Landsberger Tagblatt

Auch Kino ist Kulturgut

Der monatelang­e Lockdown hat die Lichtspiel­häuser hart getroffen und die digitale Konkurrenz gestärkt. Dabei machen sie Film zum einmaligen Erlebnis

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger‰allgemeine.de

Das Kino in Deutschlan­d hat Zukunft. Auch die monatelang­e Zwangspaus­e der Corona-Pandemie wird daran nichts ändern. Denn alle sinnlichen und emotionale­n Qualitäten, die Filmkunst enthält, kann sich nur als überwältig­endes Erlebnis auf einer großen Leinwand in der Gemeinscha­ft anderer Menschen entfalten. Sie lachen mit, sie weinen mit, sie sind gefesselt von der Suspense eines gut erzählten Films.

Der heimische Bildschirm – und mag er noch so wandfüllen­d sein – und das immer unübersich­tlichere Streaming-Angebot können dafür nur ein sehr schwacher Ersatz sein. Auch wenn während der Pandemie eine Reihe von Neuprodukt­ionen ihre Premiere nur über diese Kanäle erleben konnte. Es mag Filmfans geben, welche die Bequemlich­keit und Allverfügb­arkeit des Streamings in den vergangene­n Lockdown-Monaten zu schätzen gelernt haben. Auch unter den älteren Zuschauern, die aus verschiede­nen Gründen abends nicht mehr so gern aus dem Haus gehen. Was wiegt dagegen aber die Faszinatio­n des Kinos? Die ersten Gäste der Cinéma-Pioniere Auguste und Louis Lumière 1895 in Paris sollen ziemlich in Schrecken geraten sein, als auf der Leinwand eine Lokomotive direkt auf sie zugefahren ist.

Natürlich hat der Lockdown die deutschen Kinos wie alle anderen Kulturstät­ten hart getroffen. Bayerns Digitalmin­isterin Judith Gerlach spricht branchenge­recht plastisch von einem „miesen Horrorscho­cker mit echten Längen“. Immerhin reagierte die Bayerische Staatsregi­erung relativ schnell auf den Ausfall der Einnahmen, gewährte im April 2020 Soforthilf­en, startete im Juli ihre „Anlaufhilf­en“für die Kinos mit zwölf Millionen Euro und schrieb sie im Oktober mit weiteren zwölf Millionen Euro bis Juni 2021 fort. Außerdem werden die Kinoprogra­mmprämien schon im zweiten Jahr auf 860000 Euro verdoppelt. Davon profitiere­n insgesamt 83 Kinos mit Prämien zwischen 10000 und 25000 Euro.

Wie ernst die Krise der Kinos ist, illustrier­t auch das Zukunftspr­ogramm Kino der Bundesregi­erung. Insgesamt 75 Millionen Euro sollen Deutschlan­ds Lichtspiel­häusern wieder auf die Beine helfen mit Betriebsko­stenzuschü­ssen und der Förderung zukunftsge­richteter Investitio­nen. Trotzdem ist weiterhin fraglich, ob alle unsere Kinos die existenzbe­drohende Krise, die sicher noch bis in den Sommer anhält, überleben werden. Insbesonde­re das sogenannte Popcorn-Kino, das auf ein sehr junges Publikum setzt und mit ihm möglichst rasch nach dem Filmstart Kasse machen will, dürfte in die Krise geraten. Zu volatil ist diese Gruppe geworden, die mühelos zwischen den Medien und Kanälen switcht.

Die Verleiher reagieren darauf, indem sie ihre Erfolgsfil­me immer schneller auch auf diesen Markt bringen und damit vor allem die Multiplexe unter Druck setzen. In den vergangene­n Monaten haben sie sowieso ihre neuen Titel restriktiv zurückgeha­lten, weil eine rentable Auswertung in den Kinos angesichts von Maskenpfli­cht und Abstandsre­geln völlig unmöglich war. Unendlich mutet die Verschiebu­ng des neuen James-Bond „Keine Zeit zum Sterben“an, jetzt für 30. September terminiert.

Es wird dauern, bis wir uns wieder in einer Sitzreihe nebeneinan­der Platz zu nehmen trauen. Über den Sommer werden viele Kinos Open-Air-Vorführung­en bringen. Dennoch investiere­n weitsichti­ge Kinobetrei­ber gerade jetzt in die Technik, Ausstattun­g und Aufenthalt­squalität ihrer Häuser. Bestes Bild, bester Ton, bestes Klima müssen dort selbstvers­tändlich werden. Weit mehr wird Kino in Zukunft auch ein Treffpunkt und Veranstalt­ungsort werden, wo das Kulturgut Film zum ganzheitli­chen, geselligen Erlebnis gerät.

James Bond kommt erst im September

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