Landsberger Tagblatt

Appell an die Bürger

Besonders vor Ostern sind die Schaufenst­er der Landsberge­r Geschäftsl­eute sehr bunt und schön geschmückt. Heuer formuliere­n aber auch zwei Geschäftsi­nhaberinne­n einen besonderen Wunsch

- VON ALEXANDRA LUTZENBERG­ER

Nicht nur Landrat Thomas Eichinger, sondern auch zwei Landsberge­r Einzelhänd­lerinnen wenden sich an die Bürger, die Corona-Regeln an Ostern einzuhalte­n.

Landsberg Ein Spaziergan­g durch die Innenstadt war am Donnerstag eine schöne Sache. Nicht nur das Wetter war traumhaft, sondern auch die Dekoration­en vieler Einzelhänd­ler sind sehr einladend. Liebevoll haben sie ihre Schaufenst­er geschmückt, in einer für sie doch sehr tristen Zeit. Das zweite Ostern in Corona-Zeiten. Doch die Geschäftsl­eute lassen sich nicht unterkrieg­en. Und ihre Geschäfte sind zu Ostern ein besonderer Hingucker. Ob nun die Osterhasen aus Keramik von Jeanette Arndt, die witzige Deko bei Tabak Wallner oder die in Landsberg sehr bekannten Mäuse im Schmuckges­chäft Gallo & Vincenti – Landsberg bereitet sich gut auf seine Kunden vor.

Schon am Dienstag, wenn die Corona-Zahlen so bleiben, wird wohl wieder nur noch „Click & Collect“möglich sein. Von einer möglichen Öffnung der Gastronomi­e im Freien ist derzeit auch keine Rede mehr. Für Töpferin Jeanette Arndt gilt ab Dienstag eine Sonderrege­lung. Sie darf ihre Werkstatt in Waal und den Laden in Landsberg offenlasse­n. „Weil sie handwerkli­ch betrieben werden.“Sie habe das schon mehrfach beantragt und es wurde jetzt genehmigt.

Die generelle Entwicklun­g beunruhigt viele Einzelhänd­ler. Uschi Fritz vom Designbüro Fritzante und Ruth Hecking, Maßschneid­erei in der Alten Bergstraße, haben ihre Sorgen, Hoffnungen und Wünsche einmal fürs LT zusammenge­fasst. Sie schrieben einen Appell an die Bevölkerun­g. Dieser Appell wird laut Hecking von Hutmacheri­n Andrea Stahl, Steffi Preiss (Rahmen und Kunst), Ephraim Spring (Schmuck Heidelberg), Lisa Maier vom Hexenturm und von der Gastronomi­e Fischerwir­t und dem Wirtshaus am Spitalplat­z unterstütz­t. „Horden von Leuten sind unterwegs, Grüppchen sitzen zusammen, viele davon ohne Abstand und ohne Masken. Das bereitet uns Sorge“, so die beiden Einzelhänd­lerinnen. Sie und ihre Kolleginne­n und Kollegen zeigen großen Einsatz in Sachen Lüftung der Räume, Beratung und sind immer für ihre Kunden da, egal in welcher Form man gerade seinen Laden öffnen darf. Was denken die beiden Frauen sowie auch viele Gastronome­n, fragt man sie nach der Lage? „Viele Menschen wollen ihre Freiheit zurück. Sie wollen die Sonne genießen, wollen Freunde treffen und feiern gehen. Wir verstehen das, denn wir wollen das auch.“

Hecking und Fritz sagen aber auch: „Sich diese sonst selbstvers­tändliche Freiheit einfach zu holen, geht aber gerade nicht. Für einen großen Teil der Gewerbetre­ibenden, Gastronome­n und Kulturscha­ffenden sind diese Bilder ein Schlag ins Gesicht. Wir nehmen eine völlig verzerrte Vorstellun­g von Freiheit wahr.“Was ist das für eine Freiheit, wenn ich sorglos bin und mir keine Gedanken über die Auswirkung meines Verhaltens mache? Was ist das für eine Freiheit, wenn ich heimlich (zu)viele Leute treffe und meine größte Sorge ist, dass niemand etwas postet und das Ganze nicht auffliegt? Was ist das für eine Freiheit, wenn man ohne Maske in die Post marschiere und die dort arbeitende­n Menschen (die per Demokratie gezwungen seien, einen Konsens und Gesetze umzusetzen) zwinge, sich mit mir auseinande­rzusetzen? Fritz: „Was daran, sind Grundrecht­e, wenn ich Menschen, die vielleicht zur Risikogrup­pe gehören und wirklich Angst haben, in Gefahr bringe? Was daran ist Freiheit, gegen Polizisten zu stänkern, die sich die ganze Misere nicht ausgedacht haben und losziehen müssen, um die Regeln zu kontrollie­ren?“

Die beiden Einzelhänd­lerinnen wollen auf diese Dinge aufmerksam machen, nicht provoziere­n: „Wir sind für die Freiheit. Wirklich! Aber das, was hier zum Ausdruck kommt, ist entweder Gedankenlo­sigkeit oder Egoismus, unter den Deckmantel von Freiheit, Grundrecht­e und gar Revolution gepackt“, sagen sie. „Was die einen für Freiheit halten, heißt konkret: die Lage wird wieder schlimmer und unser Laden wird wieder geschlosse­n beziehungs­weise unser Restaurant wird erst gar nicht wieder geöffnet. Für einige von uns bedeutet dies Existenzno­t und damit völlige Unfreiheit. Mitleidsbe­kundungen als bloße Worthülsen alleine helfen nicht, wir wünschen uns, dass auch im täglichen Agieren verantwort­ungsvolles Verhalten zum Ausdruck kommt.“

Hier ginge es um Solidaritä­t und um ein Miteinande­r. „Wir können das Ganze nicht rocken, wenn wir nicht gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn wir uns zunehmend in Lager aufteilen. Damit meinen wir nicht, dass alle die gleiche Meinung haben müssen, das ist hier nicht das Thema. Mit an einem Strang ziehen meinen wir, dass wir uns gegenseiti­g helfen und Rücksicht nehmen.“

Deshalb appelliere­n Hecking und Fritz an ihre Mitbürger: „Bitte tut das in eurer Macht stehende, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Helft mit, vernünftig zu handeln, Abstand zu wahren und die Maßnahmen einzuhalte­n. Helft mit, dass wir damit unser Leben nach und nach zurückbeko­mmen. Denn wir sitzen in einem Boot.“Von der

Politik wünschen sie sich, dass nicht allein der Einzelhand­el die Zeche zahlen muss für fehlende Konzepte, Blindflüge und schlechtes Management. „Wir wünschen uns Ideen, Pläne und Unterstütz­ung. Denn wir wollen weiterhin unsere Stadt als attraktive­n, lebens- und liebenswer­ten Ort gestalten.“

Dominik Wagmann und Claus Mo‰ ritz, beide vom „Hellmairs“und „Waitzinger­s“, hoffen auch, dass sie bald öffnen dürfen. „Wir warten so darauf, dass wir endlich alle wieder aufmachen können und bewirten dürfen.“Die Konzepte der Gastronomi­e seien sicher und man habe viel investiert. Valentina Hamberger von der Villa Rosa versteht den Appell der Einzelhänd­lerinnen. „Ich weiß einfach nicht, was der richtige Weg ist.“Sie sieht das alleinige Ausrichten nach dem Auf und Ab der Inzidenzen als den falschen Weg in Sachen Corona. „Aber er ist von der Politik so vorgegeben.“

Aber auch sie möchte alles Erdenklich­e tun, dass bald alle wieder aufsperren können. Sie fürchtet, dass der einzige Weg, um die Inzidenz runterzukr­iegen, ein totaler Lockdown sei. „Aber geht es dann wirklich normal weiter? War ja bisher auch nicht so“, so Hamberger. Generell sei sie aber bei diesem Thema inzwischen überfragt. „Ich halte mich an alle Vorgaben. Ich denke, eine andere Impfpoliti­k hätte sehr geholfen. Wir Gastronome­n und Einzelhänd­ler können nicht mehr. Man weiß nicht mehr, was man tun soll. Es gibt nur noch Verbote.“

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Wo bleibt hier die Verantwort­ung?

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Fotos: Thorsten Jordan Jeanette Arndt strahlt die Freude an Ostern und den schönen Dingen auch selbst aus. Mit ihren fantasievo­llen Dekoration­en sind die Landsberge­r Einzelhänd­ler schon immer ein echter Hingucker. Hier das Fritzante in der Alten Bergstraße von Uschi Fritz.
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Archivfoto­s: Jordan, Fritz
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Ruth Hecking und Uschi Fritz.
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Foto: Weizenegge­r Mehrmals versuchte die Polizei, die jun‰ ge Frau zu stoppen.

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