Landsberger Tagblatt

Wie sich Mallorca‰Urlauber gegen Kritik verteidige­n

Viele halten die Aufregung für übertriebe­n. Aber die meisten wollen lieber inkognito bleiben

- Ralf Petzold, dpa

Palma Der deutsche Familienva­ter in Palma de Mallorca, kariertes Hemd, leicht ergraut, verdreht entnervt die Augen. Schon wieder ein Journalist, der wissen will, ob er nicht ein schlechtes Gewissen habe, wo doch in Deutschlan­d so dringend von dem Osterurlau­b auf Malle abgeraten werde. Er schüttelt kurz den Kopf, dann geht er wortlos weiter.

Eigentlich könnte der Urlaub für die Deutschen hier ganz entspannt sein: Sie haben die Insel fast für sich allein, denn aus anderen Ländern ist kaum jemand da. Vor allem nicht die Briten, die nicht nach Mallorca reisen dürfen. Aber fliegende Händler, die sonst den Touristen mit bunten Decken, Sonnenbril­len und Armbändern auf die Pelle rücken, sind von Journalist­en mit Mikrofon und Kamera abgelöst worden.

Viele der Deutschen sind aber auch gesprächig, wollen die Insel und damit auch ein bisschen ihre eigene Reiseentsc­heidung verteidige­n. Ein junges Paar aus Frankfurt erzählt, dass sie zu Hause aus Angst vor dem Ärger lieber niemandem auf die Nase gebunden haben, wo es über Ostern hingeht. „Dabei strengen sich hier alle an, um die Maßnahmen einzuhalte­n“, sagen die beiden. Schnappsch­üsse wollen sie dieses Jahr aber auf keinen Fall bei Instagram hochladen.

Auch Abdul Nasser aus BadenWürtt­emberg rechtferti­gt seine Reise mitten in der Corona-Pandemie. „Seit anderthalb Jahren war ich nicht unterwegs. Das fühlt sich an wie im Gefängnis“, erzählt er. Ein bisschen Bammel vor einer Ansteckung habe er schon. „Aber in

Deutschlan­d ist das nicht anders. Die Corona-Zahlen der Balearen sind im Vergleich zu Deutschlan­d derzeit tatsächlic­h relativ niedrig. Die Inzidenz liegt bei 28, in Deutschlan­d steigt sie stetig, zuletzt auf fast 130.“

Da Baden bei einer Wassertemp­eratur von 14 Grad nur etwas für Hartgesott­ene ist, nutzen viele Deutsche den Urlaub für einen Einkaufsbu­mmel in den Shoppingze­ntren oder schlendern durch Palmas Altstadt. Zwar sind die Innenräume der Cafés und Restaurant­s geschlosse­n, aber unter tiefblauem Himmel und in der Sonne schon sommerlich­en Temperatur­en lässt es sich bei Bier und Kaffee auch gut auf den Terrassen der Gaststätte­n aushalten.

Zwar ist ab 17.00 Uhr Sperrstund­e, aber im Hotel kann man sich noch bis 22.00 Uhr im Restaurant amüsieren. Eine andere Verteidigu­ngslinie für den Mallorca-Urlaub lautet, dass man ja eigentlich lieber ganz woanders wäre, auf Norderney oder an der Ostsee oder beim Skifahren etwa. „Das dürfen wir aber nicht. Da blieb nur noch Mallorca übrig“, meinte ein Ehepaar bei der Ankunft am Flughafen Son Sant Joan. Mallorca als Plan B sozusagen. „Ich stehe zu meiner Entscheidu­ng“, sagt Otto aus Düsseldorf, der mit Frau und Sohn angereist ist. „Die Bundesregi­erung ist derzeit so inkonseque­nt. Wenn sie die Reisewarnu­ng aufheben, dann müssen die Politiker damit rechnen, dass die Leute in den Urlaub fahren.“Der SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach solle erst mal Beweise vorlegen, wenn er den örtlichen Gesundheit­sbehörden Trickserei bei den Corona-Zahlen vorwerfe. „Daher habe ich auch keine Angst vor einer Ansteckung“, bekräftigt Otto.

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Foto: dpa Flanieren statt Baden: Auf Mallorca ist ab 17.00 Uhr Sperrstund­e.

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