Landsberger Tagblatt

Der Nordpol muss weichen

Warum die Buchstabie­rtafel überarbeit­et wird

- VON RICHARD MAYR

Hallo, funkt hier noch jemand? Gut, wir buchstabie­ren: Albert, Nathan, Friedrich, Albert, Nathan, Gustav. Richtig, bitte zurück zum A-N-F-A-N-G der Buchstabie­rtabelle. 1903 tauchte sie im Berliner Telefonbuc­h auf und etablierte sich bis in die 1930er Jahre hinein zum Standard in Deutschlan­d. Sie bestand hauptsächl­ich aus Eigennamen und half in den Fällen, in denen es auf korrekte Schreibung ankam.

Allerdings fiel 1933 einem gewissen Herrn Joh. Schliemann auf, dass die Tabelle auch jüdische Namen enthielt: D wie David, N wie Nathan, S wie Samuel, die durch deutsche Namen ersetzt werden könnten. Was die Nazi-Maschineri­e mit deutscher Gründlichk­eit tat: Also wurden die jüdischen Namen getilgt und stattdesse­n Dora, Nordpol und Siegfried aufgenomme­n. Nur Letzterer wurde nach dem Krieg wieder offiziell durch Samuel ersetzt.

Nun hat die Anfrage von Michael Blume, des Antisemiti­smus-Beauftragt­en

Baden Württember­gs, beim Deutschen Institut für Normung (DIN) dazu geführt, dass die DIN 5009, die Diktiertab­elle, wieder grundsätzl­ich überarbeit­et wird. Blume hätte dort gerne wieder die jüdischen Namen aufgenomme­n gesehen, das Institut allerdings schlägt wegen einer geänderten gesellscha­ftlichen Realität einen gänzlich neuen Weg ein: keine Eigennamen mehr, sondern Städtename­n. Denn die bisherigen Namen, so die DINNormer, spiegeln die kulturelle Diversität der Bevölkerun­g in Deutschlan­d nicht wider. Im Herbst soll der Entwurf vorgestell­t werden. Dann wird klar, ob die Diktiertab­elle künftig mit Aachen oder mit Augsburg beginnt.

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Foto: dpa „N wie Nordpol“: In Deutschlan­d wird nach DIN‰Norm buchstabie­rt.

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