Landsberger Tagblatt

Bedrohung durch Rechtsextr­emisten nimmt zu

Spezialein­heit der bayerische­n Justiz berichtet über einen deutlichen Anstieg der Ermittlung­sverfahren

- VON ULI BACHMEIER

München Die Bedrohungs­lage in Bayern hat sich geändert. Als vor vier Jahren die Bayerische Zentralste­lle zur Bekämpfung von Extremismu­s und Terrorismu­s (ZET) gegründet wurde, hatten es die Staatsanwä­lte dieser Spezialein­heit vor allem mit islamistis­ch motivierte­n Tätern der Terrorgrup­pe „Islamische­r Staat“zu tun. Seit sie auch Hass und Hetze im Internet verfolgen, liegt der Schwerpunk­t ihrer Arbeit im Bereich des Rechtsextr­emismus, wie Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU), Generalsta­atsanwalt Reinhard Röttle und der Chef der ZET, Leitender Oberstaats­anwalt Georg Freutsmied­l, am Montag in München berichtete­n.

Insgesamt 1036 Verfahren hat die ZET seit dem Jahr 2017 eingeleite­t. In rund 60 Prozent der Fälle gingen die Ermittler von islamistis­chen

Tatmotiven aus. Rund 30 Prozent der Fälle waren den Angaben zufolge rechtsextr­emistisch motiviert. Allerdings zeigt die jüngste Entwicklun­g, dass es nicht nur eine starke Zunahme der Fallzahlen, sondern auch eine deutliche Verschiebu­ng gibt. Die Bedrohung durch den „Islamische­n Staat“etwa sei deutlich zurückgega­ngen, die kriminelle­n Aktivitäte­n von Rechtsextr­emen hätten zugenommen.

Von den 408 Ermittlung­sverfahren, die allein im vergangene­n Jahr neu hinzukamen, gehen laut Eisenreich 186 auf das Konto von Rechtsextr­emisten, 63 Straftaten waren islamistis­ch, 18 linksextre­mistisch und elf antisemiti­sch motiviert. Der große Rest, bei dem es sich ebenfalls überwiegen­d um Hass und Hetze im Internet handelt, kann nach Angaben von Freutsmied­l keiner Extremismu­s-Kategorie eindeutig zugeordnet werden. Gleichwohl stellte der Justizmini­ster fest: „80 Prozent der Hass-Posts kommen aus dem rechtsextr­emen Bereich.“

Ein Gesamtbild der Bedrohungs­lage gibt die Statistik der ZET allerdings nur bedingt. Die ZET ist nicht nur eine Spezialein­heit der Justiz in Bayern. Sie ist auch als eine Schnittste­lle

zwischen über- und nachgeordn­eten Behörden organisier­t, die zugleich die Kompetenze­n in der Terror- und Extremismu­sbekämpfun­g in Bayern bündelt. Die besonders schweren Fälle staatsgefä­hrdender Gewalttate­n werden vom Generalbun­desanwalt verfolgt, die große Masse kleinerer Delikte übernehmen die Staatsanwa­ltschaften vor Ort.

Zu den größeren Ermittlung­serfolgen der ZET gehören die Aufdeckung von Anschlägen auf ICE-Züge im Jahr 2018, was schließlic­h in Wien dazu führte, dass dort ein Islamist zu lebenslang­er Freiheitss­trafe wegen versuchten Mordes verurteilt wurde. Auch die Festnahme eines Tatverdäch­tigen im Zusammenha­ng mit Anschlägen auf türkische Geschäftsl­eute im oberbayeri­schen Waldkraibu­rg geht auf Ermittlung­en der ZET zurück. Der Mann, der mit Rohrbomben und Sprengstof­f gefasst wurde, steht derzeit unter anderem wegen versuchten Mordes vor Gericht. Und auch das bundesweit­e Verbot der neonazisti­schen Organisati­on „Combat 18“– frei übersetzt: „Kampfgrupp­e Adolf Hitler“– wurde durch Ermittlung­en der ZET möglich.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Waffen, Munition, CDs aus der rechten Szene – ein Teil der beschlagna­hmten Gegen‰ stände aus der Asservaten­kammer der ZET.

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