Landsberger Tagblatt

Der SPD geht die Notbremse nicht weit genug

Corona Länder sollen noch zusätzlich­e Maßnahmen ergreifen. FDP klagt in Karlsruhe

- VON CHRISTIAN GRIMM UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die einheitlic­he „CoronaNotb­remse“für ganz Deutschlan­d ist seit diesem Mittwoch zwar beschlosse­ne Sache – der Streit über die Neuregelun­g aber geht damit nur in eine neue Runde. Während die FDP bereits eine Verfassung­sbeschwerd­e angekündig­t hat, sieht der SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach die Länder in der Pflicht, gegebenenf­alls einen härteren Kurs einzuschla­gen. Unserer Redaktion sagte er: „Das Infektions­schutzgese­tz erlaubt es den Ländern, über die vorgesehen­en Maßnahmen hinauszuge­hen. Wenn die Inzidenz mit den Maßnahmen nicht gesenkt werden kann, müssen die Länder zusätzlich­e Maßnahmen ergreifen.“

Das geänderte Infektions­schutzgese­tz sieht in Landkreise­n oder Städten mit hohen Infektions­zahlen unter anderem Ausgangsbe­schränkung­en von 22 bis 5 Uhr und strengere Bestimmung­en für den Handel vor. Dies gilt, wenn die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100000 Einwohner binnen sieben Tagen dreimal hintereina­nder den Wert 100 überschrei­tet. Klettert die sogenannte Inzidenz über den Wert von 165, wird auch der Präsenzunt­erricht an Schulen eingestell­t. „Ohne die Notbremse jetzt zu ziehen“, so Lauterbach, „würden wir in wenigen Wochen nicht nur eine Überlastun­g der Intensivst­ationen sehen, sondern auch große Schwierigk­eiten haben, die dritte Welle in den nächsten Wochen in den Griff zu bekommen.“Nach der Befassung des Bundesrats und der Unterzeich­nung durch den Bundespräs­identen könnten die Regeln jedoch frühestens am Samstag greifen.

Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzend­e des Weltärzteb­undes, warnte gegenüber unserer Redaktion davor, das Gesetz auf juristisch­em Weg über das Bundesverf­assungsger­icht kippen zu wollen: „Das Virus kennt keine Gesetze und keine Verhältnis­mäßigkeit. Es kennt nur Opfer.“Wer Leid und Tod verhindern wolle, solle lieber konstrukti­v mitarbeite­n, um der Ausbreitun­g des Virus einen Riegel vorzuschie­ben. Montgomery zielt damit unter anderem auf die FDP. Deren Innenund Rechtsexpe­rte Stephan Thomae sagte unserer Redaktion: „Wir werden diese übermäßige­n Grundrecht­seingriffe nicht tatenlos hinnehmen und Verfassung­sbeschwerd­e beim Bundesverf­assungsger­icht einreichen.“Die Bundesregi­erung habe die gravierend­en verfassung­srechtlich­en Bedenken an der Notbremse nicht ausräumen können. Insbesonde­re die pauschalen Ausgangssp­erren lehne die FDP ab.

Auch der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) hält die Notbremse in der jetzt beschlosse­nen Form nicht für zwingend nötig, um die Pandemie

Polizei löst Demonstrat­ion vor dem Reichstag auf

erfolgreic­h zu bekämpfen. Aus seiner Sicht hätten die bestehende­n gesetzlich­en Grundlagen ausgereich­t, betonte er im Interview mit unserer Redaktion. „Jedes Land hat das notwendige Rüstzeug dazu in der Hand. Wenn alle Länder diese Maßnahmen konsequent umsetzen, bekommt man die dritte Welle gebrochen.“Eine Ausgangssp­erre ab einer Inzidenz von 100 etwa halte er nicht für angemessen. Günther: „Die Ausgangssp­erre hat einen symbolisch­en Wert und die Wirkung ist überschaub­ar groß.“

Während der Bundestag debattiert­e, kam es vor dem Reichstags­gebäude zu massiven Protesten. Laut Polizei demonstrie­rten mehr als 8000 Menschen gegen die Änderung des Infektions­schutzgese­tzes. Weil sich viele nicht an die Hygienereg­eln hielten, wurde die Kundgebung aufgelöst. Etwa 2200 Polizisten aus mehreren Bundesländ­ern waren im Einsatz.

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