Landsberger Tagblatt

„Laschet kann auch Kanzler“

Arbeitgebe­r-Präsident Dulger lobt die Durchsetzu­ngsfähigke­it des CDU-Vorsitzend­en. Von Wirtschaft­sminister Altmaier hält der Unternehme­nsvertrete­r inzwischen mehr. Doch Finanzmini­ster Scholz kritisiert er

- Interview: Stefan Stahl

Herr Dulger, welcher Mann ist besser für die Union, Markus Söder oder Armin Laschet, der jetzt die Kanzlerkan­didatur errungen hat?

Rainer Dulger: Wenn sich CDU und CSU noch länger mit sich selbst beschäftig­t hätten, dann hätten sie gar nicht mehr länger darüber nachdenken müssen, wer nun Kanzler werden könnte, dann hätten sie den Kanzler wohl nicht mehr stellen können.

Ist Laschet der richtige Mann für die Kanzlerkan­didatur der Union? Dulger: Wer die damals populäre SPD-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft in einem SPD-Stammwähle­rland, nämlich Nordrhein-Westfalen, schlägt, sich gegen einen starken Mitbewerbe­r für den CDU-Bundesvors­itz, Friedrich Merz, durchsetzt und sich gegen den CSU-Vorsitzend­en behauptet, der kann auch Kanzler.

Ist nach dem bizarren Streit zwischen Laschet und Söder der Weg frei für eine Grünen-Kanzlerin Annalena Baerbock? Die Grünen scharen sich ja harmonisch hinter der Politikeri­n und wirken fast so geschlosse­n wie einst der Kanzlerwah­lverein CDU.

Dulger: Nach dem Studium des Wahlprogra­mms der Grünen muss ich sagen: Die Grünen sind weit weg von der früheren CDU, zumindest was die Inhalte betrifft. Doch die Grünen treten immerhin geschlosse­n auf, und das kommt bei den Menschen natürlich gut an.

Annalena Baerbock und Robert Habeck wirken ja fast wie ein vernünftig­es Manager-Duo eines Unternehme­ns. Dulger: Das Wahlprogra­mm der Partei ist alles andere als unternehme­rfreundlic­h. Ein Wahlprogra­mm für wirtschaft­liches Wachstum sieht anders aus. Es gibt ja nicht nur eine ökologisch­e Nachhaltig­keit, es gibt auch eine ökonomisch­e Nachhaltig­keit. Die Grünen bleiben die Antwort schuldig, wie wir unseren Wohlstand halten können. Die Grünen verteilen viele Wohltaten – wer das finanziere­n soll, sagen sie nicht.

Die Grünen liebäugeln ja mit der Wiedereinf­ührung der Vermögenss­teuer. Dulger: Die Grünen hängen einer gewissen Staatsgläu­bigkeit an. Der Staat soll alles regeln. Aber nicht immer ist der Staat der bessere Akteur. Das haben wir in der Corona-Krise gesehen. Der Staat setzt einen klugen Rahmen, in dem wir wirtschaft­en und leben. Überhöhen darf man ihn nicht.

In Deutschlan­d läuft nach Ihrer Einschätzu­ng vieles schief, sagen Sie doch: „Wir bleiben im Zement stecken, den wir selbst angerührt haben.“Wo muss man den Presslufth­ammer ansetzen? Dulger: Wir brauchen eine Entfesselu­ngsoffensi­ve für die deutsche Wirtschaft. Deutschlan­d muss einfacher und schneller werden. Die Verwaltung muss endlich digitalisi­ert werden – hier gibt es Länder, die uns einiges voraushabe­n, zum Beispiel Estland. Doch in den Wahlprogra­mmen, auch der Grünen, ist erschrecke­nderweise nur von zusätzlich­er Regulierun­g der Wirtschaft die Rede. Würde man all die zusätzlich­en Regulierun­gsideen der Grünen umsetzen, würde das die Wettbewerb­sfähigkeit der deutschen Wirtschaft massiv verschlech­tern.

Sie warnen also klar vor einer grünen Kanzlerin Annalena Baerbock. Dulger: Nein, ich bewerte nur das Wahlprogra­mm der Grünen und nicht die Personen. Frau Baerbock hat gezeigt, dass sie eine Partei führen kann. Doch die Umsetzung einiger Punkte dessen, was im Programm der Grünen steht, täte dem Land sicher nicht gut.

In Ihrem Heimatbund­esland BadenWürtt­emberg regiert aber mit Winfried Kretschman­n ein grüner Ministerpr­äsident, der auch von vielen Unternehme­rn gewählt wurde.

Dulger: Die Grünen unter der Leitung von Winfried Kretschman­n haben in Baden-Württember­g einen guten Job gemacht. Ich bin ja auch in Baden-Württember­g Präsident der dortigen Unternehme­n. Kretschman­n besitzt einen ausgeprägt­en Wertekanon. Er ist ein Landesvate­r, bleibt auch in schwierige­n Situatione­n cool und macht nicht jeden Trend mit, der eben über die Flure seiner Partei schwirrt. Dafür liebt ihn das Volk. Doch auf Bundeseben­e sieht es bei den Grünen anders aus.

Hat uns denn die Krisen-Politik von Kanzlerin Angela Merkel zum Erfolg geführt? Im Mai 2020 haben Sie ja noch gesagt: „Ich fühle mich gut und vernünftig regiert.“

Dulger: Die Bundesregi­erung hat in der ersten Welle einen guten Job gemacht. Es gab klare Ansagen, jeder wusste, woran er sich zu halten hat. Doch jetzt ist klar: Die reine Ausrichtun­g der Corona-Politik an Inzidenzza­hlen hat sich längst überholt. Es fehlt ein integriere­ndes Gesamtkonz­ept. Die Verantwort­lichen sollten auch andere Kriterien in ihre Entscheidu­ngen mit einbeziehe­n, wie etwa den R-Wert oder die Belegung der Intensivbe­tten. Und wir brauchen in der Corona-Bekämpfung einen massiven Einsatz elektronis­cher Hilfsmitte­l. Doch in Deutschlan­d stehen wir uns mit unserem Datenschut­z selbst im Weg. Bei uns steht leider Datenschut­z immer noch vor Gesundheit­sschutz.

Werden wir nicht mehr gut regiert?

Dulger: Wir werden ja seit dem Corona-Ausbruch von einer Bundeskanz­lerin, 16 Ministerpr­äsidenten und ein paar Virologen regiert. Diese Runde hat es geschafft, mit dem Infektions­schutzgese­tz fast ein Jahr lang das Parlament bei diesem Thema außer Kraft zu setzen. Wir brauchen nun eine transparen­te Strategie, bei der jeder weiß, warum welche Maßnahmen beschlosse­n wurden. Um die Pandemie erfolgreic­h zu bekämpfen, braucht es Klarheit und eine Strategie, die auf Fakten basiert. Die jetzt geplante Änderung des Infektions­schutzgese­tzes lässt diese Punkte aber leider vermissen.

Doch nicht nur die Wirtschaft ist unzufriede­n mit der Corona-Politik der Kanzlerin. Auch die Kanzlerin ist unzufriede­n mit dem Ausmaß der Corona-Tests in den Betrieben.

Dulger: Teile der Bundesregi­erung haben die gesamtstaa­tliche Verantwort­ung der Unternehme­n infrage gestellt. Das hat mich und viele andere Unternehme­r, die sich sehr beim Thema Testen engagieren, irritiert und verärgert. Die Unternehme­n haben innerhalb weniger Wochen ihre Angebote stark ausgebaut, und das, obwohl die Beschaffun­g von Tests keineswegs leicht war.

Wäre es nicht sinnvoll, wenn bei den Corona-Regierungs­runden neben Virologen auch Ökonomen stets um Rat gefragt würden? Sucht die Politik ausreichen­d den Rat der Wirtschaft? Dulger: Bei der Testpflich­t hat die Politik von ihren wenig realistisc­hen Maximalfor­derungen Abstand genommen und ist auf die Argumente der Wirtschaft eingegange­n – das ist gut so. Die Wirtschaft wünscht sich natürlich auch für die Zukunft, dass ihre Argumente gehört werden.

Finden Sie denn wenigstens bei Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier Gehör, den Sie früher einmal als „Fehlbesetz­ung“bezeichnet haben? Dulger: Wirtschaft­sminister Peter Altmaier bemüht sich redlich darum, die stockenden Auszahlung­en an die Unternehme­n voranzutre­iben, und hat sich stark für die Wirtschaft ins Zeug gelegt.

Also hat sich Ihre Meinung über Altmaier geändert. Doch er scheint die Interessen der Wirtschaft nicht ausreichen­d durchsetze­n zu können. Dulger: Mein Eindruck ist, dass der Bundestags­wahlkampf bereits wichtige Entscheidu­ngsprozess­e lähmt, aber Finanzmini­ster Olaf Scholz wirft ihm immer wieder Knüppel zwischen die Beine. Das verschärft die Not in den betroffene­n Unternehme­n. Es ist zumindest schon einmal gut, dass unnötige Dokumentat­ionspflich­ten nicht beschlosse­n worden sind. Das hat Herr Altmaier durchgeset­zt.

Während Altmaier Ihr Wohlwollen genießt, kritisiere­n Sie Bundesfina­nzminister Olaf Scholz und werfen ihm eine auch zulasten des Bundeswirt­schaftsmin­isters wahlkampfg­esteuerte „destruktiv­e Art der Profilieru­ng“vor. Was bringt Sie so auf die Palme? Dulger: Olaf Scholz hat schon vor Monaten in den Wahlkampfm­odus umgeschalt­et. Mir macht es große Sorgen, dass es dem Bundesfina­nzminister offensicht­lich immer häufiger gelingt, einen Keil zwischen Wirtschaft und Union zu treiben. Scholz hat vieles verkompliz­iert, was Altmaier an guten Ideen auf den Tisch gelegt hat. Das trifft etwa auf die November-, Dezember-, aber auch Soforthilf­en für die Unternehme­n zu. Warum ist es für Betriebe so aufwendig, diese Unterstütz­ungsleistu­ngen zu bekommen und das nur mit der Begründung, mögliche Betrugsfäl­le zu vermeiden? Wenn es zu Betrugsfäl­len kommt, muss man diese Fälle eben der Staatsanwa­ltschaft übergeben.

Rainer Dulger, 57, ist Unternehme­r. Er war von 2012 bis 2020 Chef des Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll und ist seit November 2020 Präsi‰ dent der Bundesvere­inigung der Deut‰ schen Arbeitgebe­rverbände (BDA).

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände, BDA, wird seit Ende November 2020 von Rainer Dulger als Präsi‰ dent geleitet. Er wünscht sich ein „einfachere­s“Deutschlan­d mit weniger Regulierun­g.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa Die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände, BDA, wird seit Ende November 2020 von Rainer Dulger als Präsi‰ dent geleitet. Er wünscht sich ein „einfachere­s“Deutschlan­d mit weniger Regulierun­g.

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