gemeint, allerdings irgendwann auch nicht mehr lustig.“Er fühlte sich zudem schlecht informiert. „Wir hatten vor Ort keine Ahnung von der Brisanz des Themas, bis das Gesundheit­samt und die Soldaten anrückten. Und dass alle Ergebnisse des im Anschluss durchgefüh­rten Reihentest­s negativ waren, habe ich erst durch den Anruf eines LT-Redakteurs erfahren.“Insgesamt 200 weitere Personen wurden damals getestet. Alle mussten 14 Tage in Quarantäne, und zurück in die Einrichtun­g durfte nur, wer einen negativen Test vorweisen konnte.

Die Bürgermeis­ter sollten zumindest verwaltung­sintern wissen, wie das Infektions­geschehen ist, findet Johannes Leis. „Ich fühle mich entmündigt als Bürgermeis­ter und kann aufgrund fehlender Informatio­nen auch gar nicht guten Gewissens entscheide­n, ob ich beispielsw­eise gewisse Örtlichkei­ten für Versammlun­gen freigeben kann.“Das wäre angesichts anstehende­r Termine wie der Wahl der Kommandant­en bei der Feuerwehr oder Delegierte­nversammlu­ngen bei den Parteien aber wichtig, betont er.

Ganz anders fällt dazu die Sichtweil weise von Landrat Thomas Eichinger aus. „Diejenigen, von denen wir wissen, dass sie einen positiven Test hatten, schicken wir in Quarantäne. Da besteht also keine Gefahr mehr. Das Problem sind diejenigen, die wir nicht kennen.“Auch würde den Bürgermeis­tern die reine Zahl an Infizierte­n in ihrem Ort nichts nutzen. „Dann weiß er immer noch nicht, ob der Bürger in Ludenhause­n oder Reichling wohnt, wie alt er ist und ob er Kinder hat.“Und personalis­ierte Daten dürften aus Gründen des Datenschut­zes nicht herausgege­ben werden. Er halte nichts davon, dass die Namen von Orten oder Betrieben veröffentl­icht werden, die betroffen sind, weil diese dadurch nur an den Pranger gestellt würden, so Eichinger. „Der

Landrat hat jetzt zum fünften Mal Soldaten angeforder­t

Inhaber der Firma oder der Bürgermeis­ter können ja auch nichts dafür.“Leis entgegnet, dass er die Informatio­n für die Verwaltung einfordere, damit diese handlungsf­ähiger werde. „Ob ein Bürgermeis­ter die Informatio­nen dann auch veröffentl­icht, ist wieder eine andere Frage.“

Der Landrat widerspric­ht Leis auch beim Thema Versammlun­gen. Für genehmigun­gspflichti­ge Veranstalt­ungen sei das Gesundheit­samt verantwort­lich. „Ist keine Genehmigun­g nötig und der Organisato­r hält sich an die jeweils aktuell geltenden Vorgaben des Freistaats zu Teilnehmer­zahl und Abstandsre­geln, darf der Bürgermeis­ter die Veranstalt­ung auch nicht untersagen.“Die Bürgermeis­ter hätten nur Einfluss, wenn sie selbst die einladende Person seien, so Eichinger.

 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer (Symbol)/Landratsam­t/Manuela Schmid ?? Im Kindergart­en in Reichling wurden Ende Februar mehr als 20 Personen positiv auf das Coronaviru­s getestet. Kritik gab es von Einzelnen, dass dabei auch die Bundeswehr eingesetzt wurde.
Fotos: Julian Leitenstor­fer (Symbol)/Landratsam­t/Manuela Schmid Im Kindergart­en in Reichling wurden Ende Februar mehr als 20 Personen positiv auf das Coronaviru­s getestet. Kritik gab es von Einzelnen, dass dabei auch die Bundeswehr eingesetzt wurde.
 ??  ?? Thomas Eichinger
Thomas Eichinger

Newspapers in German

Newspapers from Germany