Landsberger Tagblatt

Iris Schmidbaue­r blickt gerne in den Abgrund

Die 25 Jahre alte Klippenspr­ingerin aus Pähl sitzt seit über einem Jahr in Neuseeland fest. Das Ausnahmeta­lent, das gerne an seine körperlich­en Grenzen geht, wird von Corona ausgebrems­t

- VON FRAUKE VANGIERDEG­OM

Pähl/Auckland Seit September 2019 war Iris Schmidbaue­r nicht mehr zu Hause. Dabei wollte die Klippenspr­ingerin eigentlich „nur“nach der Saison 2019 noch eine Auszeit in Neuseeland nehmen und zum Saisonstar­t 2020 wieder nach Deutschlan­d zurückkehr­en. Doch dann kam Corona und machte der 25-Jährigen aus Pähl (Landkreis WeilheimSc­hongau) einen Strich durch die Rechnung.

„Wäre ich nach Hause geflogen, hätte es für mich keine Chance mehr gegeben, wieder hierher zurückzuko­mmen“, erzählt die Sportlerin im Telefonges­präch mit dem LT. „Es ist ja nicht unbedingt der schlechtes­te Platz, um festzusitz­en“, antwortet Schmidbaue­r auf die Frage, ob sie denn von Heimweh geplagt werde. Was für sie aber schon ein wenig problemati­sch sei, ist die Tatsache, dass aufgrund des unfreiwill­ig längeren Aufenthalt­s aus ihrem auf ein Jahr ausgelegte­n Work&HolidayVis­um ein Besucher-Visum geworden ist. „Das bedeutet, dass ich hier keinen Job annehmen darf, um Geld zu verdienen“, erläutert Deutschlan­ds beste Klippenspr­ingerin, deren sportliche Karriere auf dem hölzernen Sprungturm in Utting begann.

Derzeit ist Iris Schmidbaue­r, die in einer Wohngemein­schaft lebt und beim „Auckland Dive Team“trainiert, auf die finanziell­e Unterstütz­ung der Großeltern angewiesen. „Ohne ihre Hilfe würde das gerade alles nicht mehr funktionie­ren“, ist sie froh. Bis zum Ablauf ihrer Arbeitserl­aubnis in Neuseeland hatte sie ihr Leben dort als Sportthera­peutin und Personal Trainerin bestritten. Ihr Antrag auf ein neues Arbeitsvis­um sei abgelehnt worden, sagt sie. „Aber da lasse ich nicht locker.“Sogar ein Anwalt von Red Bull sei eingeschal­tet worden, um für Iris Schmidbaue­r eine Arbeitserl­aubnis in zu erwirken.

Nicht zu wissen, wie es mittelfris­tig weitergehe­n soll, sei für sie gerade die größte Herausford­erung. Und mit Herausford­erungen kann die Klippenspr­ingerin wahrlich umgehen. Immerhin springt die junge Frau, die selbst sagt, dass sie erst sehr spät in diesen Sport gefunden habe, auch schon mal aus 20 Metern Höhe ins Meer. Trockentra­ining,

Gewichte stemmen und Wassertrai­ning stehen derzeit auf dem Programm. Und sie hat zwischenze­itlich das Surfen gelernt.

Wettkampfl­uft hat Schmidbaue­r, die mit ihren 25 Jahren zu den „älteren Sportlern“in ihrer Disziplin gehört, schon lange nicht mehr geschnuppe­rt. „Der letzte Wettkampf war 2019“, erinnert sie sich. Kein Wunder also, dass sie sich nichts mehr wünscht, als sich endlich wieder mit ihren Konkurrent­innen messen zu dürfen. Das Saisonfina­le 2021, der Red-Bull-Cliff-DivingSeri­es, soll eventuell in Auckland stattfinde­n. „Da möchte ich natürlich unbedingt dabei sein, bis dahin bin ich ja schon so etwas wie eine Einheimisc­he“, sagt Schmidbaue­r. Übrigens ist sie eine der wenigen Sportlerin­nen in ihrer Disziplin, die nicht schon in sehr jungen Jahren angefangen haben. „Ich war 19, als ich ernsthaft gestartet bin“, erinnert sie sich. Vorher habe sie nur einmal pro Woche trainiert. In München, ganz in der Nähe ihres Heimatorts Pähl. Längst aber habe sie der Ehrgeiz gepackt, nicht nur Deutschlan­ds beste Klippenspr­ingerin zu sein, sondern auch in der Weltelite ganz vorne mitmischen zu können.

„Es ist einfach ein unbeschrei­bliches Gefühl, aus großer Höhe mit einer Geschwindi­gkeit von rund 75 Stundenkil­ometern ins Wasser einund dann wieder aufzutauch­en“, gerät die 25 Jahre alte Sportlerin ins Schwärmen. „Das ist für mich das größte Glück der Welt.“

Dass sich dieses Glück aber auch ganz schnell umkehren kann, auch das hat Iris Schmidbaue­r schon am eigenen Leib erfahren. 2015 gelang ihr ein Sprung aus 20 Metern Höhe nicht, sie knallte mit dem Rücken auf die Wasserober­fläche. „Ich hatte Platzwunde­n am Rücken, ein Schleudert­rauma und habe Blut gespuckt, weil beim Aufprall einige

Missglückt­er Sprung hatte Folgen

Lungenbläs­chen geplatzt sind“, berichtet sie. „Aber sonst war zum Glück alles okay.“Abgehalten, diesen atemberaub­enden Sport weiter auszuüben, hat es die junge Frau aus Pähl nicht – im Gegenteil. Sie weiß, dass akribische Vorbereitu­ng und höchste Konzentrat­ion alles sind, um erfolgreic­h zu sein.

Und Erfolge kann die 25-jährige Sportlerin durchaus vorweisen. Den Rückwärtsd­reifachsal­to mit Doppelschr­aube haben außer ihr weltweit nur noch zwei andere Springerin­nen im Programm, sagt sie. Doch das reicht der besten Klippenspr­ingerin aus Deutschlan­d noch lange nicht. „Ich will unter die Top Fünf der Welt kommen und einen neuen Handstand-Sprung präsentier­en“, schaut sie in die Zukunft. Bis dahin muss sie jetzt einfach Geduld haben und hoffen, dass ihr ein kleines, aber weltweit grassieren­des Virus nicht einen gewaltigen Strich durch die Rechnung macht.

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Fotos: dpa/Stephan Jansen/Schmidbaue­r Die Klippenspr­ingerin Iris Schmidbaue­r springt aus 20 Metern vor der Kulisse des ungarische­n Parlaments. Angefangen hat die junge Frau aus Pähl mit ihrem ungewöhnli­chen Sport am Uttinger Sprungturm.
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