„Keine rechtsfreien Räume!“
Thorsten Schmiege wird als Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien künftig unter anderem den Streamingdienst Amazon Prime Video beaufsichtigen. Auch der Kampf gegen Hass im Netz ist ihm ein großes Anliegen
Herr Schmiege, Glückwunsch zu Ihrer Wahl am Donnerstagnachmittag! Worauf werden Sie als Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) in den nächsten Monaten und Jahren einen besonderen Schwerpunkt legen?
Thorsten Schmiege: Lokaler Rundfunk bedeutet für mich Heimat und Identität. Gerade in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie hat der Lokalrundfunk seine Systemrelevanz bewiesen und – ganz nebenbei – vielfältige und hoffnungsvolle Impulse gesendet. Diese Vielfalt ist kein Selbstläufer. Es ist eine der für mich größten Herausforderungen, diese vielfältige und europaweit einmalige Radio- und Fernsehlandschaft an privaten Radio- und Fernsehsendern in Bayern in eine digitale Zukunft zu führen.
Sie beaufsichtigen die privaten Hörfunkund Fernsehanbieter in Bayern.
Diese haben in der Corona-Pandemie unter anderem mit weggebrochenen Werbe-Erlösen zu kämpfen. Ist Ihnen bange um die Medienvielfalt im Freistaat?
Schmiege: Hier müssen wir differenzieren. Natürlich ist die Situation für manche Sender eine Herausforderung. Bislang haben sich die Anbieter auch dank Kreativität, einem teilweise harten Sparkurs und der Unterstützung von BLM, Freistaat Bayern und Bundeshilfen vergleichsweise gut behauptet. Gerade der zweite Lockdown hat aber den kleinen lokalen Sendern, die besonders auf Werbe-Einnahmen aus dem Handel und von Veranstaltungen vor Ort angewiesen sind, noch einmal sehr zugesetzt. Die BLM versucht daher, gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung ein erneutes Hilfspaket für den Lokalrundfunk zu schnüren. Wir wollen möglichst vielen in Not geratenen
Sendern wirksam helfen. Denn eines muss uns bewusst sein: Wir sind noch lange nicht über den Berg.
Hat gerade der Lokalfunk in der Corona-Krise eine wichtige Funktion? Schmiege: Wir haben in der CoronaPandemie beobachtet: Es gibt eine große Nachfrage nach aktuellen Nachrichten aus der Region, wissenschaftlichen Informationen und Themen aus lokaler Politik, Gesellschaft und Sozialem – anstelle von Unterhaltungsthemen. Dank enormer Kraftanstrengungen hat es der Lokalfunk in herausragender Weise geschafft, dieses Bedürfnis nach lokalen Inhalten zu stillen. Das ist gut angekommen beim Publikum und hat sich auch in den Reichweiten niedergeschlagen. So erreichen lokale Sender mit ihren Fakten zum Geschehen vor Ort auch Menschen, die sonst eher wenige Nachrichten konsumieren. Deshalb ist und bleibt lokaler Rundfunk systemrelevant.
Die BLM startete im Oktober 2019 mit dem bayerischen Justizministerium die Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“und damit auch gegen Fake News. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus?
Schmiege: Gemeinsam mit weit mehr als 100 bayerischen Medienhäusern setzen wir mit unserer Initiative ein klares Signal gegen Hass und für Meinungsfreiheit im Netz. Wir müssen die Freiheit gegen Einschüchterung und Hetze auch im Internet verteidigen. Es darf keine rechtsfreien Räume geben! Unsere Überzeugung ist: Wer sich wirksam für Meinungsfreiheit einsetzen und gegen Hass, Antisemitismus und Volksverhetzung im Netz positionieren will, muss Hasspostings konsequent verfolgen. Deshalb sind wir stolz darauf, dass es gelungen ist, diese Initiative gemeinsam mit dem bayerischen Justizministerium auf den Weg zu bringen.
Woran mangelt es noch in der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz, insbesondere gegenüber Medienvertretern?
Schmiege: Natürlich gibt es auch bei der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz keine 100-prozentige Kontrolle und auch keine 100-prozentige Aufklärungsquote – genauso wenig wie beispielsweise bei Delikten im Straßenverkehr. Doch in den gut eineinhalb Jahren seit Start des Projekts hat es bereits viel präventive Wirkung entfaltet: Zum einen wird in den bayerischen Medienhäusern selbst deutlich sensibler mit dem Thema „Hate Speech“umgegangen. Zum anderen wird das Thema auch in der Gesellschaft verstärkt wahrgenommen. Es gilt: Je mehr mitmachen und je mehr darüber gesprochen wird, desto effektiver ist die Initiative.
Seit kurzem beaufsichtigt die BLM auch das Angebot von Amazon Prime Video. Gab es denn bereits Anlass zur Kritik?
Schmiege: Es stimmt, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien ist seit Jahresbeginn für die Aufsicht über das gesamte europäische Angebot von Amazon Prime Video zuständig. Bisher gab es keinen Anlass zu Kritik. Amazon hat seinen Deutschlandsitz ja schon länger in München. Hier gab es – etwa im Jugendschutz – ab und zu Beschwerden und Problemfälle, die wir direkt mit der Jugendschutzbeauftragten vor Ort konstruktiv lösen und schnell abstellen konnten. Genauso werden wir die Aufsicht künftig in Bezug auf das europäische Angebot ausüben.
OThorsten Schmiege wurde 1974 im nordrheinwestfälischen Siegburg ge boren, ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit September 2019 ist er Geschäfts führer der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien in München. Als deren Präsident folgt er im Oktober Siegfried Schneider nach, der seit 2011 Chef der BLM war. Diese genehmigt und beaufsichtigt als eine von 14 Landes medienanstalten
Deutschland die privaten Hörfunk und Fernsehangebote in Bayern. Der promovierte Jurist Schmiege leitete unter anderem das Refe rat Medienpolitik/Rundfunkrecht der Bayerischen Staatskanzlei. in