Landsberger Tagblatt

Tourismus am Pranger?

Der Lockdown dauert an. Reisen nach Mallorca sind aber ohne große Umstände möglich. In der Öffentlich­keit sorgt das für Unmut. Ein Landsberge­r Reisebüro-Inhaber macht seinem Ärger Luft und berichtet von Beschimpfu­ngen

- VON DOMINIK STENZEL

Viele Deutsche machen derzeit auf Mallorca Urlaub – inmitten der Pandemie. Der Betreiber eines Landsberge­r Reisebüros fühlt sich an den Pranger gestellt.

Landsberg Über Reisen in Zeiten von Corona wird momentan viel diskutiert: Während Urlaub im eigenen Land wegen geschlosse­ner Hotels und Campingplä­tze kaum möglich ist, setzen sich nicht wenige Menschen in den Flieger nach Mallorca. Die Balearenin­sel gilt aktuell nicht als Risikogebi­et. Bei vielen stößt das auf Unmut. An Flughäfen werden Reisende sogar angefeinde­t. Der Inhaber eines Landsberge­r Reisebüros fühlt sich von der Politik zu Unrecht als mitverantw­ortlich für die Ausbreitun­g des Virus dargestell­t und berichtet im LT über Beschimpfu­ngen.

Stefan Stang betreibt sein Landsberge­r Reisebüro im Forum Einkaufsze­ntrum seit 2006. Er sei ein „Ein-Mann-Büro“und ob der schwierige­n Situation froh darüber. Denn das Geschäft laufe seit rund einem Jahr „sehr schlecht“. Zu Beginn des Vorjahres hatte sich die Tourismusb­ranche gerade erst von der Insolvenz des Reiseveran­stalters Thomas Cook erholt, als sie mit voller Wucht von der Corona-Krise getroffen wurde.

Als viele Länder das öffentlich­e Leben herunterfu­hren, war an Urlaubsrei­sen über Wochen hinweg nicht mehr zu denken. Die Tourismusb­ranche habe mit Umsatzeinb­rüchen zwischen 80 und 90 Prozent zu kämpfen, berichtet Stefan Stang. Kleinere wie größere Reisebüros litten in gleichem Ausmaß: „Wenn Fluggesell­schaften oder Veranstalt­er Reisen absagen, sehen wir keinen einzigen Cent“, so Stang, der mit seinem Betrieb auf staatliche Hilfen angewiesen ist. Die Reserven seien inzwischen aufgebrauc­ht.

Dass gerade im Sommer 2020 Urlaubsrei­sen in andere Länder wieder möglich waren, sei ein Lichtblick gewesen – wenn auch nur ein kleiner. „Das war eher ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Stefan Stang, der trotz der Flaute zum Teil mehr Arbeit auf dem Tisch habe als sonst. „Wenn eine Reise nicht stattfinde­n kann, muss ich mich um die Rückabwick­lung kümmern oder bei Umbuchunge­n Alternativ­en suchen.“

müsse er Aufgaben übernehmen – wie etwa die Rückholung von Urlaubern – die eigentlich in den Händen der Veranstalt­er liegen sollten, in vielen Fällen aber auf die Reisebüros abgewälzt werden.

Für die hierzuland­e und im Ausland geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie habe Stang vollstes Verständni­s. Die Äußerungen vieler Spitzenpol­itiker könne er hingegen weniger nachvollzi­ehen. „Uns wird keine Perspektiv­e geboten. Es heißt nur immer, dass man bloß nicht reisen soll. Reisebüros werden so für die Ausbreitun­g der Pandemie mitverantw­ortlich gemacht.“Solche Aussagen sorgten für ein zu undifferen­ziertes Meinungsbi­ld in der Öffentlich­keit. Stefan Stang sei bereits von einem älteren Herrn verbal attackiert worden, als er vor seinem Reisebüro ein Angebotssc­hild aufstellte.

Die Nachfrage nach Urlaubsrei­sen werde durch „unnötiges TourisAuße­rdem mus-Bashing“niedrig gehalten. „Es gibt Studien, die belegen, dass der Pauschalto­urismus kein Pandemietr­eiber ist“, so Stang. Im vergangene­n Jahr wurden Türkei-Reisende vor der Rückreise im Hotel getestet – weniger als ein Prozent sei positiv ausgefalle­n, so Stang. „Es gab sicherlich Ballermänn­er und Skiurlaube­r, die zur Ausbreitun­g des Virus beigetrage­n haben. Von Reisenden, die sich an die Corona-Regeln halten, geht aber ein entspreche­nd geringes Risiko aus.“Reisen nach Mallorca hält Stang im Moment für sicher: „Es ist nahezu unmöglich, ohne einen negativen Test in ein Flugzeug zu steigen“, sagt er.

Auch Thomas Ernstberge­r aus Dießen war im vergangene­n Monat auf Mallorca. Als er seinen Freunden von dem Plan erzählte, hätten die Reaktionen nicht unterschie­dlicher sein können. „Ich hatte auf Mallorca keine Sekunde Angst vor einer Ansteckung, fühlte mich, da ich mich streng an alle Corona-Vorgaben gehalten habe, total sicher. Ich würde sofort wieder hinfliegen“, schrieb er nach seiner Rückkehr im Ammersee Kurier.

Michael Vivell betreibt ein Reisebüro mit 15 Mitarbeite­rn am Landsberge­r Hauptplatz. Der Wunsch der Menschen wegzufahre­n, werde auch in der Corona-Pandemie nicht kleiner, sagt er. „Es gibt aber viele Fragezeich­en, die wir nun Stück für Stück zu lösen versuchen.“Momentan erwirtscha­fte das Derpart-Reisebüro nur einen Bruchteil seines

Reisebüros haben einige Zusatzaufg­aben

Reiseunter­nehmer aus Landsberg wird beschimpft

gewöhnlich­en Umsatzes. „Es geht in der derzeitige­n Situation nicht darum, was gebucht wird, sondern darum, was tatsächlic­h gereist werden kann“, erklärt Vivell. Gebuchte Reisen könnten aktuell kurz vor Antritt storniert werden – das Risiko für die Kunden sei damit gering. Außer Vivell und den Auszubilde­nden des Betriebs befänden sich alle Mitarbeite­r in Kurzarbeit. Manche von ihnen seien seit einem Jahr nicht mehr im Büro gewesen.

Mallorca-Trips werden bei Michael Vivell nur vereinzelt angefragt. Die Sehnsuchts­orte der Menschen seien aufgrund der momentanen Situation nähergerüc­kt, wie er beobachtet hat. „Oft sind sie ein Berggipfel oder ein Ostseestra­nd.“Reisewilli­ge müssten in der kommenden Zeit wohl weiterhin viel Flexibilit­ät mitbringen, vermutet Vivell. Für sie hat er einen persönlich­en Tipp parat: „Inseln tun sich generell leichter beim Kampf gegen das Coronaviru­s.“Er kann sich vorstellen, dass in diesem Sommer beispielsw­eise einige griechisch­e Inseln, Korsika (Frankreich) oder Sardinien (Italien) begehrt sein werden.

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Fotos: Julian Leitenstor­fer (2)/Sven Hoppe (dpa) Reisen in Corona‰Zeiten sind zum Teil möglich. Die Landsberge­r Reisebüro‰Betreiber Stefan Stang (rechts) und Michael Vivell er‰ zählen von den Herausford­erungen der Krise.
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