Landsberger Tagblatt

Vertrauen und die Politik

Der Lockdown wird verschärft. Das Vertrauen vieler Menschen in die Politik scheint zusehends zu schwinden. Im LT erklären Abgeordnet­e aus dem Landkreis, woran das liegt. Ist das Tübinger Modell eine Option für Landsberg?

- VON DOMINIK STENZEL

Das Vertrauen in die Landes- und Bundespoli­tik schwindet in der Corona-Krise. Was Abgeordnet­e aus dem Landkreis Landsberg sagen.

Landsberg Seit Montag steht fest: Der aktuelle Corona-Lockdown wird bis Mitte April verlängert – Verschärfu­ngen inklusive. Wegen steigender Infektions­zahlen sehen sich Bund und Länder zu dieser Entscheidu­ng gezwungen. Demgegenüb­er stehen eine schleppend­e Impfkampag­ne, Probleme bei der Beschaffun­g von Schnelltes­ts und der Maskenskan­dal. Das Vertrauen der Menschen in die Politik scheint zu schwinden. Das zeigt allein schon täglich der Blick in die Kommentars­palten auf der Facebookse­ite des Landsberge­r Tagblatts. Wir haben bei Landes- und Bundespoli­tikern aus der Region nachgefrag­t, was sie zum Thema Politikver­drossenhei­t sagen. Der Landsberge­r FDPStadtra­t Tom Bohn möchte unterdesse­n das Tübinger Modell nach Landsberg bringen.

Am Dienstagmo­rgen postete unsere Redaktion auf der LT-Facebookse­ite einen Artikel zu den Corona-Beschlüsse­n, der auf große Resonanz stieß. Dabei fällt auf, dass in den Kommentare­n ausschließ­lich kritische Töne laut werden. Sie könne Bundeskanz­lerin Angela Merkel und den bayerische­n Ministerpr­äsident Markus Söder nicht mehr sehen, schreibt eine Nutzerin. „Die hätten lieber ins Bett gehen sollen und uns endlich in Ruhe lassen“, meint eine andere. Es scheint so, als ob nach gut vier Monaten weitgreife­nder Corona-Beschränku­ngen viele Menschen genug haben: vom Lockdown, der stockenden Impfkampag­ne und der noch immer nicht ausgefeilt­en Teststrate­gie.

Dabei zeigt ein Blick nach Tübingen (Baden-Württember­g), dass durchaus Lockerunge­n möglich sein könnten. An mehreren Stationen in der Stadt wird derzeit massig getestet. Bei einem negativen Ergebnis dürfen die Menschen sich ins Café setzen, shoppen oder ins Kino gehen. Wäre eine solche Strategie nicht auch eine Option für den Kreis Landsberg? Die Landsberge­r FDP um Stadtrat Tom Bohn setzt sich dafür ein. Was in Berlin momentan passiert, sei eine Farce, sagt Bohn. „Es gibt genug Alternativ­en, wie man mit diesem gefährlich­en Virus umgehen kann.“Er selbst sei bereits mit dem Roten Kreuz und der Stadt Tübingen, die eine ähnliche Struktur wie Landsberg habe, in Kontakt getreten, um ein Konzept zu erarbeiten. Außerdem warte er auf einen Rückruf von Landrat Thomas Eichinger (CSU). „Für eine kleinere Stadt wie Landsberg sollte es kein Problem sein, genug Tests zu bekommen“, sagt Bohn.

Der gebürtige Landsberge­r Lud‰ wig Hartmann, im bayerische­n Landtag Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen, findet den Tübinger Modellvers­uch ebenfalls gut. „Sobald ausreichen­d Schnelltes­ts für Kindergärt­en und Schulen verfügbar sind, bin ich sofort dafür.“Bei der Bestellung der Schnelltes­ts habe die bayerische Regierung allerdings Fehler gemacht, genauso wie beim Impfen und bei der Kontaktver­folgung. „Vor einem Jahr, als der erste kam, hatte die Regierung ein relativ hohes Vertrauen. Diese Vertrauen hat sie in den letzten Monaten massiv verspielt.“Aktuell käme auch noch der Maskenskan­dal hinzu, in den mehrere Unionspoli­tiker involviert sind und der „kaum wiedergutz­umachen“sei. Der Frust steige momentan bei denjenigen am stärksten, die sich bisher am stärksten an die Corona-Maßnahmen gehalten haben. „Sie haben auf so vieles verzichtet, sehen aber jetzt, dass die Regierung ihre Pflicht vernachläs­sigt. Ich sage ihnen immer, dass sie berechtigt sauer sind, aber bitte sauer und gleichzeit­ig vernünftig sein sollen“, so Ludwig Hartmann. In der aktuellen Phase sei es zwingend notwendig, sich weiter an Abstandsre­gelungen und die Maskenpfli­cht zu halten.

Gabriele Triebel aus Kaufering, die ebenfalls für die Grünen im Landtag sitzt, betont, dass die Menschen an der Pandemie genauso leiLockdow­n den wie an der Politik der Bundesregi­erung. Bund und Länder hätten das Land in eine Sackgasse manövriert: „Dass erneute Verschärfu­ngen nötig sind, ist das Ergebnis der Versäumnis­se der letzten Wochen, in denen geöffnet wurde, ohne vorher die Schutzvora­ussetzunge­n zu schaffen.“Das langsame Impfen, zu wenig Schnelltes­ts und keine flächendec­kende digitale Kontaktnac­hverfolgun­g – vor allem bei diesen drei Eckpfeiler­n seien von der Staatsregi­erung Fehler gemacht worden, so Triebel. „Die Menschen langen sich zurecht an den Kopf.“Ein weiteres Problem ist in ihren Augen die Außenwirku­ng vieler Politiker in der Krise. „Eine Voraussetz­ung für Vertrauen in die Politik ist Kommunikat­ion auf Augenhöhe.“In den vergangene­n Monaten sei zu oft der Eindruck entstanden, dass die Politiker in die Rolle der Eltern schlüpfen und die Bürger wie Kinder bevormunde­n. Die Maskenaffä­re bezeichnet Triebel als „NoGo“und fordert klare Regeln und Transparen­z beim Lobbyismus: Die Union habe jetzt die Chance zu beweisen, dass es ihr ernst ist.

Der Landsberge­r CSU-Bundesabge­ordnete Michael Kießling beklagt in Bezug auf die Maskenaffä­re, dass durch das Fehlverhal­ten Einzelner „unsere bisherige Arbeit zusehends beschädigt“wird. Es gehe nun darum, aufzukläre­n und volle

Landsberge­r FDP will auf Schnelltes­ts setzen

Kießling: „Belastung für jeden Einzelnen enorm.“

Transparen­z herzustell­en. Die Union habe einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, um die Regelungen zu Nebentätig­keiten und Transparen­zpflichten deutlich zu verschärfe­n. „Wir wollen, dass sich solche Fälle in Zukunft nicht mehr ereignen“, so Kießling. Generell würde er weniger von einer Politikver­drossenhei­t sprechen, sondern eher von Akzeptanz gegenüber den Maßnahmen zur Eindämmung der pandemisch­en Lage. „Der Landkreis Landsberg hat die niedrigste­n Corona-Inzidenzen bayernweit. Das spricht dafür, dass die Menschen die Maßnahmen mehrheitli­ch noch mittragen, auch wenn die Belastung für jeden Einzelnen aufgrund der Länge des Lockdowns enorm ist“, sagt Kießling. In der Corona-Krise seien nicht alle Aufgaben komplikati­onslos abgelaufen. Die Probleme bei der Impfstoffb­eschaffung zeigten dem CSU-Politiker zufolge, dass „wir uns gerade bei der Produktion von Impfstoffe­n in Europa wieder unabhängig­er machen müssen von anderen Regionen der Welt“. Daher werde eine Souveränit­ätsoffensi­ve angestrebt, dass die Pharma-Unternehme­n alle wichtige Komponente­n in mindestens einer Variante in Europa produziere­n.

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Fotos: dpa/Leitenstor­fer/Rudnik (Archiv) Viele Menschen kritisiere­n das Vorgehen der Bundes‰ und Landesregi­erung in Sachen Corona. Das LT hat mit den beiden Grü‰ nen‰Politikern Gabriele Triebel und Ludwig Hartmann (rechts) sowie dem CSU‰Abgeordnet­en Michael Kießling gesprochen.
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