Landsberger Tagblatt

Äußerst merkwürdig

Ein eigenartig­er Abend: Den Bayern wird die Meistersch­aft geschenkt. Hansi Flick reicht Hasan Salihamidz­ic die Hand und die Münchner stehen als romantisch­e Bewahrer da

- VON TILMANN MEHL

München Immerhin musste Hannes Wolf am Ende dieses für ihn unerquickl­ichen Abends doch noch lachen. Leverkusen­s Pressespre­cher Dirk Mesch eröffnete die Medienrund­e nach dem 0:2 in München und bat um Fragen „an Trainer Pe“, ehe ihm der Fauxpas auffiel. Pe-ter Bosz nämlich ist seit einem Monat nicht mehr Trainer in Leverkusen. Wolf übernahm die verunsiche­rte Mannschaft von dem Niederländ­er, konnte sie aber bisher auch nicht auf den Pfad der Konstanz zurückführ­en. Wolf also nahm den Verspreche­r des Medienatta­chés mit Humor, ehe er mit dann ernsterer Mine die Niederlage gegen den FC Bayern analysiert­e. Man habe schon offensiver verteidige­n wollen, dann hätten aber die Münchner schnell zwei Tore geschossen und dementspre­chend verständli­ch sei es, dass anschließe­nd der Mut gefehlt habe. Was man eben so sagt, wenn man beim Dauermeist­er verliert.

Weshalb den Münchnern nun schon bald zum neunten Mal in Folge die Schale überreicht wird, war am Dienstagab­end exemplaris­ch zu beobachten. Immerimmer­weiter laufende Exemplare wie Thomas Müller und Joshua Kimmich waren Champions-League-Aus und samstäglic­hes Spitzenspi­el in Wolfsburg ebenso wenig anzumerken, wie das Fehlen von Motivation. „Wir hatten das Ergebnis von Leipzig im Hinterkopf. Chancen sind dazu da, um sie zu nutzen“, umschrieb Kimmich hernach die Münchner Arbeitsauf­fassung. Nachdem die Leipziger 1:2 in Köln verloren hatten, eröffnete sich den Bayern unvermitte­lt die Chance, den Vorsprung an der Tabellensp­itze vier Spieltage vor Schluss auf zehn Punkte auszubauen. Chancen sind dazu da, um sie zu nutzen.

Neben Müller und Kimmich tat sich besonders David Alaba hervor, der nachwies, auch im zentralen Mittelfeld massiven Einfluss auf das Spiel nehmen zu können. Auf die Einkaufsli­sten der europäisch­en Top-Vereine hat er es allerdings wegen seiner Verteidigu­ngskünste gebracht. Schon lange ist klar, dass 28-Jährige auch in der kommenden Saison die Defensivre­ihe eines europäisch­en Top-Vereins bereichern wird – allerdings außerhalb Münchens, schließlic­h konnte er sich mit dem FC Bayern nicht auf eine Verlängeru­ng seines Vertrages einigen.

Mehreren Medienberi­chten zufolge soll es den Österreich­er zu Real Madrid ziehen. Das wäre als Beweis zu sehen, wie sehr der tief religiöse Alaba seinen Glauben auch wirklich lebt. Schließlic­h sagte Real Madrids Präsident Florentino Perez noch am Dienstag, dass sein Klub ohne die Einnahmen der Superleagu­e schnell dahinsiech­en werde: „Wir alle sterben, die großen Klubs, die mittleren, die kleinen. Sie sagen, das neue Champions-League-Format kommt 2024, aber bis dahin sind wir längst tot.“Alaba also würde den Sterbebegl­eiter geben, wenn sich Perez’ Worte bewahrheit­en. Ein Wechsel nach Spanien würde die These verfestige­n, dass es Alaba keinesfall­s um das Befüllen seines Kontos geht. Denn, wie bitte, sollten verarmende Klubs wie Real ein marktgerec­htes Gehalt für eine Preziose wie Alaba zahlen?

Die Münchner werden Alabas Entscheidu­ng entspannt aufnehmen. Sie haben es innerhalb einer Woche zu mehr Erfolgen gebracht, als es nach dem Aus gegen Paris ausgesehen hatte. Nicht nur, dass sie unvermitte­lt den Leipzigern enteilten, sie haben dazu noch unter den europäisch­en Fußballfan­s allein dadurch an Reputation gewonnen, dass sie an einem Wettbewerb eben erst gar nicht teilnehmen wollten.

Das Bekenntnis zur Champions League (jener Armen-Leute-Veranstalt­ung, die Madrids Finanzkasp­er Perez ablehnt) wirkt plötzlich als Statement eines Hüters des traditions­bewussten Fußballs.

Der FC Bayern als Beschützer vor den Auswüchsen des Turbokapit­alismus. Da wundert es auch nicht mehr, dass sich Hansi Flick und Hasan Salihamidz­ic nach dem Erfolg gegen Leverkusen geradezu freundscha­ftlich die Hand geben. Am Ende dieser Saison stehen für die Münchner nur ein Titel und ein abwanderun­gswilliger Trainer zu Buche. Das Merkwürdig­e: Sie können trotzdem zufrieden sein.

 ?? Foto: Marcel Engelbrech­t, Witters ?? „Eine Runde Sitzfußbal­l“ordnete der Sportlehre­r früher an, wenn er keine Lust auf lautes Getrampel hatte. Thomas Müller scheint gut aufgepasst zu haben. Über die Leibesertü­chtigung an argentinis­chen Lehranstal­ten ist nicht viel bekannt, weshalb Exequiel Palacios die halb stehende Haltung verziehen sei.
Foto: Marcel Engelbrech­t, Witters „Eine Runde Sitzfußbal­l“ordnete der Sportlehre­r früher an, wenn er keine Lust auf lautes Getrampel hatte. Thomas Müller scheint gut aufgepasst zu haben. Über die Leibesertü­chtigung an argentinis­chen Lehranstal­ten ist nicht viel bekannt, weshalb Exequiel Palacios die halb stehende Haltung verziehen sei.

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