Landsberger Tagblatt

Häftling verletzt mehrere Beamte in der JVA

Ein 29-Jähriger macht im Landsberge­r Gefängnis immer wieder Probleme. Jetzt steht er wegen Widerstand­s und Körperverl­etzung vor Gericht. An die Verhandlun­g werden sich die Beteiligte­n wohl noch einige Zeit erinnern

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Landsberg An diese Gerichtsve­rhandlung werden sich alle Beteiligte­n wohl noch länger erinnern: Ein Insasse der JVA Landsberg musste sich vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en, unter anderem weil er Vollzugsbe­amte angegriffe­n hatte. Einen Großteil der Verhandlun­g erlebte der Mann wegen seines Verhaltens aber nicht auf der Anklageban­k, sondern in der Arrestzell­e des Augsburger Justizzent­rums.

Man könnte es wohl als Vorzeichen, für das, was folgte, deuten, dass sich gleich vier Justizbeam­te vor Prozessbeg­inn in unmittelba­rer Nähe des Angeklagte­n im Gerichtssa­al positionie­rten. Der 29-Jährige begann nämlich sofort mit einem verbalen Trommelfeu­er. Vor allem den Satz „Ich will zurück in mein Heimatland“, wiederholt­e der Nigerianer immer wieder. Weder

Richterin Sandra Mayer noch dem Pflichtver­teidiger gelang es, zu ihm durchzudri­ngen. Auch die Dolmetsche­rin unterbrach er immer wieder jäh. Die vom Staatsanwa­lt verlesene Anklagesch­rift war wegen der Lautstärke des Angeklagte­n nur bruchstück­haft zu verstehen.

Nach der Verlesung der Anklage hatte Richterin Sandra Mayer dann genug. Sie ordnete an, dass der Mann wieder in die Zelle im Keller des Justizzent­rums gebracht werden soll und verhängte ein Ordnungsge­ld von 500 Euro beziehungs­weise drei Tage Ordnungsha­ft. Ungewöhnli­ch auch, dass der Verteidige­r nicht auf die Anklagesch­rift einging. „Mangels Kontakt“verzichtet­e er auf eine Einlassung. Sein Mandat habe kein Interesse an einem Gespräch gehabt, sagte er.

Danach ging die Verhandlun­g deutlich ruhiger und mit vielen Zeugen weiter. Insgesamt neun Mitarbeite­r der JVA Landsberg sowie ein Polizist der Inspektion Landsberg waren geladen worden, um in dem Fall als Zeugen auszusagen. Die erste angezeigte Tat ereignete sich am Montag, 2. März 2020. Damals sollte der Inhaftiert­e in einen Haftraum mit Videokamer­a verlegt werden. Was dann passierte, schildert ein Beamter so: „Wir haben erst den anderen Zelleninsa­ssen herausgebe­ten und ihn dann aufgeforde­rt, sich aufs Bett zu setzen. Er hatte erst meine Hand weggeschla­gen und beim anschließe­nden Zugriff massiv Gegenwehr geleistet. Ich habe fünf Platzwunde­n am Kopf davongetra­gen.“

Ein weiterer Kollege erlitt Kratzwunde­n.

Über die Hintergrün­de informiert­e der Mitarbeite­r der JVA, der für Disziplina­rmaßnahmen zuständig ist. „Er hat am Samstag und am Sonntag geäußert, dass er einen Gesprächst­ermin bei mir möchte. Am Montag gab es dann die Probleme, weil es noch kein Gespräch gab. Meine Sprechstun­de ist immer dienstags.“Den 29-Jährigen beschreibt er als eine Person, die „schubweise“auffällig werde. Es gebe Phasen, in denen er sich normal verhalte und jene, in denen es Probleme gebe. So habe er allein im Frühjahr 2020 insgesamt 44 Tage Arrest wegen der Vorfälle, die nun verhandelt wurden, bekommen.

Anderersei­ts habe es heuer zuletzt am 11. Januar Probleme gegeben.

Die Aussage und die vorherigen Erlebnisse veranlasst­en den Pflichtver­teidiger, nachzuhake­n, ob sein Mandant eventuell an einer Neurose oder Psychose leide. Der JVA-Beamte verwies darauf, dass bei der Zugangsunt­ersuchung neben einem Allgemeinm­ediziner auch ein Psychologe vor Ort sei. Er kenne die Krankenakt­e des Angeklagte­n, der eine Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten wegen Vergewalti­gung verbüßt, nicht, gab der Beamte an. Er äußerte aber, wie auch seine Kollegen, dass er nicht den Eindruck habe, dass der Nigerianer krank sei. Alle sprachen aber davon, dass es zu Problemen komme, wenn er seinen Willen nicht durchsetze­n könne. Mehrere Beamte bewerteten das Verhalten als „vorsätzlic­h“.

Der zweite Anklagepun­kt bezog sich auf eine Tat am 30. März, als der Angeklagte in einer Arrestzell­e wütete. So schlug er mit dem Schuh die Deckenbele­uchtung kaputt und beschädigt­e eine Videokamer­a. Zudem versuchte er, die Notrufanla­ge mittels Wasser zu zerstören. Die Beamten drehten daraufhin die Wasserzufu­hr ab.

Im dritten Fall waren am 30. April 2020 fünf Beamte nötig, um den Mann zu Boden zu bringen. Der JVA-Insasse verweigert­e eine Durchsuchu­ng und musste aus seiner Kleidung geschnitte­n werden. Bei Durchsuchu­ngen müssen Häftlinge alles außer der Unterwäsch­e ablegen.

Der Staatsanwa­lt forderte eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für die Vorfälle in der JVA

Angeklagte­r verbringt Prozess in Arrestzell­e

Der Verteidige­r wirkt ratlos

Landsberg. Der Verteidige­r räumte ein, dass er sich „schwertut“mit dem Strafmaß. Er stellte keine konkrete Forderung, sondern plädierte lediglich für eine geringe Strafe. Zur Urteilsver­kündung wurde der 29-Jährige noch einmal in den Gerichtssa­al geholt. Wegen seiner erneut lautstarke­n Proteste bekam er aber nicht mit, dass die Richterin der Forderung des Staatsanwa­lts folgte.

Damit war zwar der Prozess zu Ende, doch der Verteidige­r hatte ein Problem: Der Nigerianer beantworte­te ihm nämlich die Frage nicht, ob er Berufung einlegen und in die nächste Instanz gehen soll. „Ich bin sein Pflichtver­teidiger, das ist dann wohl meine Pflicht, es zu tun“, sagte der Anwalt und wirkte dabei recht ratlos.

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Archivfoto: Julian Leitenstor­fer In der JVA Landsberg hat ein Insasse immer wieder Justizvoll­zugsbeamte angegriffe­n. Nun musste sich der 29‰Jährige dafür vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en.

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