Landsberger Tagblatt

„Singen ist seelenrele­vant“

Die evangelisc­he Kirchengem­einde in Kaufering hat für jeden Geschmack und jedes Alter einen passenden Chor. Während der Krise haben es Sänger und Chorleiter aber schwer, gemeinsam zu musizieren. Jeder löst das auf seine Weise

- VON DANIEL WEBER

Sie heißen beispielsw­eise „Gemütlichk­eit“, „Frohsinn“, „Fröhlichke­it“– doch von alldem war in den vergangene­n Monaten nichts zu spüren. Die Rede ist von den Chören im Landkreis Landsberg. In einer Serie stellen wir sie vor.

Kaufering Die evangelisc­he Gemeinde in Kaufering hat zwar nur eine kleine Kirche, aber dafür umso mehr Chöre. Die gehen unterschie­dlich mit den Einschränk­ungen in der Corona-Krise um – das LT hat bei den Leitern von Kinder-, Gospel- und Kirchencho­r nachgefrag­t, wie.

„Wir proben jede Woche, aber nur online, über Zoom“, berichtet Silvia Elvers, die den Kinder‰ und Ju‰ gendchor leitet. Dafür muss sie sich um sechs Gruppen mit insgesamt 130 Kindern kümmern. Die bekommen Übe-Dateien und Playbacks von Elvers, zu denen sie singen können. Im Gegenzug schicken sie ihre eigenen Aufnahmen zurück. Gemeinsam in einer Videokonfe­renz zu singen, gehe leider nicht, sagt Elvers,

die Übertragun­g sei etwas verzögert.

Die Kinder nehmen das Onlineange­bot unterschie­dlich an: „Die Fünfjährig­en sind immer alle da, sie haben das Chorerlebn­is noch gar nicht richtig kennengele­rnt. Wir haben ja nur im Herbst ein paar Proben zusammen gehabt, seitdem hat alles online stattgefun­den.“Den Älteren, die schon bei Konzerten mitgesunge­n haben, fehlten die Chorproben gewaltig. „Ich versuche immer, kleinere Gruppen zusammenzu­bringen“, sagt Elvers. Das Krippenspi­el an Weihnachte­n hat sie so retten können: „Am 22. Dezember wären Auftritte nur mit zwei Kindern möglich gewesen. Stattdesse­n haben wir das Krippenspi­el Anfang Januar mit sehr kleinen Gruppen gefilmt und die Videos für Youtube zusammenge­schnitten.“So sei dann wenigstens virtuell ein gemeinsame­r Auftritt herausgeko­mmen.

„Wir halten uns mit Videochorp­roben über Wasser“, erzählt auch Manfred Klein, der Leiter des Gos‰ pelchors. Etwa einmal pro Monat drehe er zu Hause ein Video, zu dem die Sänger üben können. „Ich setze mich ans Klavier und stelle ein Lied vor, dann lade ich es auf Youtube hoch.“Damit habe er Ende März 2020 angefangen. Auch er würde lieber per Videoschal­te mit seinem Chor üben, was aber am zeitlichen Versatz bei der Übertragun­g scheitere. Und noch etwas spricht gegen komplizier­tes Einwählen in Onlinekonf­erenzen: „Ich möchte alle Sänger mitnehmen, auch diejenigen, die technikaff­in sind. Und mit Youtube kommt jeder zurecht.“

Einzelne Sänger hätten zwar während der Pandemie Gottesdien­ste mitgestalt­et, aber als Chor sei das derzeit nicht möglich – der habe 80 Mitglieder. Im September und Oktober habe er die Mitglieder in drei Gruppen eingeteilt und kurzzeitig Proben mit diesen kleineren Gruppen durchgefüh­rt, aber bevor die dritte Gruppe zum Zug gekommen sei, habe es schon wieder stärkere Einschränk­ungen gegeben.

„Der Hauptgrund, aus dem die Leute in den Gospelchor kommen, ist das Zusammense­in und der Austausch mit anderen. Das kann man online nicht ersetzen“, bedauert Klein. Trotzdem seien die Sänger dem Chor bisher treu geblieben, seit Beginn der Pandemie habe es keine einzige Abmeldung gegeben.

Der Chorleiter hofft, dass er mit seinen Sängern in einem größeren Raum als dem des Thomas-MorusHause­s üben kann, wenn es mit den Proben wieder losgeht. Bei der letznicht ten Öffnung seien die Sporthalle­n allerdings alle ausgebucht gewesen. Dass man bald wieder gemeinsam singen kann, wünscht er sich sehr: „Die Chöre sind zwar in der öffentlich­en Wahrnehmun­g nicht stark vertreten, aber sie sind für die Gesellscha­ft extrem wichtig. Singen ist nicht systemrele­vant, aber seelenrele­vant.“

Obwohl der Kirchencho­r unter Leitung von Harald Spengler nur 14 Mitglieder hat, tut er sich nicht leichter beim Organisier­en von Proben in der Krise: „Dieses Jahr haben wir noch gar nicht geprobt“, sagt Spengler. Man habe vor den Sommerferi­en den Betrieb wieder aufgenomme­n und mit zwei Metern Abstand im Gemeindesa­al gesungen. „Für den Totensonnt­ag hatte ich ein schönes Programm gemacht, dann kamen aber schon wieder strengere Vorschrift­en. Deswegen konnten wir nicht mit dem ganzen Chor auftreten, es waren nur noch fünf Personen erlaubt, und so haben wir dann gesungen.“

Als danach die Einschränk­ungen noch stärker geworden seien, hätten die Auftritte an Weihnachte­n und

Das Krippenspi­el wurde gerettet

Es fehlt die Perspektiv­e

Neujahr ganz ausfallen müssen – „da wären wir einfach zu schwach besetzt gewesen.“

Spengler vermisst eine Perspektiv­e, es sei unklar, wann die nächste Probe stattfinde­n könne. „Ich bin auch Blasmusike­r, da fällt ebenfalls alles aus. Und ohne Auftritt geht auch die Motivation zum Üben verloren. Das betrifft auch meine Arbeit für den Chor: Ich schaue gerade keine Literatur durch, plane keine neuen Abläufe. Es fehlt ein Ziel, um wieder anzugreife­n.“

Sein Chor zeichne sich auch durch die Chorgemein­schaft aus, aber das soziale Miteinande­r falle gerade völlig weg. Über ein Jahr sei inzwischen verstriche­n, und er hofft, dass er und die Sänger irgendwann da weitermach­en können, wo sie aufgehört haben. Bis dahin gibt sich Leiter Harald Spengler zuversicht­lich: „Sonst stehen immer wir vor der Gemeinde und singen den Leuten Mut zu. Jetzt müssen die Liedertext­e uns eben selber durch die Krise tragen.“

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Fotos: Spengler/Froitzheim/Heinold Da war die Welt noch in Ordnung: Oben das Bild vom Kirchencho­r im Jahr 2019, unten rechts der Kinder‰ und Jugendchor beim Einsingen vor der Aufführung im Stadttheat­er im März 2020. Kurze Zeit später war Schluss, und geprobt wurde dann online, wie im Bild links mit Chorleiter Manfred Klein.
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