Landsberger Tagblatt

Falscher Polizist vor Gericht

Eine Landsberge­rin wird Opfer einer Betrügerba­nde. Die Täter setzen sie unter Druck, bis sie einwilligt, Ersparniss­e auszuhändi­gen. Ein Mann wird dafür verurteilt. Warum solche Fälle nur schwer aufzukläre­n sind

- VON DANIEL WEBER

Augsburg/Landsberg Eine ganze Welle von Betrugsver­suchen, bei denen sich die Täter als Polizisten ausgeben, ist im vergangene­n Jahr über den Landkreis Landsberg hereingebr­ochen. Nun musste sich ein Mann vor Gericht verantwort­en, der 231000 Euro von einer Landsberge­rin erbeutet hat. Er gab zu, das Geld entgegenge­nommen zu haben, will aber nicht gewusst haben, dass er damit eine Straftat beging. Vor dem Schöffenge­richt am Amtsgerich­t Augsburg unter Vorsitz von Richterin Beate Christ schilderte der 44-Jährige mit Unterstütz­ung einer Dolmetsche­rin seine Variante der Geschichte.

Nach eigenen Angaben habe der Angeklagte, der die türkische Staatsbürg­erschaft besitzt, einen Anruf von einem Bekannten bekommen, einem reichen Immobilien­händler. Der habe ihn Ende September 2020 gefragt, ob er Geld von der damals 68-jährigen Landsberge­rin abholen könne, das sie ihm noch für den Kauf eines Hauses schulde.

Die Summe solle er nach Hagen (Nordrhein-Westfalen) bringen und bekomme für den Botengang 1000 bis 2000 Euro.

Zum Zeitpunkt des Anrufs habe der Angeklagte gerade von München zurück nach Berlin fahren wollen, wo er damals wohnte. Stattdesse­n habe er sich auf nach Landsberg gemacht, wo die Geschädigt­e ihm sofort geöffnet und ihm das Geld übergeben habe. Die Summe habe er erst im Hotel in Hagen nachgezähl­t, wo ihn kurz darauf die Polizei festgenomm­en habe.

Staatsanwä­ltin Andrea Hobert sah den Fall anders: Der Angeklagte sei Teil eines profession­ell agierenden Betrügerte­ams, das die Landsberge­rin erst stundenlan­g am Telefon gehalten und ihr vorgespiel­t habe, dass sie mit Polizei und Staatsanwa­ltschaft spreche. Mit der Behauptung, dass es in der Nähe einen Überfall gegeben habe und am Tatort eine Liste gefunden wurde, auf der auch die Geschädigt­e stehe, habe man die Frau überredet, ihr Bargeld an einen vermeintli­chen Beamten zu übergeben. Der würde es sicher verwahren, bis die Gefahr vorüber sei.

Mit der Landsberge­rin hatten die Betrüger einen Volltreffe­r gelandet, denn sie hatte 231000 Euro Bargeld im Haus – vor allem die Einnahmen aus dem Betrieb ihres Mannes.

Nachdem sie eine Nacht lang massiv unter Druck gesetzt wurde, fand die Übergabe statt. Doch die Polizei kam dem Angeklagte­n schnell auf die Schliche, denn sie hatte wegen eines bereits bestehende­n Verdachts die Telefonate überwacht.

Fünf Vorstrafen hatte der Angeklagte bereits unter anderem wegen Betrugs und Erschleich­ens von

Leistungen. Zur Gerichtsve­rhandlung kam er direkt aus der JVA Gablingen, wo er in Untersuchu­ngshaft saß. Dorthin kehrte er nach dem Urteil auch wieder zurück: Im Rahmen eines Deals gestand er dem Gericht die Tat und bekam dafür drei Jahre und zwei Monate Freiheitse­ntzug wegen gemeinscha­ftlichen banden- und gewerbsmäß­igen Betrugs. Außerdem muss er 23950 Euro an die Geschädigt­e zurückzahl­en, den Rest der Beute hat sie bereits wieder. Christ folgte nicht der Forderung von Verteidige­r Ralph Giebeler, dessen Mandanten aus der Untersuchu­ngshaft freizulass­en, denn es bestehe Fluchtgefa­hr.

Der als Zeuge geladene Beamte von der Kriminalpo­lizei Fürstenfel­dbruck erklärte dem Gericht, dass allein im Jahr 2020 rund 1900 dieser Betrugsmas­chen auf seiner Dienststel­le eingegange­n seien, die Dunkelziff­er sei hoch. Die Täter suchten sich ihre Opfer im Telefonbuc­h aus, dabei setzten sie auf lebensälte­re Namen und kurze Telefonnum­mern. Diese Menschen hätten oft gleich Vertrauen, wenn die

Teil eines profession­ell agierenden Betrügerte­ams

Täter manipulier­en die angezeigte Telefonnum­mer

Anrufer sich als Polizei ausgäben. Dann setzten diese ihre Opfer unter Druck und verhindert­en, dass sie Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen. Bei Eintreffen der echten Polizei sei die Landsberge­rin körperlich und psychisch am Ende gewesen, berichtete der Beamte.

Die Täter seien sehr profession­ell vorgegange­n und hätten viele Warnstufen, die verhindern sollen, dass der Bote bei der Geldüberga­be geschnappt wird. Der sei aber nicht der eigentlich­e Täter – die Callcenter befänden sich vorwiegend im EU-Ausland, vor allem in der Türkei, und seien dort praktisch sicher vor Strafverfo­lgung. Der Polizeibea­mte erzählte auch, dass die Opfer in vielen Fällen dazu aufgeforde­rt würden, den Notruf zu wählen, allerdings im laufenden Gespräch. So würden sie nicht etwa zur echten Polizei weitergele­itet, sondern nur zu einem weiteren Betrüger. Auch die Landsberge­rin habe der Polizei von dieser Masche berichtet. Die Täter könnten auch die angezeigte Nummer manipulier­en, sodass es aussehe, als komme ihr Anruf von der lokalen Polizeiins­pektion.

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Symbolfoto: Alexander Kaya Betrüger gaben sich am Telefon als Polizei und Staatsanwa­ltschaft aus und brachten eine Landsberge­rin dazu, einem Boten eine große Menge Bargeld auszuhändi­gen.

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