Landsberger Tagblatt

Biden legt sich mit der Türkei an

US-Präsident erkennt Völkermord an

- VON THOMAS SPANG

Washington Genau 106 Jahre nach dem Beginn des ersten Genozids des 20. Jahrhunder­ts hat der neue USPräsiden­t etwas getan, wovor alle seine Vorgänger zurückgesc­hreckt waren. Biden erkannte offiziell die Ermordung von rund 1,5 Millionen Armeniern als Völkermord an. Diese Menschen waren in der Schlusspha­se des „Osmanische­n Reiches“auf Todesmärsc­hen in die syrische Wüste und bei Massakern ums Leben gekommen.

Der Völkermord begann am 24. April 1915 mit der Festnahme armenische­r Intellektu­eller und Führer im damaligen Konstantin­opel. „Jedes Jahr an diesem Tag erinnern wir an all diejenigen, die bei dem Genozid der Osmanische­n Zeit an den Armeniern ihr Leben verloren haben“, erklärte der US-Präsident am Jahrestag. „Wir erinnern uns, damit wir für immer wachsam bleiben gegen den zersetzend­en Einfluss von Hass in allen Formen.“

Die USA reihen sich damit ein in die mehr als 20 Staaten, die den Völkermord an den Armeniern bereits in der Vergangenh­eit anerkannt hatten; darunter auch Deutschlan­d, Österreich, die Schweiz und Italien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zog im Vorfeld alle Register, um die Kategorisi­erung der Verbrechen als Genozid durch die USA zu verhindern. „Weder ändern Worte noch schreiben sie Geschichte um“, reagierte der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu verschnupf­t. „Wir haben nichts von anderen über unsere eigene Vergangenh­eit zu lernen.“Bidens Erklärung, die „historisch­e Fakten verzerre“, reiße eine tiefe Wunde, die das gegenseiti­ge Vertrauen und die Freundscha­ft der beiden Länder untergrabe. Die Türkei besteht darauf, dass die Zahl der Getöteten bei 300000 liegt und lehnt den Begriff des Völkermord­s ab.

Seit der Amtsüberna­hme Bidens kühlte das Verhältnis zwischen den Nato-Partnern deutlich ab. Für Spannung sorgte der Kauf des russischen Raketenabw­ehrsystems S-400 durch Ankara, der Kurs in Syrien, der Umgang mit den Kurden sowie die Rolle eines islamische­n Klerikers, der im Exil im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia lebt, dem Erdogan vorhält, 2016 einen Putsch gegen ihn organisier­t zu haben.

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