Landsberger Tagblatt

„Ich vermisse meinen Vater“

Johannes „Jopi“Heesters wurde 108 Jahre alt. Wie seine Tochter, die Schauspiel­erin Nicole Heesters, über ihn und das Älterwerde­n denkt – und was sie gerade traurig macht

- Interview: Josef Karg

Frau Heesters, in dem ZDF-Fernsehfil­m „Ein Sommer in Antwerpen“, in dem Sie mitspielen, geht es um das Thema Mode. Wie wichtig ist Mode für Sie?

Nicole Heesters: Das ist für mich privat kein großes Thema.

Nie gewesen?

Heesters: Nie. Ich sehe gerne gut angezogene und gepflegte Menschen. Klar kann man in der Mode wunderbare Fantasien austoben, und es gibt herrliche Modeentwer­fer. Aber ich bin eher langweilig angezogen.

Was ziehen Sie denn gerne an? Heesters: Klassische Formen. Das fade klassische Kostüm, sehr guter Stoff, der auch jahrelang hält. Darum verstehe ich auch das Wort Shoppen nicht. Mich zieht es nicht zum Einkaufen. Aber ich finde es wunderbar, was eine Designerin wie die verrückte Vivienne Westwood in Sachen Mode getrieben hat.

Fühlt man sich als Schauspiel­erin, als öffentlich­e Person, in dieser Hinsicht unter Druck, weil man weiß, dass man mehr beobachtet wird als andere? Heesters: Ich werde nur auf der Bühne beobachtet. Das ist mein Beruf, da stelle ich mich zur Schau. Aber das mache ich doch nicht im Leben.

Werden Sie auf der Straße nicht erkannt?

Heesters: Doch! Aber darüber denke ich nicht nach. Oh Gott, was stellen Sie für Fragen! Ich weiß, dass ich gute Sachen trage, darum fühle ich mich meist auch sicher. Auf der Bühne wage ich dann sogar Ungewöhnli­ches.

Sie spielen viel Theater. Was reizt Sie an der TV-Rolle im ZDF-Film, in dem Sie eine Großmutter spielen, die nach ihrer Sandkasten­freundin sucht? Heesters: Ganz einfach: Ich war froh, dass so ein Angebot kam, denn ich hatte ein Jahr nichts gearbeitet. Da habe ich nicht lange nachgefrag­t.

Aber Ihre Vorliebe gilt dem Theater. Heesters: Ja, das ist mein Beruf.

Warum stehen Sie lieber auf der Bühne als vor der Kamera?

Heesters: Ich mag das immerwähre­nde Weiterlern­en am Theater. Bei jeder Vorstellun­g kommt etwas Neues hinzu, man kann viel ausprobier­en und kann sich entwickeln. Bei der Filmarbeit, die größte Konzentrat­ion verlangt, da muss man nur funktionie­ren. Wenn der Regisseur sagt, wir haben das Bild, war es das. Beim Film kriegt man auch am Tag davor noch neuen Text, den man schnell lernen muss. Das sind alles Sachen, die ich nicht mag.

Wie kommen Sie damit zurecht, dass gerade alle Theater geschlosse­n sind? Heesters: Das macht mich traurig. Man sieht, wie überflüssi­g Theater ist. Die Leute wollen Shoppen oder Fußball, und erst irgendwann kommt dann Kunst und Theater. Ich spiele seit bald eineinhalb Jahren nicht mehr. Ich habe das Gefühl, meine Zeit des Theaters ist vorbei.

Darf man mit Ihnen auch über Ihren berühmten Vater Johannes, also „Jopi“Heesters, sprechen oder nerven Sie die ewig gleichen Fragen? Heesters: Natürlich, das ist ja mein Vater.

War für Sie der Name Heesters im Leben von Vorteil oder eher belastend? Heesters: Er hat mich jedenfalls ein Leben lang begleitet. Mal war es ein Vorteil, selten ein Nachteil. Im Grunde bin ich schon stolz auf meinem Vater und stolz auf diesen Namen. Wir haben beide unser Möglichste­s getan, dass der Name einen guten Ruf hat. Mein Vater hat zu mir immer gesagt: Nicole, ich bin vielleicht für dich das Sprungbret­t, aber springen musst du selber.

Wie war das Verhältnis zu ihm? Heesters: Ein Verhältnis, wie es halt Kinder zu ihren Eltern haben. Mal lieben sie sie, mal gehen sie ihnen auf die Nerven. Jetzt, wo mein Vater nicht mehr da ist, vermisse ich ihn schmerzlic­h. Wir hatten im Grunde ein sehr gutes Verhältnis zueinander.

Ihr Vater wurde 108 Jahre alt. Wie bereiten Sie sich darauf vor, möglicherw­eise sehr alt zu werden? Heesters: Ach Gott, nein! Ich denke gar nicht daran. Ich bete zu Gott, dass ich gesund und unabhängig bleibe. Ich würde gerne bis zu meinem Ende in dieser Wohnung bleiben. Der Welt zuzuschaue­n ist schon ganz schön, aber nur, wenn man selbst noch in Form ist. Wenn die Lebensqual­ität nicht mehr stimmt, dann soll es bitteschön auch zu Ende gehen. Glückliche­rweise kann man nicht in seine Zukunft blicken.

Sie sagen, Sie hätten nur ein Leben und versuchten sich das jeden Tag bewusst zu machen und verantwort­lich zu leben. Wie sieht das aus? Heesters: Ich will tatsächlic­h die Momente genießen. Ich möchte den

Tag leben. Dabei geht es nicht um finanziell­e Sachen. Dazu brauche ich nur auf einer Bank zu sitzen und auf eine grüne Wiese zu gucken. Oder ich sitze in meiner Wohnung und schaue die Bücher an, die ich ein Leben lang gesammelt habe. Es kann aber auch eine herrliche Tasse Tee sein, bei der man sich denkt: Mein Gott, geht’s mir gut! Das alles macht mein Leben schön.

Frau Heesters, ein Thema muss ich noch ansprechen. Sie haben Fernsehges­chichte geschriebe­n und waren 1978 die erste „Tatort“-Kommissari­n. Was hat das für Sie bedeutet?

Heesters: Gegenfrage: Warum habe ich es nur dreimal gemacht?

Das wäre meine letzte Frage gewesen. Heesters: Also gut. Ich fand es sehr reizvoll, dass ich die erste Kommissari­n spielen durfte. Das habe ich dreimal gemacht, und dann wurde ich beim Bäcker mit Frau Buchmüller angesproch­en und nicht mehr mit meinem Namen. Da habe ich gesagt: So, jetzt reicht es mir!

Haben Sie es bereut, schon nach drei Folgen ausgestieg­en zu sein? Heesters: Nein. Ich habe es ja gemacht, und wir hatten eine wunderbare Zeit. Dann wollte ich nicht mehr und ich habe es nie bereut.

Nicole Heesters, 84, war mit Büh‰ nenbildner Pit Fischer verheirate­t, der 2010 starb. Tochter Saskia Fischer ist ebenfalls Schauspiel­erin. Der ZDF‰Film „Ein Sommer in Antwerpen“läuft am Sonntag um 20.15 Uhr.

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Foto: Jens Kalaene, dpa „Ich bete zu Gott, dass ich gesund und unabhängig bleibe“: Schauspiel­erin Nicole Heesters.

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