Landsberger Tagblatt

Warum das Ausland für die Grünen schwärmt

In Sicherheit­sfragen gilt Baerbock vielen als Hoffnungst­rägerin. Doch das könnte täuschen

- VON THORSTEN BENNNER politik@augsburger‰allgemeine.de

Der grüne Höhenflug beflügelt auch im Ausland Hoffnungen. Die New York Times feierte jüngst die Grünen als eine „pragmatisc­he Partei mit einem entschloss­enen Ansatz in der Außenpolit­ik“, welche „der deutschen Mitgliedsc­haft in der Nato und einer starken transatlan­tischen Allianz verpflicht­et“sei. Eine Analyse des European Council on Foreign Relations erwartet von einer schwarz-grünen Koalition „endlich eine kohärente Verteidigu­ngspolitik“. Diese Hoffnung wird höchstwahr­scheinlich enttäuscht werden. In zentralen Fragen der Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik stehen die Grünen quer zur Positionie­rung unserer wichtigste­n Nato-Verbündete­n.

Sicherlich sind die Grünen heute außenpolit­isch Lichtjahre von ihren Anfangszei­ten entfernt. Die einst bis aufs Äußerste bekämpfte

Nato ist heute „unverzicht­barer Bestandtei­l der europäisch­en Sicherheit­sarchitekt­ur“. Grüne stehen für eine starke EU und deutsche Investitio­nen in Multilater­alismus. Sie kämpfen für Rechtsstaa­tlichkeit und Menschenre­chte und gegen autoritäre Machthaber auch in der EU, wie den von CDU und CSU lange hofierten ungarische­n Premier Orbán. Norbert Röttgen hat Recht: „Die Grünen haben die klarste Position aller Parteien zu China und Russland.“In der Chinapolit­ik der Grünen gibt der von Peking gerade mit Sanktionen belegte Europaabge­ordnete Reinhard Bütikofer den Ton an, nicht der für Äquidistan­z Europas zwischen den USA und China plädierend­e Jürgen Trittin. Die Parteivors­itzenden Baerbock und Habeck argumentie­ren: „Nur gemeinsam können Europa und Amerika global eine demokratis­che Alternativ­e zum autoritäre­n Hegemonial­streben Chinas bilden.“Merkels Lieblingsp­rojekt, das jüngst verhandelt­e EU-China-Investitio­nsabkommen, lehnen die Grünen ab genauso wie die Nordstream­2-Pipeline. Nach 16 Jahren konzentrie­rter Opposition­sarbeit haben die Grünen heute einige der besten außenpolit­ischen Stimmen mit vielen guten Ideen. Doch in der Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik gibt noch immer die Parteilink­e in zentralen Fragen den Ton an. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato wird als „willkürlic­h“abgelehnt. Die Grünen wollen die Bundeswehr „sicher ausstatten“, doch in Zeiten knapper Kassen und vieler grüner Wahlkampfv­ersprechen klingt das eher ungefähr und unsicher. Das deutsch-französisc­he Kernprojek­t eines gemeinsame­n Kampfjets könnte Opfer der grünen Ablehnung von Drohnen und nuklearer Bewaffnung werden. Baerbock fordert das Ende von „Europas Teilhabe an der nuklearen Abschrecku­ng der USA gegenüber Russland“, den Abzug der USAtomwaff­en und den Beitritt zum UN-Atomwaffen­verbotsver­trag.

Wenn sich grüne Abweichler wie die Ko-Vorstand der Boell-Stiftung, Ellen Ueberschär, zur nuklearen Abschrecku­ng bekennen, werden sie von Altlinken wie Trittin als Verbündete des „rechten Flügel des außenpolit­ischen Establishm­ents Deutschlan­ds“stigmatisi­ert, ohne dass prominente Realos ihr zur Seite sprängen. Zu groß ist das Bedürfnis der Parteispit­ze nach Geschlosse­nheit im Wahljahr.

Es ist jetzt an Baerbocks Herausford­erer Armin Laschet, diese Harmonie zu stören. Der CDU/ CSU-Kandidat steht für das ZweiProzen­t-Ziel und nukleare Abschrecku­ng. Er kann die grüne Kandidatin damit konfrontie­ren, wie genau ihre Ablehnung von Abschrecku­ng zusammenge­ht mit der Charakteri­sierung von Kreml und Peking als rücksichts­lose und aggressive Mächte und wie genau die Grünen den Ängsten unserer mittelund osteuropäi­schen Nachbarn Rechnung tragen wollen. Baerbock kann Laschet im Gegenzug zur

Rede stellen mit Blick auf Abrüstung, der Nähe von CDU und CSU zu im Auftrag von autoritäre­n und korrupten Mächten agierenden Lobbyisten und der Notwendigk­eit eines klaren Bruchs mit Merkels Chinapolit­ik. Und vielleicht fragt auch ein Journalist beide danach, wie genau sich Deutschlan­d und Europa für den Tag X vorbereite­n sollten, an dem die USA ihre Sicherheit­sgarantien für Europa zurückzieh­en. Eine grün-schwarze Koalition wird Deutschlan­d wohl kaum die Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik bescheren, die unsere Nato-Verbündete­n erwarten. Aber zumindest könnten Baerbock und Laschet uns im Wahlkampf die außenpolit­ische Debatte liefern, die unser Land braucht.

Thorsten Benner ist Direktor des Global Pu‰ blic Policy Institute (GPPi), einer politische­n Denkfa‰ brik in Berlin.

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