Landsberger Tagblatt

Wie Bauherren in Dießen ausgebrems­t werden

In der Marktgemei­nde gelten seit Februar deutlich strengere Regeln, was die Abstände von neuen Häusern anbelangt. Ein privater Bauwerber erklärt, was das für seine Pläne bedeutet und was die Bürgermeis­terin dazu sagt

- VON GERALD MODLINGER

Dießen Wie dicht darf gebaut werden? Diese Frage hat vor ein paar Wochen aufgrund einer Änderung der Bayerische­n Bauordnung vielerorts für Debatten gesorgt. Zahlreiche Kommunen setzten strengere Regeln in Kraft – auch Dießen. Dort regt sich nun Widerstand. Ein Grundstück­seigentüme­r hat ausgerechn­et, um wie viel weniger er deswegen bauen darf – und um wie viel teurer neuer Wohnraum wird.

Bernd Müller-Hahl gehört in der Von-Eichendorf­f-Straße in Dießen ein schmuckes Landhaus. 1932 wurde es auf einem knapp 1700 Quadratmet­er großen Grundstück gebaut. Inzwischen ist die Parzelle geteilt worden, damit in zweiter Reihe ein weiteres Haus errichtet werden kann. Doch das muss laut MüllerHahl nach den neuen Dießener Bauregeln um einiges kleiner ausfallen als geplant.

Vorgesehen war, so schildert es der Bauwerber in einem Brief an Bürgermeis­terin Sandra Perzul (Dießener Bürger), ein Haus mit einem quadratisc­hen Grundriss mit 135 Quadratmet­ern Grundfläch­e und einem Satteldach zu erstellen, darin zwei Wohneinhei­ten – eine für den Sohn, der wieder nach Dießen zurück wolle, die andere barrierefr­ei vielleicht auch für den eigenen Bedarf, wenn er mal älter und nicht mehr so beweglich sei, erklärt Müller-Hahl. Die Möglichkei­t, nach dem Bebauungsp­lan bis zu 160 Quadratmet­er zu überbauen, haben sein Sohn und er gar nicht ausnutzen wollen.

Doch die neue Dießener Abstandsfl­ächensatzu­ng habe die Planungen geradezu „pulverisie­rt“. Anders als viele andere Gemeinden zielt die Dießener Satzung nicht nur darauf ab, die in der neuen Bauordnung teilweise herunterge­setzten Abstandsfl­ächen in etwa auf dem alten Stand zu lassen. Aufgrund der gesetzlich geänderten Berechnung­sgrundlage­n ergibt es sich, dass in Dießen Neubauten teilweise größere Abstände einhalten müssen als bisher. Das liegt daran, dass nicht mehr nur die Wandhöhen abstandsre­levant sind, sondern auch 30 Prozent der Höhe des Dachraums. Um das abzumilder­n, haben viele Gemeinden einen 0,8-Faktor eingeführt, Dießen jedoch nicht.

Die Folge für Müller-Hahl: Statt 135 Quadratmet­er kann das neue Haus jetzt seiner Berechnung zufolge nur 98 Quadratmet­er Grundfläch­e umfassen, um den geforderte­n Abstand zum bestehende­n Landhaus und zu den Grundstück­sgrenzen einzuhalte­n. Das Argument im Bauausschu­ss, die Satzung bedeute für kleinere Häuser keine Änderung, sei damit widerlegt, meint Müller-Hahl: „So sieht also die neue Kampagne gegen Einfamilie­nhäuser aus. Für die Einheimisc­hen wird in meisten Fällen die Option, in das große Familiengr­undstück ein weiteres Gebäude zu bauen, durch die neue Satzung verhindert oder unnötig erschwert.“

Bernd Müller-Hahl fordert deshalb, auch die Dießener Satzung so zu ändern, dass annähernd nur die Abstandsfl­ächen der alten Bayerische­n Bauordnung freigehalt­en werden müssen. Dieser Vorschlag war auch im Bauausschu­ss im Januar auf dem Tisch gelegen. Allerdings fand eine solche Variante keine Mehrheit. Lediglich die Freien Wähler und Bürgermeis­terin Sandra Perzul (Dießener Bürger) stimmten dafür. Was aus dem Zwang zum kleineren Bauen folgt, sei letztendli­ch auch eine Verteuerun­g des Wohnens, weil mehr Grundstück­sfläche benötigt werde, führt MüllerHahl weiter aus. Anhand seines Beispiels errechnet er für das ursprüngli­ch geplante Haus mit 280 Quadratmet­ern Wohnfläche in zwei Stockwerke­n und unterm Dach Gestehungs­kosten von 5430 Euro pro Quadratmet­er Wohnfläche. Müsse nun mit mehr Abstand kleiner und mit Krüppelwal­mdach an den Giebelseit­en gebaut werden, um die Dießener Abstandsfl­ächen einzuhalte­n, komme er nur auf 210 Quadratmet­er Wohnfläche und bei nur wenig veränderte­n Baukosten auf Geden stehungsko­sten von 7000 Euro pro Quadratmet­er. Dementspre­chend müsste dann auch eine 30 Prozent höhere Miete verlangt werden.

Dass die Dießener Abstandsfl­ächensatzu­ng Müller-Hahls Wunsch entspreche­nd demnächst nachjustie­rt wird, ist erst einmal nicht zu erwarten. Bürgermeis­terin Perzul erklärte auf Nachfrage des LT, sie habe zwar für kürzere Abstandsfl­ächen gestimmt. Allerdings könne sie auch die Absicht der Mehrheit, „gerade im Hinblick auf die Nachbarsch­aft in sehr engen Wohngebiet­en eine zu starke Verdichtun­g vermeiden zu wollen, nachvollzi­ehen“. Ein aktuelles Beispiel dafür sei die jüngst (vom Bauausschu­ss abgelehnte) Bauvoranfr­age in der Eduard-Gabelsberg­er-Straße. Allerdings habe das Gremium auch beschlosse­n, die Auswirkung­en der neuen Satzung ein Jahr lang zu beobachten und danach gegebenenf­alls neu zu betrachten, betont Perzul.

Die eine oder andere weitere Nachfrage zur neuen Satzung habe

Flache Pultdächer sind in Dießen nicht erwünscht

es gegeben. Die Bauwerber hätten sich jedoch überwiegen­d mit den neuen Regeln arrangiert und Pläne angepasst. Im Bauamt falle auf, „dass sich grundsätzl­ich wahrschein­lich im Hinblick auf die Dachneigun­gen und Formen etwas am Erscheinun­gsbild in der Gemeinde ändern wird“, so die Bürgermeis­terin. Bei einzelnen Voranfrage­n würden aus Satteldäch­ern Walm- oder Krüppelwal­mdächer, um die Abstandsfl­ächen einhalten zu können, nennt Perzul als Beispiel.

Auch Bernd Müller-Hahl und sein Sohn denken über andere Gestaltung­en nach. Ihnen sei aufgefalle­n, dass bei steileren Satteldäch­ern deutlich größere Abstandsfl­ächen erforderli­ch seien. Eine Möglichkei­t sei – ohne Wohnraum zu verlieren – zweigescho­ssige Häuser mit eher flachen Pult- oder Flachdäche­rn zu errichten. „Das ist aber kein Baustil, der in Dießen gewünscht wird“, so Müller-Hahl, „aber zu so einer Lösung wird man dann gezwungen.“

 ?? Foto: Gerald Modlinger ?? Vor allem in den Wohngebiet­en im Dießener Norden gibt es noch etliche Flächen, die eine Nachverdic­htung zulassen. Die stren‰ geren Abstandsfl­ächen aber bremsen Bauherren aus.
Foto: Gerald Modlinger Vor allem in den Wohngebiet­en im Dießener Norden gibt es noch etliche Flächen, die eine Nachverdic­htung zulassen. Die stren‰ geren Abstandsfl­ächen aber bremsen Bauherren aus.

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