Landsberger Tagblatt

Hanf ist auch zum Essen da

In der Region Augsburg bauen immer mehr Landwirte die alte Kulturpfla­nze an. Wer Hanf-Produkte herstellt und was sich daraus machen lässt

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Getrocknet­e Apfelstück­chen, Walnussker­ne und Flocken aus Urdinkel, alles mit einem Hauch Zimt veredelt. Veronika Braun ist zufrieden mit ihrer neuen Kreation. Eine Handvoll grau-beiger Hanfsamen macht das Müsli schön crunchig. Hanfsamen finden in der kleinen Keksmanufa­ktur „Miss Brauns Snack Pack“vielfach Verwendung: ungeschält wie geschält, pur und geröstet, in den verschiede­nen Müslis, als pikante Knabberei mit Gewürzen aromatisie­rt sowie in einer Sorte Kekse. Veronika Braun mag Hanfsamen gerne, weil sie leicht nussig schmecken. Obendrein gelten sie als gesund: „Ernährungs­wissenscha­ftler loben ihren Nährwertge­halt, Vegetarier und Veganer reichern damit traditione­ll ihre Ernährung an.“Hanfsamen, so heißt es, enthalten vielfach ungesättig­te Fettsäuren, darunter vor allem Omega-3 und Omega-6, die über die Nahrung aufgenomme­n werden müssen, sowie leicht verdaulich­es Eiweiß und Vitamin E.

Vor bald vier Jahren machte sich die 43-jährige Soziologin, die vorher in der Projektarb­eit und für Behörden tätig war, mit der Manufaktur selbststän­dig. Die Idee dazu entstand, als ihr Sohn auf die weiterführ­ende Schule kam, wo es nur Automaten mit „ungesundem Süßkram“gab. Auch in Bio-Läden fand die alleinerzi­ehende Mutter „nur trockene Riegel“. Deshalb entwickelt­e sie kurzerhand selbst die ersten gesunden und leckeren Snacks: Alles handgemach­t bis hin zum Logo, alles „bio“und nachhaltig, inklusive der plastikfre­ien Verpackung aus Österreich. Ihr Konzept ging auf. Bis zum Lockdown belieferte die Geschäftsf­rau zehn Läden und Kletterspo­rthallen. Besonders die Hanfkekse fanden sofort großen Anklang bei den Kunden. „Weil sie fein schmecken – vielleicht aber auch, weil Hanf für manche den Reiz des Verbotenen hat“, überlegt die Keksbäcker­in und schmunzelt.

Dabei hat der Hanf in ihrer Backstube, einer umgebauten ehemaligen Metzgerei in Augsburg-Oberhausen, weder bewusstsei­nsveränder­nde noch berauschen­de Wirkung. Bei dem von der EU zugelassen­en Nutzhanf muss der Gehalt des Wirkstoffs THC (Tetrahydro­cannabiol) unter 0,2 Prozent liegen – in den Nüssen kommen davon höchstens minimale Spuren an. Auch von CBD-haltigen Produkten, die wegen angeblich gesundheit­lichem Nutzen ziemlich angesagt, aber auch rechtlich umstritten sind, grenzt sich die Keksbäcker­in ab.

Anfangs bezog sie die Hanfsaat als Import („China-Ware, aber die war längst nicht so gut“), seit einiger Zeit vom Strausserh­of der Familie Mögele in den Stauden. Aus Döpshofen kommen auch die Apfelchips, Vollkornfl­ocken und das Lupinenmeh­l, das Veronika Braun zum Verbinden von Gewürzen mit anderen Zutaten dient. Die Hanfpflanz­en baut Jakob Mögele, 23-jähriger Student der Ökologisch­en Landwirtsc­haft, seit drei Jahren gemeinsam mit seinen Eltern an.

Hanf ist mit Hopfen verwandt und eine uralte Kulturpfla­nze. Sie soll schon vor 6000 Jahren in asiatische­n Ländern verwendet worden sein, um daraus Öl und Kleidung zu machen. Später wurde die Pflanze jedoch auf ihre berauschen­de Wirkung reduziert, der Anbau hierzuland­e verboten. Seit 1996 darf Nutzhanf in Deutschlan­d wieder angebaut werden. Allerdings nur von Landwirten, nur bestimmte Sorten und nur unter strengen Auflagen der Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung.

So werden regelmäßig und unangemeld­et Proben von seinen Pflanzen genommen, erklärt Jakob Mögele, und nur wenn der THC-Gehalt unter dem Grenzwert ist, darf er seinen Hanf ernten. Genau genommen die Samen aus den Blüten der weiblichen Hanfpflanz­e. Er erntet sie vorsichtig und verarbeite­t sie möglichst bald weiter, lässt sie beispielsw­eise schälen oder zu Öl pressen. Einer, der das macht, ist Johannes Spengler, Chef der Kappelbaue­r Ölmühle in Maingründe­l. Einen Teil des Rohstoffs baut er selber an, einen Teil bezieht er von einer Handvoll Bauern aus der Region.

Immer mehr tun es ihnen gleich. So hat sich der Hanfanbau in den vergangene­n drei Jahren hierzuland­e mehr als verdoppelt: von fast 2200 auf 4500 Hektar. Rund die Hälfte stammt von Bio-Bauern, die die robuste anspruchsl­ose Pflanze als Bodenverbe­sserer schätzen: Sie eignet sich gut für Fruchtfolg­en und Humusbildu­ng. „Und wenn der Hanf zum richtigen Zeitpunkt, bei uns Mitte April bis Mitte Mai, ausgesät ist, wächst er schneller als Unkraut und unterdrück­t es. Dafür ist allerdings die Ernte anspruchsv­oll“, erklärt Jakob Mögele. Weil sich die langen Fasern der Pflanze gern um die bewegliche­n Teile des Mähdresche­rs wickeln, ist der Einsatz geeigneten Geräts und besonderes Geschick nötig. Das stellte auch ein Zusammensc­hluss von sechs Kürbisbaue­rn aus dem Wittelsbac­her Land fest, die den Augsburger Biobäcker Schubert für sein neues Hanfbrot mit Zutaten versorgen.

Allesamt suchen sie nach neuen Absatzmärk­ten für Hanf. „Nicht ganz einfach unter Pandemiebe­dingungen“, sagt Ulrich Deuter von

Hanfsamen schmecken in Müsli, Salat und im Essen

der Öko-Modellregi­on „Stadt. Land. Augsburg“, der die Landwirte zusammen mit ökologisch­en Anbauverbä­nden in Sachen Vermarktun­g berät und unterstütz­t. Auch die Produktion von Hanf-Milch war schon im Gespräch. Jakob Mögele hat schon viel zu Hanf recherchie­rt und schwört unter anderem auf Textilien daraus. Wegen ihrer klimaregul­ierenden Eigenschaf­ten ist die Pflanze für ihn ein zukunftsfä­higer und weniger Umwelt belastende­r Ersatz für Baumwolle. Über die Plattform der Öko-Modellregi­on hat sich der junge Landwirt mit Veronika Braun vernetzt. Beide arbeiten mit dem genossensc­haftlich organisier­ten Laden „Herzstück“in Diedorf zusammen, in dem es jetzt auch Veronikas gesunde Snacks zu kaufen gibt. So tun sich wertvolle Synergien auf.

Hanfsamen schmecken nicht nur im Müsli, sondern auch über Salat oder warme Gerichte gestreut (bitte nicht über 180 Grad erhitzen!). Laut Jakob Mögele bewahrt man Hanfsamen und Hanfnüsse am besten im Kühlschran­k auf, sie können sonst ranzig werden. Das kräftig schmeckend­e Hanföl eignet sich eher für die kalte Küche, auch hier gehen beim Erwärmen wertvolle Inhaltssto­ffe verloren.

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Fotos: Andrea Schmidt‰Forth (2), Ulrich Deuter Jakob Mögele baut selbst Hanf an, Veronika Braun macht Kekse, Müsli und Knabbe‰ reien mit Hanf.
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