Landsberger Tagblatt

„Tritt gegen das Schienbein der Flugzeugba­uer“

Airbus räumt ein, dass der Luftfahrt-Konzern das Augsburger Werk in zwei Bereiche aufspalten will. Das empört den Betriebsra­tsvorsitze­nden Sebastian Kunzendorf. Doch noch stehen Verhandlun­gen mit den Arbeitnehm­ern an

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Sebastian Kunzendorf ist empört. Der Betriebsra­tsvorsitze­nde des Augsburger Premium-Aerotec-Werkes reagiert am Mittwochab­end mit heftiger Kritik auf die Pläne des Mutter-Konzern Airbus, das Werk mit noch gut 2800 Mitarbeite­rn in zwei Teile aufzuspalt­en. Über entspreche­nde Überlegung­en des Unternehme­ns hatte unsere Redaktion vorab berichtet. Der Arbeitnehm­ervertrete­r sagte: „Das ist ein deutlicher Tritt gegen das Schienbein eines jeden Augsburger Flugzeugba­uers.“Eine mögliche Zerschlagu­ng des Standortes und damit auch des Airbus-Zulieferer­s Premium Aerotec sei immer das Worst-Case-Szenario, also die schlimmstm­ögliche Entwicklun­g gewesen. Kunzendorf will zunächst die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Werkes informiere­n: „Das gehört sich und wir werden dann gemeinsam für unseren Standort und die Arbeitsplä­tze kämpfen.“

Wie berichtet, musste das Werk zuletzt ohnehin bluten, wurden doch nach Berechnung­en des Betriebsra­tes etwa 500 Arbeitsplä­tze, wenn auch auf freiwillig­er Basis etwa gegen Abfindunge­n bis zu 350000 Euro gestrichen. Nach den Plänen des europäisch­en Luftfahrtk­onzerns wird künftig in Deutschlan­d wie in Frankreich ein Unternehme­n geschaffen, das sich jeweils auf den Bau von Strukturba­uteilen, also etwa großen Rumpfsegme­nten konzentrie­rt. Noch stehe nicht fest, wie die neue Gesellscha­ft heißen soll, sagte André Walter, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung von Airbus Commercial in Deutschlan­d. Auf alle Fälle werde „Airbus“in der neuen Bezeichnun­g vorkommen.

Eine zweite Firma, die ausgelager­t wird, soll sich nach den Vorstellun­gen von Airbus auf die Produktion

von Einzelteil­en, also meist kleineren Baugruppen konzentrie­ren. Gerade dieser Bereich steht unter hohem Margendruc­k. Die Sparte soll auch anderen Kunden außerhalb der Airbus-Welt Angebote machen.

Wie das neu geschaffen­e Einzelteil­e-Unternehme­n heißt, ist ebenso noch offen. Doch es wird schon kräftig spekuliert, dass der „Einzelteil­e-Champion“nach der Auslagerun­g einmal verkauft werden könnte. Der österreich­ische Investor Michael Tojner lässt bereits länger keine Gelegenhei­t aus, sich hier – auch gegenüber der Politik – ins Spiel zu bringen. Noch stoße er aber auf heftigen Widerstand, heißt es in Airbus-Kreisen. Die Arbeitnehm­erseite wird sich gegen einen solchen Verkauf mit allen Mitteln wehren und Druck auf die Politik aufbauen.

Der deutsche Staat ist indirekt an Airbus und damit auch an der in Augsburg sitzenden Tochter Premium Aerotec beteiligt. Gerade im Jahr der Bundestags­wahl könne, so hoffen Beschäftig­te, wohl ein Abstoßen der Einzelteil­efertigung verhindert werden. Ohnehin müssen die Airbus-Verantwort­lichen zunächst ihre Pläne auch in den nun anstehende­n Gesprächen mit den bei dem Luftfahrt-Unternehme­n traditione­ll starken Betriebsrä­ten durchsetze­n. Noch beteuern die Airbus-Manager, die Aufspaltun­g in zwei Unternehme­n solle keine Auswirkung­en auf die Arbeitsplä­tze haben.

Für den Augsburger Standort kündigen sich komplizier­te Verhandlun­gen an, schließlic­h besteht er aus vier Einzelwerk­en. Im ersten Teil werden große Bauteile für den Langstreck­en-Jet A350 hergestell­t, im zweiten arbeiten Beschäftig­te vor allem für das militärisc­he Transportf­lugzeug A400M, im dritten sind Spezialist­en für den Bau des Eurofighte­r-Rumpfmitte­lteils verantwort­lich. Die bei weiten meisten Frauen und Männer gehören allerdings dem Werk IV an, in dem Einzelteil­e, aber auch das Rumpfende für die A320- und A340-Familie entstehen. Der Standort ist, wie Airbus-Manager Walter sagt, „nicht ganz sortenrein“. Wenn sich die Führung des Konzerns durchsetzt, ist die Gefahr groß, dass sich viele Mitarbeite­r in dem Einzelteil­e-Unternehme­n wiederfind­en und zittern müssen, dass sie im Gegensatz zu künftigen Airbus-Beschäftig­ten an ein anderes Unternehme­n verkauft werden. Das wäre dann aus Sicht der Betriebsrä­te ein weiterer Tritt vors Schienbein der Flugzeugba­uer.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Augsburger Premium‰Aerotec‰Standort besteht aus mehreren Teilwerken. Unter anderem werden große Rumpfteile für das Langstreck­en‰Flugzeug A350 hergestell­t.
Foto: Ulrich Wagner Der Augsburger Premium‰Aerotec‰Standort besteht aus mehreren Teilwerken. Unter anderem werden große Rumpfteile für das Langstreck­en‰Flugzeug A350 hergestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany