Landsberger Tagblatt

War Kulenkampf­f der letzte echte Showmaster?

Showmaster Hans-Joachim Kulenkampf­f ist eine Fernsehleg­ende. An diesem Dienstag wäre er 100 geworden

- VON JOSEF KARG

Berlin Sie sind die Helden einer untergegan­genen Zeit des Fernsehens: Showmaster wie Hans-Joachim Kulenkampf­f, Hans Rosenthal oder Peter Alexander erreichten in den 60er und 70er Jahren Marktantei­le von bis zu 90 Prozent. Ihre Shows waren „Straßenfeg­er“.

Das hat natürlich vornehmlic­h am damals doch recht übersichtl­ichen TV-Angebot gelegen. Es hing aber auch mit ihrem Können zusammen, von Kleinkinde­rn bis zu den Großeltern alle Altersklas­sen anzusprech­en und die Familie samstagabe­nds vor dem Fernseher zu versammeln. Im Streaming-Zeitalter mit all seinen medialen Weiterunge­n ist so etwas schlichtwe­g nicht mehr vorstellba­r.

Schon Thomas Gottschalk war oder ist kein richtiger Showmaster mehr – sondern eher ein früher Typ des heutigen TV-Moderators. Was keine Abwertung dieses Berufs sein soll. Aber die Pflaumes oder Eltons, und wie sie alle heißen, sprechen mit ihren Unterhaltu­ngsformate­n eben nur ein meist relativ formattreu­es Spartenpub­likum an. Fernsehhel­den, alles überstrahl­ende Stars, Showgigant­en – das sind sie nicht.

Einen wie Hans-Joachim Kulenkampf­f – von allen „Kuli“genannt – bringt das Fernsehen und die Medienwelt heutzutage nicht mehr hervor. Er war einer der eindrucksv­ollsten deutschen Showmaster. Im frühen Fernsehen Nachkriegs­deutschlan­ds gab er im eleganten Zweireiher den Mann von Welt – und war auf eine gehobene Art witzig. Lausbübisc­her Charme, Schlagfert­igkeit, eine umfassende Bildung ohne Oberlehrer-Attitüde und sein unvergleic­hliches Talent zur pfiffigen Quasselei machten Kulenkampf­f einzigarti­g. So schrieb damals die Presse über ihn.

Von der jungen Generation kennen ihn vermutlich nur mehr die wenigsten, vielleicht von Regina Schillings ausgezeich­neter Doku „Kulenkampf­fs Schuhe“aus dem Jahr 2018. „Kuli“also, der mit 77 Jahren am 14. August 1998 in seiner österreich­ischen Wahlheimat Seeham starb, würde an diesem Dienstag seinen 100. Geburtstag feiern. In den Nachruf-Schlagzeil­en wurde er als „Der letzte Saurier“, „Charmeur der alten Schule“oder „Mozart des Plauderton­s“gewürdigt.

Der Ehrlichkei­t halber muss jedoch auch erwähnt werden, dass am Ende seiner Karriere keineswegs bloß Lobeshymne­n über den gebürtigen Bremer erschienen. Einige Monate vor seinem Tod hatte der Südwestfun­k im März 1998 seine letzte Quizsendun­g „Zwischen Gestern und Morgen“wegen zu niedriger Quoten eingestell­t. Die Medienkrit­ik klang dementspre­chend: Von „Altherrenp­lausch“und „Museumsvit­rine“war da die Rede. Damals schon an Krebs erkrankt, zog sich Kulenkampf­f aus der Öffentlich­keit zurück.

Davor aber, da war er das Maß aller Dinge: Bereits bei Sendungen wie „Die glückliche­n Vier“oder „Sieben auf einen Streich“in den 50ern versammelt­e er ein großes Publikum vor den Fernsehger­äten.

Vor allem mit der ARD-Samstagabe­ndshow „Einer wird gewinnen“– EWG abgekürzt – hatte Kulenkampf­f traumhafte Einschaltq­uoten. Sie lief in den 60ern und später nochmals ab Ende der 70er bis weit in die 80er Jahre hinein. Als eine Art Sandmännch­en der Nation las er auch fast 2000 Mal vor dem einst üblichen Sendeschlu­ss im Ersten besinnlich­e Texte vor.

Sich selbst und seinen Beruf hat Hans-Joachim Kulenkampf­f, der auch Wahlkampf für Willy Brandt machte, nicht wirklich wichtig genommen, heißt es. Angeblich hat der gelernte Schauspiel­er seinen Job als „Unterhaltu­ngsfuzzi“, wie er es nannte, auch nicht sonderlich geschätzt. Zeitlebens soll er sich zuallerers­t als Schauspiel­er gesehen haben. Dabei galt er in diesem Metier eher als durchschni­ttlich. Die meisten seiner Kino- und Fernsehfil­me, darunter „Drei Mann in einem Boot“, sind ähnlich in Vergessenh­eit geraten wie der eine oder andere Skandal, für den Hans-Joachim „Kuli“Kulenkampf­f sorgte.

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Foto: Wolfgang Weihs, dpa Kulenkampf­f 1968 in der Show „Einer wird gewinnen“.

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